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Ein Mann vor einer Präsentationswand hält einen Vortrag.
Bild: Anke Templiner - BG BAU

Baumaschinentechnik, Künstliche Intelligenz

Wie können Unfälle mit mobilen Baumaschinen vermieden werden?

Die DGUV Test Prüf- und Zertifizierungsstelle im Fachbereich Bauwesen (PZ BAU) und das Referat Tiefbau der BG BAU haben am am 8. April 2025 im Rahmen der bauma einen Workshop zum Thema „Vermeidung von Unfällen durch An- und Überfahren mit Erd- und Straßenbaumaschinen“ veranstaltet.  Grund für den erstmalig stattgefundenen Workshop ist das Unfallgeschehen in diesem Bereich.
 

Allein in den Jahren 2020 bis 2023 wurden über 2.000 Unfälle durch mobile Baumaschinen erfasst, meist durch „Anfahren/Überfahren“ sowie durch „Anschwenken, Ausleger- oder Stützschildbewegungen“. Allen Unfällen ist gemein, dass sich Personen im Gefahrbereich einer Erdbaumaschine aufgehalten haben. Neue technische Schutzsysteme können mittlerweile Personen erkennen und von Objekten unterscheiden. Solche Systeme können die Bediener von Baumaschinen zielgerichtet und effektiv warnen oder sogar Bremsvorgänge auslösen.
 

Eine Kamera ist an einem Baufahrzeug angebracht und erkennt einen hockenden Bauarbeiter vor dem Fahrzeug.
Assistenzsystem für Baumaschinen
Bild: Meyle+Müller GmbH+Co. KG / (c) BG BAU

Kamerabasierte Personenerkennung als Unterstützung

Eine Möglichkeit, um Fahrerinnen und Fahrer hier zu unterstützen, sind Assistenzsysteme wie die kamerabasierte Personenerkennung. Baustellentaugliche Systeme erkennen Personen in jeder Körperhaltung und warnen die Fahrerin bzw. den Fahrer mit optischen und akustischen Signalen. Basierend auf künstlicher Intelligenz werden verschiedenste Objekte und Personen durch die Kamera erkannt und klassifiziert.

Die Anschaffung solcher Systeme wird von der BG BAU im Rahmen der Arbeitsschutzprämien gefördert.
 

Teilnehmerkreis

An dem Workshop nahmen ca. 40 Interessierte teil. Die Teilnehmenden kamen aus unterschiedlichen Bereichen – von Herstellern, die Baufahrzeuge mit Personenerkennung anbieten, aus Instituten, die sich mit Prüfung und Normung beschäftigten sowie von Unternehmen, die solche Lösungen bereits einsetzen.
 

Ein Mann vor einer Präsentationswand hält einen Vortrag.
Volker Münch, Leiter Referat Tiefbau, BG BAU Prävention
Bild: Anke Templiner - BG BAU

 

Einführung ins Thema 

Mit zwei Impulsvorträgen wurden die ca. 50 Teilnehmer von Volker Münch (Leiter des Referats Tiefbau der BG BAU) und von Peter Winkler (Leiter des Prüflabors der PZ BAU) mit Berichten über das spezifische Unfallgeschehen und über technische Aspekte zur Detektion von Personen auf das Thema des Workshops eingestimmt. Im Anschluss fand eine rege Diskussion mit den Teilnehmenden statt. Die dabei vorgebrachten Ideen, Argumente und Probleme wurden, für alle auf der Leinwand sichtbar, direkt mitgeschrieben.
 

Ein Mann vor einer Präsentationswand hält einen Vortrag.
Peter Winkler erläutert, wie die PZ BAU bei der Prüfung der Systeme vorgegangen ist.
Bild: Anke Templiner - BG BAU
Test eines kamerabasierten Personenerkennungssystems an einer Baumaschine.
Test Personenerkennungssystem
Bild: Peter Winkler - PZ BAU

Grundsätze für die Prüfung der Personenerkennungssysteme

Im Rahmen der Prüfung kamen zwei Prüfgrundsätze (GS) zur Anwendung: der neue GS-BAU-71 „Grundsätze für die Prüfung von Personenerkennungssystemen für Erdbaumaschinen“ (PDF, 351 KB) sowie der GS-BAU-70 „Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von sicherheitsrelevanten Assistenzsystemen an Maschinen und Nutzfahrzeugen“ (PDF, 187 KB).  

