Erd- und Leitungsbau
Gefährlicher „Kickback“
Obwohl der Umgang mit Trennschleifern simpel erscheint, sollten das Verletzungsrisiko und die Gesundheitsgefährdung nicht unterschätzt werden. Denn wie viele Unfälle zeigen, kann die falsche Handhabung fatal sein. Vor allem die Unfälle durch einen Kickback (Rückschlag) sind oft schwerwiegend. Wodurch die Gefahr beim Kickback entsteht und wie diese minimiert werden kann, soll der folgende Beitrag zeigen.
Die gemeldeten Arbeitsunfälle durch handgeführte Maschinen (27.000 pro Jahr) sind bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen seit Jahren konstant hoch. Ein Blick in die Statistik verrät, dass Trennschleifer besonders oft mit solchen Unfällen im Zusammenhang stehen. Häufig liegt die Ursache in einer Fehlanwendung, obwohl den meisten Betroffenen die grundsätzlich sichere Arbeitsweise bekannt ist. Unfallberichte zeigen deutlich, dass die Sicherheit gegenüber den etwas schnelleren und weniger aufwendigen Lösungen zurückgestellt wird. Diese kleinen Fehler bei Routinetätigkeiten haben aber häufig sehr große Auswirkungen und können wie im nachfolgenden Beispiel tödlich enden.
Unfallbeispiel mit tödlichem Ausgang
Auf einer Straßenbaustelle sollte im Rahmen von Sanierungsarbeiten eine neue Trinkwasserleitung verlegt werden. Nach dem Abtragen von Asphaltdeck- und Asphalttragschicht wurde der Leitungsgraben für die neue Trinkwasserleitung mit einem Kettenbagger hergestellt. Bei dem Aushub wurde die vorhandene Abwasserleitung, ein Steinzeug-Rohr DN 200, beschädigt. Der Maschinenführer und ein weiterer Mitarbeiter sollten die defekte Stelle der Abwasserleitung austauschen. Beide Mitarbeiter waren unterwiesen und hatten diese Tätigkeit bereits sehr häufig durchgeführt. Der Mitarbeiter entschied, gegen die Anweisung des Vorarbeiters, die Reparatur allein durchzuführen. Der erfahrene Mitarbeiter nahm den Benzin-Trennschleifer und führte den Schnitt hinter der beschädigten Stelle durch. Als plötzlich die Abwasserleitung absackte, verkantete die Trennscheibe im Schnitt. Dabei entlud sich das gesamte Kraftpotenzial vom Benzin-Trennschleifer. Dieser schlug blitzschnell zurück und drehte sich dabei um den Maschinenschwerpunkt. Die noch drehende Trennscheibe war im Bruchteil einer Sekunde oben und traf den Mitarbeiter am Hals. Die Schnittwunde war tief und er war allein. Die Verletzung durch den Trennschleifer war tödlich, sodass der Verunfallte noch auf der Baustelle verstarb.
Gründe für den Unfall
Die Schnitttiefe vom Benzintrennschleifer betrug 145 mm, wodurch die DN-200-Schmutzwasserleitung nicht in einem Schnitt getrennt werden konnte. So erfolgte der Schnitt vermutlich zuerst im unteren Bereich der Abwasserleitung und anschließend wurde der obere Bereich getrennt. Das Schmutzwasserrohr wurde für den Trennschnitt nicht stabil und tragfähig unterbaut. Beim Trennen sackte die auf 2,0 m freigelegte Leitung nach unten und klemmte die Trennscheibe ein, wodurch der Rückschlag (Kickback) ausgelöst wurde. Weiterhin befand sich ca. 1,0 m neben dem Schnitt eine Muffe, die bereits beschädigt war und das Absacken wahrscheinlich zusätzlich begünstigte.
Da die Gefährdungsbeurteilung erstellt wurde und die Mitarbeiter unterwiesen waren, wurden die organisatorischen Anforderungen an den Arbeitsschutz formal erfüllt. Der Unfall zeigt aber, dass das allein nicht ausreicht. Anweisungen müssen umgesetzt werden, Maschinen müssen sachgerecht bedient werden, die Voraussetzungen für einen sicheren Umgang mit Maschinen müssen geschaffen werden. Wenn das Nichtbefolgen von Anweisungen und ein unsachgemäßer Umgang mit Maschinen zusammentreffen, steigt das Unfallrisiko rapide an. In diesem Fall führte es zum Tod.
Rückschlag (Kickback) vermeiden
Der Kickback ist die mit am häufigste auftretende Reaktionskraft bei Trennschleifern und kann wie im dargestellten Unfall zu tödlichen Verletzungen führen. Dieser entsteht zum Beispiel, wenn die Trennscheibe eingeklemmt oder durch Reibungskontakt mit einem Gegenstand stark abgebremst wird. Beim Rückschlag wird der Trennschleifer plötzlich und unkontrollierbar zur bedienenden Person geschleudert. Dabei bewirken die Reaktionskräfte eine sofortige Drehbewegung der Trennschleifmaschine um dem Massenschwerpunkt (Abb. 2).
