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Luftbild vom Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Luftbild vom Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden. | Bild: Implenia

Brückenbau

Best Practice Brückenbau: Wirtschaftlicher und sicherer Bau der Talbrücke Sechshelden

Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen: Beim Ersatzneubau der Talbrücke Sechshelden (A 45) helfen innovative Verfahren, Zeit sowie Kosten zu sparen und sicherer zu bauen. Ein Lichtblick und gutes Beispiel gegen den Sanierungsstau auf deutschen Verkehrswegen.
 

Jede Brücke ist anders, doch in Sachen Arbeitssicherheit sehen sich die ausführenden Bauunternehmen stets den gleichen Herausforderungen gegenüber. Oft sind es Arbeiten in der Höhe, die häufig aufwendige Sicherheitslösungen und Schutzmaßnahmen erfordern. Um bestimmte Bauprozesse sowohl sicherer als auch wirtschaftlicher zu gestalten, entwickeln Baufachleute fortlaufend innovative Lösungsansätze. Sie bringen technische Möglichkeiten und organisatorische Abläufe neu zusammen. Damit zeigt der Bericht auch, dass die Differenz zwischen geplanten und fertiggestellten Bauprojekten weiter zunimmt. Manchmal lohnt sich ein Blick über den Tellerrand. Anderswo haben sich bereits Lösungen bewährt, mit denen sich aktuelle Herausforderungen beim Brückenbau bewältigen lassen. Mit seinen immer wieder unterschiedlichen Rahmenbedingungen bietet der Bau fortwährend Raum für Innovation und Improvisation. Im besten Fall werden auch andere Expertinnen und Experten einbezogen.

Zeit gewinnen, Geld sparen und die Arbeit dadurch gar sicherer und umweltverträglicher gestalten: Eben das ist beim Neubau der Talbrücke Sechshelden, Teil der Autobahn 45 (A 45), gelungen.
 

Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Das Brückenbauwerk aus den 1960er Jahren hält dem heutigen Verkehrsaufkommen auf lange Sicht nicht mehr stand.
Bild: Autobahn GmbH

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Hohe Dringlichkeit bei Brückensanierungen

Wie so oft im bundesweit offensichtlich zutage tretenden Sanierungsstau* bei Hunderten von Brückenbauwerken besitzt auch die Talbrücke Sechshelden nur noch eine begrenzte Betriebsdauer. Geplant ist, dass der komplette Verkehr in etwa zwei Jahren über das erste neue Teilbauwerk geführt wird. Denn die 1968 errichteten Bauwerke halten dem zunehmenden Schwerlastverkehr auf Dauer nicht mehr stand. Die Autobahn 45 stellt eine direkte Verbindung vom Ruhrgebiet über das Sauerland ins Rhein-Main-Gebiet her. Die Talbrücke Sechshelden ist eine von insgesamt 60 Brücken, die im Zuge der A 45 zwischen Dortmund und Gießen durch einen Neubau ersetzt werden. Sie liegt im Lahn-Dill-Kreis am Ortsrand der Stadt Haiger im Bereich des Stadtteils Sechshelden.
 

Luftbild mit Lage der Baustelle Talbrücke Sechshelden auf A 45.
Luftbild mit Lage der Baustelle Talbrücke Sechshelden auf A 45.
Bild: Autobahn GmbH


Mit einem durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) von rund 63.000 Fahrzeugen in diesem Autobahnabschnitt ist eine andauernde Vollsperrung der A 45 undenkbar. Denn sie überbrückt dabei nicht nur den Fluss Dill, sondern auch die Bahnstrecke Köln – Siegen und die Bundesstraße 277 (B 277). Die naheliegenden Ausweichstrecken sind ebenso am Limit und vielerorts selbst im Bau. Es bestehen keine Kapazitäten, um den Verkehrsfluss zwischen den beiden Ballungsgebieten über Wochen und Monate umzuleiten.
 