 

Kategorisierung der Diskussionsbeiträge 

Im Nachgang zum Workshop wurden die erfassten Diskussionsbeiträge kategorisiert und – wenn möglich – bewertet. Grob lassen die Beiträge sich in folgende Kategorien unterteilen: Prüfung/Testung (von Systemen zur Personendetektion), Signalgebung an Bediener (von technischen Systemen zur Personendetektion), Normung, Qualifizierung (des Bedienpersonals) und Ausblick.
 

Prüfung/Testung 

Wenn technische Schutzsysteme an Maschinen installiert werden, entsteht die Erwartungshaltung, dass diese nun einen umfassenden Schutz vor der erwarteten Gefährdung bieten. Damit einher gehen die Fragen nach der Zuverlässigkeit und der Prüfung solcher Systeme durch unabhängige Stellen sowie nach Prüfkriterien und Prüfbedingungen:

  • Eine Bewertung durch die PZ BAU ist zurzeit nicht möglich. Eine diesbezügliche Zusammenarbeit mit dem IFA (Institut für Arbeitsschutz der DGUV) und universitären Einrichtungen ist geplant. Eine vorherige Akkreditierung nach dem entsprechenden Abschnitt der Maschinenverordnung Anhang I („Sicherheitsbauteile mit vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten unter Verwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens, die Sicherheitsfunktionen gewährleisten“) wäre hier sinnvoll.

  • Systeme zur Personendetektion sollen im Idealfall bei allen Wetterbedingungen funktionieren. Die Prüfung eines solchen Systems kann das derzeit nicht leisten, da sich bei praktischen Prüfungen im Außenbereich keine unterschiedlichen Wettersituationen simulieren lassen.

  • Der GS BAU 71 kann, auch wenn er „Erdbaumaschinen“ im Namen trägt, auch auf Straßenbaumaschinen angewandt werden. Die Hauptcharakteristik ist, dass die Maschine lediglich zwei Bewegungsrichtungen hat, die Vor- und Rückwärtsfahrt. In Zukunft soll der Grundsatz auch auf Maschinen mit drehendem Oberwagen erweitert werden, z. B. Bagger, sobald Systeme angeboten werden, die das technisch leisten können.

  • Zertifizierungen nach GS BAU 71 sind zurzeit nicht geplant. Der GS BAU 71 ist ein erster, pragmatischer Schritt, um die Leistungsfähigkeit eines Systems festzustellen. Eine bestandene Prüfung nach GS BAU 71 bedeutet nicht, dass das System zu 100 % zuverlässig ist. Insbesondere die funktionale Sicherheit (Stichwort: Performance Level) bleibt bei der Prüfung unberücksichtigt. Das System bleibt ein Assistenzsystem, das den Bediener lediglich unterstützt.

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Signalgebung an die Bediener 

Neben den technischen Aspekten darf man den menschlichen Benutzer solcher Systeme nicht aus den Augen verlieren. So wurden auch Fragen zur Signalisierung gestellt, wie also der Bediener der Maschine gewarnt werden soll, damit dieser das Signal auch wahrnimmt und richtig reagiert: 

  • Bedieneraufgaben, insbes. bei Baggern, werden komplexer und immer mehr Systeme mit Warnungen oder Anzeigen halten Einzug in die Fahrerkabine (z. B. Verriegelung von Schnellwechseleinrichtungen, Überlastwarnungen oder auch vor anderen kritischen Betriebszuständen). Soll das Signal also akustisch, optisch, haptisch oder eine Kombination sein, soll es einen Bremseingriff geben?
  • Ist es sinnvoll, einheitliche Signale und Symbole zu definieren?
  • Können vorhandene Systeme (z. B. Monitore, Lautsprecher) zur Signalisierung genutzt werden und wie kann das Signal „sichtbar/hörbar/fühlbar“ gestaltet werden?
  • Kann ein Forschungsprojekt zu diesem Thema initiiert werden, z. B. über das IFA, das diese Fragestellung auch unter Berücksichtigung von ergonomischen und psychologischen Aspekten betrachtet? 

Ein Forschungsprojekt zu diesem Thema ist sinnvoll. Darin können alle beschriebenen Fragestellungen betrachtet werden. Aus den Ergebnissen können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, die in die zukünftige Gestaltung von Bedienerplätzen, Steuerungen, Anzeigen und Signalen einfließen können.
 