Um eine Verschiebung der Schnittfuge zu verhindern, sind unter anderem die unbekannten Spannungsverhältnisse zu berücksichtigen. Insbesondere bei den erdverlegten Leitungen ist mit unterschiedlichen Spannungsverhältnissen an den Bearbeitungsstellen zu rechnen. Werden im Vorfeld keine Maßnahmen getroffen, kann die Trennscheibe im Schnitt eingeklemmt werden. Durch die hohe Drehzahl der Trennscheibe von ca. 5.000 U/min ergeben sich Umfangsgeschwindigkeiten von ca. 100 m/s. Wird die Trennscheibe nun im Rohr eingeklemmt und somit abrupt zum Stillstand gezwungen, entlädt sich die Bewegungsenergie auf das Gerät und es kommt zum Kickback. Diese Reaktionskraft können bedienende Personen auf keinen Fall beherrschen. Daher ist es unbedingt notwendig, dass sie die Trennschleifer bestimmungsgemäß benutzen und damit die Rückschlaggefahr vermindern.
Sicheres Trennen von erdverlegten Leitungen
Die zu bearbeitenden Rohrleitungen sind zu befestigen und so zu unterstützen, dass während des Schneidvorgangs die Schnittfuge geöffnet bleibt. Insbesondere dürfen die Rohrleitungen nicht hohl liegen und müssen gegen Absacken, Wegrollen und Schwingungen gesichert werden. Daher ist ein freigelegtes Rohr tragfähig und unverschiebbar zu unterbauen. Dafür können beispielsweise Kanthölzer verwendet werden. Auf den Kanthölzern wird die Leitung dann mit Holzkeilen beidseitig gesichert (Abb. 3). Nachdem die Leitung unterbaut wurde, kann sie getrennt werden. Dies erfolgt in fünf separaten Schnitten. Zuerst wird die Leitung im unteren Bereich von der rechten und der linken Seiten getrennt (Abb. 4). Anschließend erfolgen im oberen Bereich zwei Schnitte. Dabei ist darauf zu achten, dass im Scheitelpunkt ca. 15 % bis 20 % vom Rohrumfang stehen bleiben (Abb. 5). Mit dem letzten Schnitt im Scheitelpunkt wird das Rohr vollständig getrennt (Abb. 6). Die Unterbauung ist mit wenigen Handgriffen schnell und einfach herzustellen, wodurch sich auch keine signifikante Mehrleistung für die Beschäftigten bzw. das Unternehmen ergibt.
Unterweisungspflicht ernst nehmen
Da kleine Fehler bei Routinetätigkeiten häufig sehr große Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit haben, sollten die Beschäftigten regelmäßig in Theorie und Praxis ausführlich unterwiesen werden. Die Unterweisungen können dabei in den Arbeitsalltag integriert werden. Konkret bedeutet das, dass die Unterweisungen durch die Führungskräfte auf den Baustellen z. B. monatlich ausgeführt werden. Dabei können innerhalb von 10 bis 15 Minuten einzelne Themen, die in Verbindung mit der auszuführenden Tätigkeit stehen (z. B. Arbeitsraumbreiten in Rohrgräben, Gefahrenbereich von Erdbaumaschinen etc.), sicher und eindeutig vermittelt werden. Insbesondere für Themen wie das Trennen erdverlegter Leitungen ist die praxisnahe Unterweisung notwendig, um die Unterbauung und die einzelnen Arbeitsschritte darzustellen. Hierbei können Auszubildende unter 18 Jahren eingebunden werden, denn grundsätzlich dürfen Minderjährige nicht mit den Motortrennschleifern arbeiten. Hier gilt lediglich die Ausnahme für Jugendliche ab 16 Jahren, die für ihre Ausbildung und unter Aufsicht die Motortrennschleifer verwenden dürfen.
Langfristige Gesundheitsgefährdungen berücksichtigen
Durch regelmäßige Wiederholungen bleiben die Unterweisungsinhalte besser im Bewusstsein der Unterwiesenen. Dabei sollten nicht nur Sicherheitsaspekte mit besonders großer Schadensschwere regelmäßig geschult werden, denn die regelmäßige Tätigkeit mit Trennschleifern kann sich auch schleichend gesundheitsgefährdend auswirken. Abhängig vom Trennschleifer und insbesondere vom Material bestehen zusätzliche Gefährdungen durch Staub und Lärm. Beim Trennen mineralischer Baustoffe wie zum Beispiel Beton entstehen Quarzstäube. Diese dringen in die Atemwege ein und verbleiben dort im schlimmsten Fall. Deshalb ist beim Einsatz der Diamant-Trennscheibe generell Wasser während des Schneidvorgangs zuzuführen, um den entstehenden Staub zu binden. Die Empfindung von Lärm ist individuell unterschiedlich und lässt sich nicht so einfach darstellen wie die Größe oder Schwere eines Objekts. Den einen stört der Lärm, die anderen nicht. Jedoch sind die Auswirkungen insbesondere bei der Verwendung von Trennschleifern nicht zu unterschätzen. Beim Trennen von Beton- oder Steinzeug-Rohren können Schalldruckpegel von ca. 107 dB (A) erreicht werden und bei Beschäftigten tritt die dauerhafte Schädigung des Gehörs nach weniger als zwei Minuten auf (Abb. 7).
