Energetische Sanierung
Geothermie nach der Sanierung des historischen Gutshofs Lehnenhof
Mecklenburg-Vorpommern nutzt zunehmend Wärme aus der Tiefe, um Wohnungen und öffentlichen Gebäude damit zu versorgen. Auch bei einem denkmalgeschützten Sanierungsprojekt in Lehnenhof (Biendorf) im Landkreis Rostock wird jetzt zum Heizen umweltfreundliche Erdwärme statt Öl genutzt.
Der Boden unter den Blumen liefert heute Erdwärme für das denkmalgeschützte Sanierungsobjekt.
Umgeben von ruhigem ländlichem Flair und frischer Ostseeluft entstehen im denkmalgeschütztem Gutshaus Lehnenhof in Biendorf 20 Appartements für betreutes Wohnen. Wo einst der wohlbetuchte Gutsherr Otto Edmund Weihe sein Dasein genoss, können künftig ältere Menschen „residieren“.
Historie des Gebäudes
Das Gebäude steht seit über 100 Jahren an diesem herrlichen Fleck. Baumeister und Architekt Paul Korff (1875–1945) entwarf es 1912/1913 für den Gutsherrn. Nach ihm zog es immer mehr Menschen in diese Gegend. Heute zählt die Gemeinde etwa 1.300 Einwohner.
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Korff, im nahen Laage geboren, entwarf unterschiedlichste Bauten in seiner norddeutschen Heimat. Gutshäuser, Herrensitze, Wohn- und Kaufhäuser gehören in sein Repertoire. Auch die Ideen für das Schloss in Bellin, die Rostocker Bank (heute Deutsche Bank), die Empfangshalle des Rostocker Hauptbahnhofes oder das Hotel Am Alten Strom in Warnemünde lieferte Korff. In DDR-Zeiten diente das Gutshaus Lehnenhof als Pflegeheim und blieb danach über zwanzig Jahre ungenutzt. Ein Abriss jedoch kam nicht in Frage. Denn der zweigeschossige, elfachsige Putzbau mit Sockelgeschoss, dreigeschossigem Mittelrisalit und Mansarddach steht unter Denkmalschutz. Schließlich kaufte der Kröpeliner Bauunternehmer Mirko Fedtke 2018 das mittlerweile stark sanierungsbedürftige Gebäude und ließ es für 1-Zimmer-Apartments von 28 m² bis 40 m² Größe herrichten – samt Installation einer neuen Fußbodenheizung. Die war entscheidend für eine effiziente Wärmeversorgung mittels einer Sole-Wasser-Wärmepumpe.
Senkung der extremen Betriebskosten nötig
Die Planung für die gesamte Modernisierung vom Keller bis zum Dach, einschließlich Heizungstausch, übernahm das Team von Volker Tyc, Geschäftsführer der Öko-Hus Planungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH aus Jörnstorf. Sein Unternehmen hat sich u. a. auf Sondenbohrungen und die Installation von Erdwärmepumpen spezialisiert. Seit 25 Jahren bevorzugt er bei seinen Planungen regenerative Energien, vor allem im Sanierungsbereich. Volker Tyc: „Bei diesem spannenden Projekt Lehnenhof stand für uns zuerst die Frage: Wie bekommen wir dieses schöne 1.900 m2 große Gebäude effizient und halten dabei den Denkmalschutz ein?“
Das Haus beherbergte während der Sanierungszeit Bauleute und verursachte jährlich exorbitante Betriebskosten für die Heizung mit einem 120-kWh-Ölkessel. Bei einem Jahresverbrauch von 25.000 bis 30.000 l für 1.400 m2 Heizfläche und einem Stromverbrauch von jährlich 1 Mio. kWh musste also dringend eine vernünftige Lösung für die Wärmeversorgung her.
