Erd- und Leitungsbau
Handling großformatiger Stahlbetonrohre
Beim Bau von Abwasserleitungen werden insbesondere im Bereich der Sammler überwiegend großformatige Stahlbetonrohre größer DN 1500 verlegt. Beim Umgang mit diesen großformatigen Stahlbetonrohren auf der Baustelle kommt es beim Abladen vom Tieflader immer wieder zu Unfällen, insbesondere zu Abstürzen vom Rohr oder vom Tieflader. Wie diese Gefährdungen minimiert werden können, wird in diesem Artikel erläutert.
Beim Abladen großformatiger Rohre gibt es oft Unfälle wie den nachfolgend geschilderten: „Mitarbeiter T. betrat den Tieflader, legte die Anlegeleiter an das Stahlbetonrohr DN 1800, stieg auf die Leiter und wollte das Kettengehänge mit den im Scheitel des Rohrs eingebauten Kugelkopfankern verbinden. Beim Überstieg von der Leiter auf das Rohr rutschte er ab, fiel ca. 2,20 m auf den Tieflader und von hier noch einmal ca. 1,20 m auf den Erdboden.“
Leider sind solche Vorkommnisse in der Praxis keine Seltenheit. Deshalb sollte man den beschriebenen klassischen Arbeitsablauf hinsichtlich der Schutzmaßnahmen-Hierarchie untersuchen.
Anwendung des STOP-Prinzips
Häufig wird die Schutzmaßnahmen-Hierarchie (STOP) – S: Substitution, T: Technische Schutzmaßnahmen, O: Organisatorische Schutzmaßnahmen, P: Persönliche Schutzmaßnahmen – immer noch auf das „P“ reduziert: Beschäftigte müssen halt aufpassen! Die Betrachtung des kompletten Arbeitsablaufs mit den jeweiligen Verantwortlichkeiten sowie die weiteren Schritte in der Unfallanalyse werden nicht konsequent durchgeführt.
S wie Substitution
„Substitution“ meint das Austauschen bzw. das Ersetzen eines gefährlichen Vorgangs durch einen ungefährlicheren Vorgang. Jedoch müssen die Rohre auf die Baustelle transportiert und auch eingebaut werden, diese Arbeitsschritte bzw. Tätigkeiten sind nicht zu ersetzen. Es stellt sich aber die berechtigte Frage, ob sich nicht Auftraggebende vor dem Zeitpunkt der Ausschreibung aufgrund der Forderungen der Baustellenverordnung Gedanken über die sichere Ausführung machen müssen. Ein Ergebnis könnte hier sein, dass sie für das Rohr Anschlagpunkte im Kämpfer vorgeben. Damit wäre die Absturzhöhe minimiert, der mögliche Absturz könnte nicht mehr vom Rohscheitel erfolgen, sondern ‚nur‘ noch vom Tieflader. Im weiteren Arbeitsablauf müssen die Rohre entweder zum Zwischenlagern oder direkt zum Einbauen auch wieder abgeschlagen werden. Hierbei würde die Gefährdung durch Absturz ebenfalls minimiert oder sogar eliminiert werden, wenn die Anschlagpunkte im Kämpfer angebracht würden.
T wie Technische Schutzmaßnahmen
Eine der möglichen technischen Schutzmaßnahmen kann die bereits unter „Substitution“ aufgeführte Anbringung der Anschlagpunkte im Kämpferbereich sein. Wenn dies nicht schon über die Ausschreibung gefordert wird, sollten spätestens jetzt sowohl die Herstellerfirma (Betonwerk) als auch das Bauunternehmen (Auftragnehmer der Entwässerungsmaßnahme bzw. Auftraggeber für das Betonwerk) tätig werden. Doch betrachten die Herstellerfirma bzw. das Betonwerk in ihrer bzw. seiner Gefährdungsbeurteilung die Gefährdungen durch Absturz häufig nicht, da im Werk die Rohre mittels Stapler transportiert werden und nicht als angeschlagene Last am Hebezeug. Dennoch ist der Herstellerfirma bewusst, wie die Rohre im Weiteren transportiert werden und dass bei diesen Tätigkeiten Absturzgefährdungen bestehen. Das Bauunternehmen muss in seiner Gefährdungsbeurteilung für die Tätigkeiten beim „Abladen großformatiger Rohre“ die Gefährdung durch Absturz betrachten und entsprechende Lösungen zur Minimierung der Gefährdungen vorsehen.
O wie Organisatorische Schutzmaßnahmen
Die Unterweisung der vor Ort Tätigen im Hinblick auf die auftretenden Gefährdungen und die zu treffenden Schutzmaßnahmen sollte selbstverständlich sein.
P wie Persönliche Schutzmaßnahmen
Als Schutzmaßnahme gegen Absturz bieten Herstellerfirmen bekanntermaßen mehrere Möglichkeiten an – auch für den hier betrachteten Fall.
Ausblick
Mit den aufgezeigten Lösungen sind die Gefährdungen durch Absturz minimiert, aber noch nicht grundsätzlich beseitigt. Eine weitergehende Möglichkeit erfordert das Zusammenwirken aller Beteiligten – Bauherrin und Bauherr, Rohr-Herstellerfirma und Bauunternehmen:
Die Bauherrin oder der Bauherr verlangt explizit im Kämpfer anschlagbare Rohre.
Die Herstellerfirmen fertigen die Rohre mit Anschlagmöglichkeit wie gefordert und rüsten dann den Transport gleich mit den Anschlagmitteln als Miettausch aus.
Damit entfällt auf der Baustelle das Klettern auf den Tieflader bzw. das Transportfahrzeug: Das Anschlagmittel kann von einem festen Standpunkt aus in den Lasthaken des Hebezeugs eingehängt werden. Auch das Abschlagen ist vom Boden aus möglich.
Das Anschlagmittel geht zurück zur Herstellerfirma der Rohre.
Dieses rollierende System mit Anschlagmitteln funktioniert heute bei der Belieferung von Baustellen mit Stabstahl reibungslos. Auch hier hat es einige Zeit gebraucht, die Beteiligten von den Vorteilen zu überzeugen. Wir hoffen, dass es für das Handling mit großformatigen Rohren schneller geht.
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Ausgabe
BauPortal 3|2021
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