Aber auch im Umkreis eines Trennschleifers besteht eine Gefährdung durch Lärm. Acht Meter entfernt beträgt der Schalldruckpegel noch ca. 98 dB (A). Der Lärmexpositionsgrenzwert von 85 dB (A) wird deutlich überschritten.
Obwohl wirksame Maßnahmen gegen die Gefährdung Lärm existieren, werden diese jedoch selten eingesetzt. Hier kann bereits durch den Austausch der Trennscheibe gegen eine Sandwich-Trennscheibe die Lärmexposition um bis zu 10 dB (A) verringert werden. Dies entspricht in etwa einer achtfachen Verringerung der Lärmexposition. Werden keine hinreichenden Maßnahmen getroffen und umgesetzt, drohen langfristige Gesundheitsgefährdungen wie Quarzstauberkrankungen und Lärmschwerhörigkeit.
Akkubetriebene Trennschleifer nutzen
Derzeit werden im Tiefbau überwiegend Trennschleifer mit Verbrennungsmotoren verwendet. Dabei werden die Beschäftigten den Gefahrstoffen aus den Motoremissionen (vor allem Kohlenmonoxid) ausgesetzt. Insbesondere beim Einsatz in beengten Bereichen, wie bei Verwendung im Kanalgraben unter Erdgleiche, kann es zu Vergiftungserscheinungen durch die Kohlenmonoxidemission kommen. Mit der Verwendung akkubetriebener Trennschleifer entfallen die Gefährdung durch Motoremissionen und der Kontakt mit Kraftstoffen beim Betanken (Abb. 8).
Weiterhin bestehen Vorteile im Bereich der Hand-Arm-Schwingungen. Trennschleifer mit Verbrennungsmotoren weisen häufig Vibrationswerte bis ca. 4,0 m/s² auf. Diese Werte können mit akkubetriebenen Trennschleifern auf bis zu 2,5 m/s² gesenkt werden, damit wird der Auslösewert nach § 9 LärmVibrationsArbSchV unterschritten und es besteht lediglich ein geringeres Gesundheitsrisiko.
Wir bauen auf Sicherheit – Sicherheitsregeln
Die folgenden Sicherheitsregeln sollten beim Umgang mit Trennschleifern beachtet werden:
- Nicht zweckentfremden!
Trennscheiben zum Beispiel nicht zum Seitenschleifen verwenden. Die Bedienungsanleitung gibt die Verwendung vor. - Nicht eigenmächtig verändern!
Keine Änderungen am Gerät vornehmen, die Sicherheit kann dadurch gefährdet werden. - Sicher und stabil bedienen!
Maschinen stets beidhändig führen und einen sicheren Stand einnehmen. Ausreichend Arbeitsraum berücksichtigen. - Schutzeinrichtungen benutzen!
Zum Beispiel Verwendung des Wasseranschlusses beim Schneiden von Beton. - Werkstücke sicher fixieren!
Zu bearbeitende Gegenstände sind sicher zu befestigen. Keilwirkungen vermeiden. - Maschinen sicher wieder ablegen!
Nach der Benutzung abwarten, bis die Trennscheibe vollständig stillsteht. - Auf Qualität achten!
Nur zugelassene und entsprechend gekennzeichnete Trennscheiben verwenden. Zulässige Maximal-Drehzahl berücksichtigen. - Notwendige PSA benutzen!
Schutzbrillen und Gehörschutz verwenden.
Fazit
Um ein gemeinsames Verständnis für sicheres Verhalten zu entwickeln und umzusetzen, sind alle Beteiligten einzubeziehen. Einsatzbereiche, Arbeitsverfahren und Gefährdungen sind im Vorfeld zu ermitteln, festzulegen und umfassend zu unterweisen. Denn unzureichende Unterweisungen stellen eine Gefährdung in sich dar und ein sicherer Umgang würde zum Zufall. Die Anweisungen sind auf Baustellen von den Beschäftigten umzusetzen und von den Aufsichtführenden zu überwachen, denn der sichere Umgang mit dem Trennschleifer darf kein Zufall sein.
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2021
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