Erd- und Leitungsbau
Umgang mit aufgehaspeltem PE-HD-Rohrmaterial
In der Ertüchtigung der vorhandenen Infrastruktur bzw. im Neu- und Ausbau z. B. des Glasfasernetzes werden häufig PE-HD-Rohre, beispielsweise mittels Spülbohrverfahren, als sogenannte Leerrohre eingesetzt. Insbesondere beim Zuschneiden des aufgehaspelten Rohrmaterials und beim kompletten Abrollen aus dem Rohrbund-Abspulwagen kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen durch ‚Herumschlagen‘ der Rohrleitungen. Diese Gefahren können durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen minimiert werden.
Aufgehaspelte PE-HD-Rohre müssen oftmals abgelängt werden, wenn sie als „Leerrohre“ per Spülbohrverfahren eingebaut werden sollen. Das PE-HD-Material gerät bei der Herstellung aufgrund seiner Verformung – vom geraden Rohrstrang zum gezwungenen aufgehaspelten Rohr mit relativ kleinem Durchmesser – unter Spannung. Diese Spannung könnte z. B. beim Trennen freigesetzt werden. Dem wird üblicherweise durch Maßnahmen wie Niederhalten mit Bagger, Baggerschaufel oder Baggerschild entgegengewirkt.
Ablängen ohne Schutzmaßnahmen
Wird Rohrmaterial ohne Schutzmaßnahmen von der Trommel getrennt oder komplett aus dem Rohrbund-Abspulwagen abgerollt, können sich gefährliche Unfälle ereignen wie der nachfolgend geschilderte:
„Das für ein PE-Kabelschutzrohr von DA 160 benötigte Rohrmaterial in einem Rohrbund-Abspulkorb sollte abgelängt werden. Das aus dem Abspulkorb herausragende Ende wurde an einen Bagger angeschlagen. Der Bagger zog das Rohrmaterial aus dem Rohrbund-Abspulkorb heraus. Mit einem zweiten Bagger wurde das Rohr nahe des Rohrbund-Abspulkorbes mit der Baggerschaufel niedergehalten und am Boden fixiert. Mitarbeiter F. wollte das PE-Rohr durchsägen. Das Rohr brach an der Sägestelle durch und rutschte aufgrund der Material-Eigenspannung unter der Baggerschaufel hervor. Das Rohrende schnellte hoch und traf den Mitarbeiter im Gesicht, wodurch er sich schwere Gesichts- bzw. Unterkieferverletzungen zuzog.“
So oder ähnlich stellt sich beim Ablängen von PE-HD-Rohren die Situation oft in der Praxis dar. Eine ähnliche Gefährdung des Zurückschnellens der PE-HD-Leitungen besteht auch, wenn diese ohne geeignete Vorkehrungen komplett bis zum Ende aus dem Rohrbund-Abspulwagen gezogen werden. Diese leider üblichen Arbeitsabläufe muss man im Hinblick auf die Schutzmaßnahmen-Hierarchie und die daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen genauer betrachten. Denn häufig wird die Schutzmaßnahmen-Hierarchie ignoriert.
Anwendung des STOP-Prinzips
In den beschriebenen Arbeitsablauf sind zwei Herstellerfirmen eingebunden: die des Rohrwerkstoffs und die des Rohrbund-Abspulwagens. Bisher haben sie sich zur Minimierung der Gefahr wenig Gedanken gemacht – das musste allein das ausführende Bauunternehmen leisten.
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Das Arbeitsverfahren mit der zuvor beschriebenen Gefährdung kann zurzeit nicht ersetzt werden. Vielleicht ist es in Zukunft möglich, die Rohre spannungsfrei aufzuhaspeln, dann wäre beim Ausrollen keine Materialentspannung notwendig.
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Nach dem geschilderten Unfall hat sich das Bauunternehmen eingehend mit den Möglichkeiten zur Risiko-Minimierung beschäftigt. Einerseits geht es um eine Fixierung des PE-HD-Rohrs direkt am Abspulwagen – in der Nähe dieser Fixierung muss abgelängt werden, um das freie Ende des PE-HD-Rohrs in Richtung des Abspulwagens so kurz wie möglich zu halten.
Andererseits muss die Energie aufgenommen werden, die nach dem Trennen oder dem kompletten Abhaspeln am losen Ende freigesetzt wird. Dies kann durch einen sogenannten Fixierkorb bzw. Rohrsicherungskasten geschehen, der mittels Adapterplatte über die Schnellwechseleinrichtung an einem Minibagger befestigt ist. Er hat eine Länge von ca. zwei Metern und wird auf den Rohrdurchmesser eingestellt. Ist dies erfolgt, klemmt sich das Rohr wegen seiner gebogenen Form im Fixierkorb fest. Die vom Rohr freigesetzte Energie wird durch Bewegungen des Baggerarms oder Fahrbewegungen abgebaut.
Mit seinen Ideen und Skizzen verständigte das Bauunternehmen sich auf kurzem Wege mit einer Herstellerfirma von Transportanhängern zum Abspulen von Rohrtrommeln. Gemeinsam wurden Muster erprobt und schließlich noch Veränderungen an einzelnen Bauteilen vorgenommen.
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Für die einzelnen Arbeitsschritte muss in einer Betriebsanweisung noch festgelegt werden, wie und durch wen sie umzusetzen sind. Die Beschäftigten sind anhand der Betriebsanweisung zu unterweisen. Die Unterweisung ist zu dokumentieren.
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Da eine Restgefährdung nicht gänzlich auszuschließen ist, sind die in der Bauwirtschaft üblichen persönlichen Schutzmaßnahmen wie Helm und Schutzschuhe zu nutzen.
Ausblick
Seit 2018 ereigneten sich bei den Mitgliedsfirmen der BG BAU vier Unfälle mit PE-HD-Rohren an Abspulwagen, einer endete tödlich. Mit den aufgezeigten Lösungen wird die Gefahr durch unkontrolliertes ‚Herumschlagen‘ der Enden aufgehaspelten PE-HD-Rohrmaterials bzw. des Rohrstrangs sehr stark reduziert. Um eine Marktdurchdringung dieses Sicherheitssystems beim Abhaspeln von PE-HD-Rohrbunden anzustoßen, hat die BG BAU beide Bauteile in ihre Arbeitsschutzprämien aufgenommen. Die Förderung beträgt insgesamt 800 Euro – davon max. 500 Euro für den Abspulkorb sowie 300 Euro für den Fixierkorb/Rohrsicherungskasten mit Adapterplatte.
Neue Arbeitsschutzprämie
Systeme zur Sicherung von PE-HD-Rohren gegen unkontrollierte Bewegungen beim Abhaspeln von Rohrbundtransportanhängern
Mit dem Rohrabspulwagen können aufgehaspelte PE-HD-Rohre auf der Baustelle transportiert und gezielt abgerollt werden. Dies bietet eine erhöhte Sicherheit gegen unkontrollierte Bewegung en beim Abhaspeln vom Rohrbundanhänger.
Durch den am Minibagger mittels Adapterplatte angebrachten Fixierkorb wird das feldseitige Leitungsende fixiert und ein ‚Schlagen‘ verhindert.
Durch die Abspulführung wird das nicht geführte Ende, das zum Rohrbundabspulwagen gehört, fixiert.
Die BG BAU fördert 50 % der Anschaffungskosten, maximal 800 €.
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Ausgabe
BauPortal 3|2021
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