Nutzung von Erdwärme als Lösung
Nach reiflichen Überlegungen und Analyse vorhandener Gebäudedaten schlug Volker Tyc in Abstimmung mit der Wasserbehörde des Landkreises Rostock, dem Bergamt Stralsund (Zustimmung nach § 127 BbergG für Bohrungen über 100 m) sowie der Denkmalschutzbehörde vor, Erdwärme zu nutzen. „Es war durchaus nicht so einfach, die Genehmigungen dafür zu erhalten. Immer noch wird in den Behörden argumentiert, Sole und Bohrung seien zu teuer. Leider haben meiner Meinung nach auch die Herstellerfirmen mit dazu beigetragen, die Luft als das am besten geeignete Heizsystem zu propagieren. Gerade in der Sanierung, vor allem bei größeren Anlagen, halte ich diese Verkaufsargumente für falsch. Größtes Hemmnis für den Einsatz von Wärmepumpen generell ist eindeutig der hohe Strompreis! Da ist die Politik gefordert. Dann würden sich auch Fördergelder erübrigen.“
Erdwärme als regenerative Energie Bereits die Menschen in prähistorischer Zeit nutzten heiße Quellen sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen ihrer Behausungen. Schon seit 1334 versorgt in der französischen Ortschaft Chaudes-Aigues heißes Thermalwasser die Heizung mehrerer Gebäude. Anfang des 19. Jahrhunderts war dann die entsprechende Technik vorhanden, um intensive Erderkundungen durchführen zu können. Der italienische Geschäftsmann Piero Ginori Conti entwickelt 1904 in Larderello den ersten durch Erdwärme erzeugten Strom. Er trieb dabei fünf Glühbirnen über einen Dynamo an, der von einer Dampfmaschine mit Erdwärme angetrieben wurde. Die Entwicklung der Wärmepumpentechnologie setzte 1852 ein. Der britische Physiker und Ingenieur Lord Kelvin stellte da das Prinzip der Wärmepumpe vor. Drei Jahre später baute Peter von Rittinger in Österreich die erste praktisch anwendbare Wärmepumpe. Heute gilt sie als Alternative beim Ersatz fossiler Brennstoffe und erreicht höchstes technisches Niveau bei der Nutzung von Luft, Wasser und Sole. |
Der Ingenieur ist überzeugt davon, dass in Mecklenburg-Vorpommern Erdwärme erheblich die Wärmewende forcieren und zum zukünftigen Heizstandard werden könnte. Die Geothermie zeichnet sich durch sehr geringe CO2-Emissionen aus. Daher ist sie eine umweltfreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen. Abgesehen von einer guten Ökobilanz ist sie nahezu unendlich verfügbar. Sie unterliegt weder tages- noch jahreszeitlichen Verfügbarkeitsschwankungen. Erdwärme ist damit grundlastfähig und kann in Zukunft einen wichtigen Anteil zur Wärme- und Stromversorgung beitragen. Wichtig sei allerdings immer eine fundierte Beratung mit allen Beteiligten, ehe Erdwärme zum Einsatz kommt.
Wissenschaftliche Untersuchungen der Fraunhofer- und Helmholtz- Gesellschaften ergaben, dass allein in Mecklenburg-Vorpommern etwa 60 % der Wohnungen mit Erdwärme versorgt werden können. Denn nahezu das gesamte norddeutsche Becken wird von einem 205 Mio. Jahre alten Rinnensystem mit heißem Wasser durchzogen. Die konstante Wärme in 100 m beträgt hier etwa 10 bis 12° C. Schon in DDR-Zeiten wusste man um diesen natürlichen Schatz, sammelte bei Tiefenerkundungen viele Erfahrungen und setzte sie auch ein. Die erste mitteltiefe Geothermie-Anlage Deutschlands im Megawatt-Leistungsbereich arbeitet zum Beispiel seit 1984 in Papenberg bei Waren an der Müritz und versorgt über das Fernwärmenetz heute noch etwa 2.000 Wohnungen.
Strenge Richtlinien beim Einbau der Erdsonden
Das Einbringen der Erdsonden in den typisch steinigen Boden der Region verlief unproblematisch. Die Bohrungen dafür erledigte das niedersächsische Familienunternehmen Celler Brunnenbau GmbH, das langjährige Fachkompetenz in diesem Bereich vorweisen kann. Zum Einsatz bei der Sanierung des Gutshauses kamen ein Doppelkopfbohrgerät mit Gestängemagazin sowie eine Rotary-Druckspülbohrung. Typisch für dieses umweltschonende Verfahren sind die rotierenden Bohrgestänge. Seit 2019 gilt für Erdbohrungen die DIN 19639 „Bodenschutz bei Planung und Durchführung von Bauvorhaben“. Darin werden die gesetzlichen Vorgaben zum Verhindern schädlicher Bodenveränderungen bei Baumaßnahmen konkretisiert. Im stofflichen wie im bodenchemischen Bereich wird sie durch DIN 19731 ergänzt und ist gemeinsam mit DIN 18915 anzuwenden.
Abteufen der Bohrungen mittels Doppelkopfbohrgerät (Geotec GTCi) und Rotary-Druckspülbohrung
Sicherheitsvorkehrung bei den Bohrarbeiten
- Einsatz ausgebildeter Brunnenbauer (Fachkraft Geothermie) für die Bohrungen
- Einsatz PE-Schweißer mit Schweißschein bei der Rohrleitungsanbindung
- Unterweisung betreffs Arbeitsschutzes beim Bedienen des Geräts
- persönliche PSA (Helm, Gehörschutz, Sicherheitsschuhe S3)
- Bestimmen des Erste-Hilfe-Personals
- Erstellen eines Notfallplans für unvorhergesehene Ereignisse (Bereitstellen Notfallset für Havariefälle, Ölbindemittel, Auffangwanne)
- Erstellen eines Notfallplans für unvorhergesehenes Bodenverhalten.
Lars Schulz, Projektleiter der Celler Firma, weist auf die Sicherheitsvorkehrungen hin, die im Vorfeld und während der Ausführung getroffen wurden. Dazu gehört u. a. ein Notfallplan für unvorhergesehenes Bodenverhalten, wenn sich z. B. bei Bohrungen in wasserführenden Gesteinsschichten Aquiferen ausbilden. Aus dem Bohrloch tritt dann auf natürliche Weise ungewollt Grundwasser aus (Arteser).