Computergeneriertes Bild der neuen Talbrücke Sechshelden
So soll sie 2030 aussehen - die neue Talbrücke Sechshelden.
Bild: Autobahn GmbH

 

Sechzig neue Brücken für eine Autobahn

Die Autobahn GmbH hat mit dem Brückenabbruch und Neubau eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) unter Leitung des multinationalen Bau- und Immobiliendienstleisters Implenia beauftragt. Das Projekt gliedert sich in drei Phasen:

  1. Abbruch der Südbrücke (Fahrtrichtung Hanau) mit Umleitung des Verkehrs auf die Nordbrücke
  2. Neuerrichtung der Südbrücke (916 m)
  3. Abbruch und Neubau der Nordbrücke (Fahrtrichtung Dortmund) mit einer Länge von 937 m
     

Das Gesamtprojekt der Autobahn GmbH umfasst neben dem dreispurigen Ausbau vor den Brückenauffahrten und der Erweiterung der Rastplätze (PWC) noch weitere Teilprojekte um den Brückenneubau. Auch in den Lärmschutz wird investiert. Denn Verkehrsprognosen besagen, dass die tägliche Anzahl an Fahrzeugen, die die Brücke befahren bis 2030 auf über 72.000 steigen soll. Daher werden die Außenwangen der Brücke mit 7,25 m hohen Lärmschutzwänden ausgerüstet. Die Mittelkappe erhält über die komplette Brückenlänge eine 5 m hohe absorbierende Lärmschutzwand. Lärmmindernder Asphalt sowie lärmgeminderte Fahrbahnübergänge komplettieren die Maßnahmen.
 

Baustelle für den Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Bild: Implenia

 

Enges Zeitfenster für Abbruch und Neubau

Der Spatenstich erfolgte im April 2024. Im Vorfeld wurde der Verkehr auf der A 45 vollständig auf die Nordbrücke verlegt. Für das Team von Implenia Construction um Projektleiter Torsten Reinhard und Bauleiter Bruno Müller fiel der Startschuss mit dem Abbruch des südlichen Überbaus beginnend vom Widerlager aus Fahrtrichtung Frankfurt. Für sie ging es vor dem Hintergrund des eng abgesteckten Zeitfensters darum, einzelne Bauprozesse so anzupassen, dass sie zu einer beschleunigten Ausführung der Abbruch- und der Neubauarbeiten führen. Und zwar ohne dabei Abstriche im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu machen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wandten sich die Implenia-Verantwortlichen an die zuständigen Vertreter des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Das zuständige Regierungspräsidium, die verantwortliche Aufsichtsperson der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator und die örtliche Bauüberwachung waren in die Planung einzelner Bauschritte eingebunden. Dazu beraumten sie regelmäßig gemeinsame Baustellenbegehungen an, um Konzepte für die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz und deren Umsetzung abzugleichen und bei Bedarf anzupassen. Mehrere Verfahren haben sich sowohl für den Baufortschritt als auch für die Sicherheit als vorteilhaft wie vorbildhaft erwiesen.
 

Kran und Hebebühne beim Abbruch der Pfeiler der Talbrücke Sechshelden
Pfeilerabbruch Talbrücke Sechshelden
Bild: Autobahn GmbH

 

Abbruch der Brückenpfeiler

Ursprünglich sollten die alten Brückenpfeiler mittels Betonsäge, in Abschnitten von jeweils vier Metern, von oben nach unten abgetragen werden – so sieht es das herkömmliche Verfahren vor. Bei einer durchschnittlichen Pfeilerhöhe von 20 m wären somit pro Pfeiler fünf Sägeschnitte nötig geworden. Für jeden Schnitt hätte in den unterschiedlichen Höhen ein Arbeitsplatz eingerichtet werden müssen. Sowohl beim Auf- und Abbau der Arbeitsplätze als auch bei der Ausführung der Arbeiten hätte jeweils eine Absturzgefährdung mit unterschiedlichen Absturzhöhen vorgelegen und wäre mit einer adäquaten Schutzmaßnahme zu sichern gewesen. Entsprechend hätte sich der materielle und zeitliche Aufwand summiert. 
 

Talbrücke Sechshelden: Der Abbruch der Pfeiler (Autobahn GmbH)

Reinhard und Müller taten sich um und stießen schließlich auf ein aus allen Blickwinkeln vorteilhafteres Verfahren, das statt fünf lediglich zwei Sägeschnitte benötigt. Der zweite Schnitt konnte vom Boden aus erfolgen – ohne Absturzgefährdung. Eigens für dieses Verfahren wurde eine Durchsteckwelle entwickelt, um die bis zu 70 t schweren Pfeiler in zwei Teilen mittels Mobilkranen zu demontieren und auf den Boden abzulegen. Dort ließen sich die beiden Pfeilerabschnitte im Anschluss mit dem Bagger schnell und sicher in transportfähige Teile zerkleinern. Der Entwicklungsaufwand rentierte sich um ein Vielfaches: Die Zeit für den Abbruch reduzierte sich pro Pfeilerachse von fünf auf drei Arbeitstage. Für die insgesamt 36 Pfeilerachsen sparte Implenia und die beteiligten Nachunternehmen sage und schreibe 72 Arbeitstage beim Abbruch ein. Die Vorbereitungszeiten, der Material- und Maschinenaufwand und alle weiteren Kosten sind dafür noch gar nicht eingerechnet.
 