Innenaufnahme einer Baggerkabine, die in einer Messehalle aufgestellt ist. Neben dem Lenkrad sind zwei Monitore zu sehen, die das Umfeld über eine Kamera zeigen.
Kabine eines Baggers mit Monitoren, die Personenerkennung zeigen, auf bauma-Stand 2025
Bild: Bernd Lammel - bundesfoto

 

Normung 

Werden Schutzsysteme in den spezifischen Normen festgeschrieben, werden sie auch auf den Maschinen verbaut. Die Frage nach einem Festschreiben von Systemen zur Detektion von Personen in den Normen für Erd- und Straßenbaumaschinen erscheint daher folgerichtig. Reine Assistenzsysteme, ohne gesicherte Schutzfunktion, lassen sich allerdings schwer in Normen implementieren. Daher ist dies bei der BG BAU bislang kein Ziel.
 

An Tischen sitzende Personen in einem Seminarraum, eine Person steht zwischen den Tischen mit einem Mikrofon in der Hand.
Bild: Anke Templiner - BG BAU
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An Tischen sitzende Personen in einem Seminarraum, eine Person hält ein Mikrofon in der Hand.
Bild: Anke Templiner - BG BAU
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Qualifizierung 

Ein Aspekt, der im Workshop rege diskutiert wurde, bezog sich auf die Qualifizierung der Bediener von Erd- und Straßenbaumaschinen, aber auch auf die der Personen im Umfeld der Maschinen und auch die von Fußgängern, die ggf. mit der Baustelle nichts zu tun haben. Auch wenn diese Fragestellungen bereits im Vorschriften- und Regelwerk beschrieben sind, sollten Verantwortliche aus Bauunternehmen und im Arbeitsschutz über Maßnahmen nachdenken, wie der Aufenthalt von Personen im Gefahrenbereich von Erdbaumaschinen reduziert bzw. vermieden werden kann. Ein weiterer Gedanke ist, dass die Bediener die Einsatzgrenzen von Assistenzsystemen kennen müssen. Der Einsatz von Assistenzsystemen darf nicht dazu führen, dass sich der Bediener blind darauf verlässt.
 

Fazit und Ausblick 

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die Implementierung von Assistenzsystemen zur Detektion von Personen auf Erd- und Straßenbaumaschinen der richtige Weg zur Verringerung von Unfällen ist und von Herstellern und Betreibern sowie Arbeitsschützern mitgetragen wird. In Zukunft sind Systeme wünschenswert, die durch einen Eingriff in die Maschinensteuerung Kollisionen selbständig verhindern und dadurch der Fahrer so wenig zusätzliche Signale wie möglich erfassen muss. Die Systeme müssen in der Lage sein, Personen zweifelsfrei zu erkennen. Nur wenn Personen von Objekten unterschieden werden und damit die Zahl der Warnungen bzw. Eingriffe gering bleibt, werden solche Systeme Akzeptanz in der Bauwirtschaft finden. Die dabei eingesetzte Technik ist nicht so entscheidend wie das Ergebnis, das damit erzielt wird. 

Darüber hinaus hat der Workshop gezeigt, dass eine technische Lösung allein nicht ausreichen wird, es bedarf auch einer Änderung der Einstellung bei denen, die täglich mit Erd- und Straßenbaumaschinen umgehen. Die Arbeitsprozesse sollten so gestaltet werden, dass der Aufenthalt im Gefahrenbereich weitgehend vermieden wird. Personen, die z. B. dicht an einem Bagger vorbeigehen wollen, müssen zwingend vorher mit dem Fahrer Kontakt aufnehmen. Dazu ist noch einiges an Aufklärungsarbeit seitens Verantwortlichen im Arbeitsschutz und in den Bauunternehmen notwendig. Die Veranstaltung wurde insgesamt positiv aufgenommen, sodass geplant wird, dieses Format zur nächsten bauma erneut anzubieten.

 

Autoren

Dipl.-Ing. Volker Münch

BG BAU Prävention
Referat Tiefbau

Dipl.-Ing. Univ. Peter Winkler

DGUV Test, Prüf- und Zertifizierungsstelle
Fachbereich
Bauwesen,
c/o BG BAU Prävention

Ausgabe

BauPortal 3|2025