
Nachhaltigkeit, Bauwerksbau
52° Nord: Quartier mit Schwammeffekt
Wo zu DDR-Zeiten der VEB Berlin-Chemie Arzneimittel und Pestizide produzierte, entsteht nach umfangreichen Bodensanierungs- und Bauarbeiten bis 2026 das Quartier 52° Nord. Im ersten Bauabschnitt wurde ein 6.000 m2 großes Wasserbecken als Herzstück des Schwammstadt-Quartiers geschaffen, das aus dem Niederschlagswasser der umliegenden Häuser gespeist wird.
Über das Quartier
In Berlin-Grünau realisiert die BUWOG auf einer ehemaligen Industriebrache am Dahme-Ufer das Quartier 52° Nord, geplant als nachhaltiges Wohnquartier mit Miet- und Eigentumswohnungen. Bereits vor Festsetzung des Bebauungsplans wurde das gesamte mit Altlasten behaftete Erdreich bis zum Grundwasser abgetragen und der Boden saniert. Das Land Berlin verpflichtete den Grundstückseigentümer dazu, Eingriffe in Natur und Landschaft auszugleichen.
Seit 2015 realisiert die BUWOG in mehreren Bauabschnitten rund 1.000 Miet- und Eigentumswohnungen. Insgesamt investiert das Unternehmen hier rund 360 Mio. €. Das 100.000 m2 große Areal wurde dafür in 20 Baufelder aufgeteilt und von verschiedenen Architekturbüros entwickelt, um eine architektonische Vielfalt und Nachhaltigkeit zu erreichen.
Im Zentrum des Quartiers 52° Nord befindet sich ein eigens angelegtes Wasserbecken, das der Regenwasserretention dient: Regenwasser der umliegenden Dächer wird hier eingeleitet und durch die seitliche Uferbepflanzung auf natürliche Weise gereinigt. So kann es über Verdunstung und Versickerung zurückgelangen in den natürlichen Wasserkreislauf.
Das zentrale Wasserbecken
Das insgesamt 190 m lange und 6.000 m2 große trapezförmige Wasserbecken soll nicht nur das Element Wasser den Bewohnern in der ersten Reihe sicht- und erlebbar zu machen, sondern nimmt das Regenwasser der umliegenden Gebäude und Flächen auf.
Die Wasserfläche dient zugleich als sogenannte Ausgleichsmaßnahme: Um Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren, müssen bei Bauvorhaben Ausgleichsflächen geschaffen werden, die Boden und Wasserhaushalt, Menschen, Tieren und Pflanzen zugutekommen.
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Das Wasserbecken mit seinen drei unterschiedlichen Tiefenzonen speist sich über unterirdische Rohre aus dem Regenwasser der umliegenden Gebäude, dem Stadtplatz sowie den anderen versiegelten Flächen im direkten Umfeld der Becken. Zugleich sorgen sie für sommerliche Kühlung und somit gerade bei starker Hitze für ein angenehmes Mikroklima. Sinkt der Wasserspiegel während längerer Trockenphasen ab, können sie mit Trinkwasser aufgefüllt werden. Im Normalfall besteht keine Verbindung zu der Dahme. Nur bei Starkregen wird das Wasser in den Fluss geleitet, um Überschwemmungen zu vermeiden.
In den Sommermonaten wird das Wasser über zwei Pumpenanlagen umgewälzt und in einem Filtersystem gereinigt. Die Pumpen versorgen auch die beiden Wasserspiele am Stadtplatz vor dem künstlichen Gewässer. Im Winter sind die Pumpen aus. Zum einen könnten sie einfrieren, zum anderen sind sie nicht nötig. Denn dann sorgen die vielen Sumpfpflanzen und Gräser, die den künstlichen See seitlich einfassen, für eine ausreichende natürliche Reinigung.
Apropos Reinigung: Die Bepflanzung bildet auf einer Länge von rund 130 m einen bis zu 10 m breiten Saum entlang des Beckens. Ein Substratfilter siebt zudem Schwebstoffe wie Sand und Staub aus dem Wasser, sodass ganzjährig nahezu Trinkwasserqualität besteht.
Wasserqualität
Die TU Berlin, die über reichlich Erfahrung zum Thema Wasseraufbereitung verfügt, war hier von Anfang an involviert. Seit der Inbetriebnahme im April 2017 überprüft sie regelmäßig die Wasserqualität. Alle ein bis zwei Monate fährt Daniel Geisler vom Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft zum Quartier 52° Nord und nimmt Proben.
Aus rechtlichen Gründen durften die privaten Rohrleitungen nicht unter den öffentlichen Straßen verlegt werden. Deshalb kann von hier der Regen nicht in die Wasserbecken geleitet werden. Bei allen öffentlichen Wegen wird der Niederschlag wiederum über Schächte aufgefangen und mittels Sandfang gereinigt. Von hier fließt er dann in die Dahme.
Weitere Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung
Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung im Quartier 52° Nord geht noch über den künstlichen See hinaus. So haben viele Häuser begrünte Dächer. Ein Teil des Niederschlags wird hier in der mit niedrigen Gewächsen bepflanzten Substratschicht zurückgehalten und verdunstet. Bei den Grundstücken, die nicht direkt an die Wasserbecken grenzen, wird das Niederschlagswasser außerdem über Mulden und unterirdische Rigolen dem natürlichen Kreislauf zugeführt. Dadurch versickert das Wasser langsam ins Erdreich. Vor den Zuleitungen in die Rigolen hält ein Sandfang Feststoffe zurück.
Weitere Aspekte der Nachhaltigkeit
Eine Energiezentrale zur Erzeugung von Nahwärme und Strom, eine eigens geschaffene Öko-Kita sowie ein Quartierscafé und angrenzende, wohnbegleitende kleine Gewerbeeinheiten sind weitere nachhaltige und soziale Qualitäten, die das Quartier gezielt zur Umgebung hin öffnen.
Quartierseigene Energiezentrale
In einer quartierseigenen Energiezentrale werden Wärme und Strom durch hocheffiziente Kraftwärmekopplung erzeugt, wodurch der Primärenergiebedarf deutlich gesenkt werden kann. Als Brennstoff dient u. a. regenerativ bereitgestelltes Biomethangas. Eine Vielzahl der Stellplätze in den Tiefgaragen ist bereits für den Betrieb von Elektro-Ladestationen vorgerüstet.
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2025
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