In Lehnenhof wurden 13 Sonden als geschlossenes System mittels Doppel-U-Rohre aus Polyethylen eingelassen. Das heißt: pro Bohrloch zwei Rohrpaare. Die patentierte Doppelrohrwicklung stammt von dem Schweizer Unternehmen Jansen. Der werksseitig geschweißte Sondenfuß ist jeweils mit einem individuellen Werkszeugnis nach EN 10204 ausgestattet. Jede Sonde verfügt über eine Seriennummer, mit der sich verwendeten Rohmaterial bis zur Baustelle nachverfolgen lässt. Die Bohrlöcher wurden mit einer erstarrungsfähigen Suspension verfüllt und abgedichtet. Mittels dieser Ringraumverfüllung stabilisierten sich die Sonden und können nun über direkten Kontakt zum Untergrund Wärme aufnehmen und an die Wärmepumpe weiterleiten. Wie lange und effizient eine Sonde funktioniert, hängt bekanntlich davon ab, wie korrekt die Zementation (VDI-Richtlinie 4640, Blatt 2) ausgeführt wurde.
Funktion der Sole-Wasser-Wärmepumpe
Volker Tyc erklärt weiter, was sich im neuen Heizkreislauf abspielt. Als Wärmeträger fungiert Wasser, versetzt mit einem Frostschutzmittel (Monoethylenglykol). Dieses Wasser zirkuliert in den Sonden, nimmt dabei die Energie aus dem Erdreich auf und transportiert diese an die Sole-Wasser-Wärmepumpe vom Typ WWP S75 ID. Deren Leistung beträgt 73,5 kW. Die Pumpe wiederum leitet die Wärme gleichmäßig in die Fußbodenheizung weiter. Der Ingenieur weist darauf hin, dass konsequent darauf geachtet wurde, dass die Fußbodenheizung mit einer Temperatur von 35 °C im Vorlauf und 28 °C im Rücklauf geheizt werden kann. Auf diese Weise lässt sich der Pumpenbetrieb wirtschaftlich gestalten.
Günstige Platzverhältnisse im Keller ermöglichten einen unkomplizierten Einbau der Wärmepumpenanlage.
Von Vorteil für die künftigen Bewohner ist der geräuscharme Betrieb dieser modernen Sole-Wasser-Wärmepumpe, da sie ein isoliertes Metallgehäuse besitzt. Eine integrierte Körperschallentkopplung mit frei schwingender Verdichter-Grundplatte gestattet zudem den direkten Anschluss an das Heizsystem.
Das Erdreich kann sowohl als Wärmespender als auch als -speicher dienen. Bei sommerlichen Temperaturen wird die Gebäudewärme im Untergrund gesammelt und im Winter wieder fürs Heizen freigegeben. Der geringe Primärenergiebedarf spricht für sich. 80 % liefert das Erdreich kostenlos – 20 % reichen für den Antrieb der Wärmepumpe aus. Dabei wird diese Energie komplett in Wärme umgewandelt und an das Heizsystem abgegeben.
Förderung Die Sanierung des Gutshauses Lehnenhof unterstützte die BAFA mit Fördergeldern. Die staatliche Förderung im Jahr 2025 beträgt: 30 % Basisförderung für alle Wärmepumpen, 20 % Klimageschwindigkeitsbonus für selbstgenutzte Wohneinheiten, 5 % Effizienzbonus für Wärmepumpen, wenn als Wärmequelle Wasser, Erdreich oder Abwasser genutzt oder ein natürliches Kältemittel eingesetzt wird. |
Kostenersparnis überzeugt auch im Denkmalschutz
Mittlerweile erinnert nichts mehr auf dem Vorplatz des Gutshauses an die Bohreinsätze. Über die Erdsonden sind wieder viel Gräser, Sträucher und Blumen gewachsen. Das kernsanierte Gutshaus entspricht heute nach der Sanierung dem KfW-Standard Effizienzhaus Denkmal 160 gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV) von 2014. Das heißt: Im Vergleich zum Neubau mit einem Jahresenergiebedarf von etwa 100 kWh/m2 genügen bei einem Gebäude unter Denkmalschutz bereits 160 kWh. Die Ölheizung im Gutshaus verbrauchte vor der Sanierung jährlich 1 Mio. kWh und heute nur noch 400 kWh im Monat. Ein Ergebnis, das in Mecklenburg- Vorpommern Schule machen sollte. Immerhin eignen sich hier laut Wirtschaftsministerium etwa 90 Gemeinden für eine sogenannte mitteltiefe Erdwärmenutzung.
Projektdaten
Sanierungsobjekt:
Denkmalgeschütztes Gutshaus in Lehnenhof/Biendorf
Bauherr und Eigentümer:
Mirko Fedtke, Kröpelin
Planung:
Öko-Hus Planungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Jörnstorf
Bohrungen:
Celler Brunnenbau GmbH, Celle
Autorin
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