Zeitfaktor Gleissperrung 

Auch beim Abbruch des Brückenüberbaus half eine alternative technische Lösung den Zeitaufwand spürbar zu senken. Aus der Schweiz wurde eine Hochleistungsabbruchzange beschafft. Anstatt der üblichen Druckkraft von 270 t kann der sogenannte Betonbeißer made in Switzerland einen Druck von bis zu 380 t aufbauen. Der Materialwiderstand wird schneller und effektiver überwunden und verkürzt damit die Abbrucharbeiten wesentlich.
 

Hochleistungsabbruchzange beim Abbruch der Talbrücke Sechshelden.
Betonbeißer: Die Hochleistungsabbruchzange beschleunigte den Abbruch spürbar.
Bild: Implenia


Der Abbruch des Brückenabschnitts über die darunter verlaufende Bahnstrecke Köln-Gießen galt innerhalb der Bauleitung als besonders heikel. Für den herkömmlichen Abbruch hätte man unter dem Bestandsüberbau oberhalb der Bahntrasse ein Traggerüst mit einer Verschubbahn errichten müssen, um das abgetrennte Brückenteil im Bahnbereich vollständig in Richtung Westen über das Bestandswiderlager herauszuschieben.
 

Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Der auf Traggerüsten gelagerte abgetrennte Brückenoberbau nach dem Verschub über die Gleise
Bild: Autobahn GmbH


Angesichts der dafür notwendigen Gleissicherung und den Vor- und Nacharbeiten hätte die Strecke für ein gesamtes Wochenende gesperrt werden müssen. Für eine solch ausgedehnte Sperrzeit fordert die Deutsche Bahn einen entsprechenden Antrag drei Jahre im Voraus. Der Antrag wurde zwar vorsorglich gestellt, aber um die zuvor erzielten Zeiteinsparungen nicht wieder durch das Abwarten auf den festgelegten Sperrzeitpunkt zu verlieren, schaute sich die Bauleitung nach einem alternativen Verfahren um, für das auch kurzfristig eine Sperrung von geringerer Dauer realisierbar war. Bei diesem Abbruchkonzept trennten Abbruchspezialisten der DTL Betonrückbau GmbH den gesamten Querschnitt des Überbaus über den Bahngleisen mittels Betonsäge auf. Anschließend wurde der 17 m lange und etwa 2.000 t schwere Brückenabschnitt mit Hydraulikpressen über die Gleise auf Traggerüste verschoben. Für diesen Vorgang konnte die Trasse etwa 24 Stunden nicht befahren werden. Die verschobenen Brückenteile wurden anschließend konventionell ohne Auswirkungen auf die Baustelle und die umliegenden Verkehrswege abgebrochen. Insgesamt dauerte der Abbruch des ersten Teilbauwerks mit elf Monaten dank der geänderten Verfahrensweisen sogar kürzer als ursprünglich einkalkuliert.
 

Vorflechten der Regelklettertakte bei den Brückenpfeilern 

Die Errichtung von Brückenpfeilern erfolgt in der Regel nach einem festen Schema: Sie werden vor Ort eingeschalt, bewehrt und anschließend betoniert. Diese Verfahrensweise bringt zwei signifikante Nachteile mit sich. Die einzelnen Arbeitsschritte können ausschließlich nacheinander ablaufen. Und nach dem ersten Pfeilerabschnitt verlagern sich alle weiteren Arbeiten auf hochgelegene Arbeitsplätze, die dauerhaft wirksame Schutzmaßnahmen gegen Absturz erfordern. Um den Ablauf zu beschleunigen, erstellten die Implenia-Verantwortlichen ein Konzept für eine teilweise parallel ablaufende Bauabwicklung. Sie ließen die Bewehrungskörbe für die Pfeiler in den Pfeilerregelquerschnitten am Boden vorfertigen und mithilfe einer Traverse in die parallel erstellte Pfeilerschalung kranen.
 

Luftbild vom Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Die Baustelle nach dem Abbruch des südlichen Brückenbauwerks
Bild: Implenia


Die vorgefertigten Bewehrungskörbe ließen sich jedoch nicht mit einer herkömmlichen Schalung einbauen. Dafür wurde eine spezielle krangeführte Schalung, die sogenannte Pfeilerschaftschalung, verwendet. Dieser Typ Kletterschalung lässt sich über Fahrprofile, Spindelstreben und den Einbau der Schalungsanker nach dem Einkranen und Ausrichten der vorgefertigten Bewehrungskörbe schließen. Durch das Vorfertigen der Bewehrungskörbe sank die Arbeitszeit zur Herstellung eines Pfeilerabschnitts im Regelquerschnitt um zwei Tage.
 

Pfeilerschaftschalung für die Vorgefertigung der Bewehrungskörbe beim Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Die Pfeilerschaftschalung macht es möglich, vorgefertigte Bewehrungskörbe einzubauen.
Bild: BG BAU


Die Entscheidung für diese Arbeitsweise fiel bereits in der Planung, um den passenden Schalungstyp auszuwählen. Neben der Zeitersparnis erwies es sich als großes Sicherheitsplus, dass die Bewehrung unter geregelten Bedingungen und mit den notwendigen Schutzmaßnahmen am Boden hergestellt werden konnte. Ein einfaches Montagegerüst genügte, um die 5 m hohen Körbe sicher und ergonomisch vorzufertigen.
 

Die Mitglieder der Bauleitung beim Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden.
Die Implenia-Bauleitung um Bruno Müller, Lars Philippi und Andreas Lange (v. l. n. r.) entschloss sich, die Bewehrungskörbe der neuen Brückenpfeiler zunächst am Boden vorzumontieren.
Bild: BG BAU

 

Vormontage der Traggerüsttürme

Im Normalfall werden Traggerüsttürme direkt am Einbauort montiert. Bei dieser Vorgehensweise entstehen zwangsläufig Situationen, bei denen Beschäftigte einer Gefährdung durch Absturz ausgesetzt sind. Beim Bau der Talbrücke Sechshelden ließ Implenia die Traggerüsttürme von umliegenden Gerüsten aus vormontieren. Mit dem Ergebnis, dass die Arbeitsplätze schneller und sicherer erreichbar waren und die Absturzgefährdung minimiert werden konnte.
 

Aufbau der Traggerüste beim Abbruch der Talbrücke Sechshelden.
Traggerüste in Vormontage
Bild: Implenia


Die Beispiele zeigen deutlich, wie Bauprozesse durch innovative Konzepte und den Einsatz von moderner Technik optimiert werden können und neben der Einsparung von Zeit und Kosten auch positive Auswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz haben. Dem ebenso zuträglich sei die enge Zusammenarbeit zwischen Bauleitung und Arbeitsschutzakteuren, die man frühzeitig aufgenommen habe, betonen alle Beteiligten.
 

Projektdaten
 

Projektumfang: 
Abbruch und Neubau der Talbrücke Sechshelden


Bauzeit (Planung): 
2023–2030 (Gesamtneubau)


Bauherrin: 
Autobahn GmbH


Bauausführung: 
Arge Talbrücke Sechshelden: Implenia Civil Engineering GmbH/Fritz Herzog Bauunternehmen AG


Kosten: 
133 Mio. € (Gesamtausbau: 177 Mio. €)


Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator: 
Dr.-Ing. Daniel Stackelberg (Sand 12 GmbH)
 

Fußnoten
*
Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofes vom April 2025 sind in Deutschland jede dritte Autobahnbrücke sowie jede siebte Brücke einer Bundesstraße modernisierungsbedürftig. Die mit der Modernisierung beauftragte Autobahn GmbH konnte bis Ende 2024 von den 280 geplanten Projekten insgesamt 69 tatsächlich umsetzen. Damit zeigt der Bericht auch, dass die Differenz zwischen geplanten und fertiggestellten Bauprojekten weiter zunimmt.
Autoren

Stephan Imhof

Redaktion BauPortal

Christian Wagner

BG BAU Prävention