Straßenbau
Gemeinsam für bessere Luft
Beim Einbau von Walz- oder Gussasphalt im Straßenbau entstehen durch die Heißverarbeitung Dämpfe und Aerosole aus Bitumen, die in höherer Konzentration gesundheitsgefährdend sind. Ende 2019 wurde deshalb ein verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von 1,5 mg/m³ festgelegt. Für den Bereich Guss- und Walzasphalt gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2024. Wie die betroffenen Unternehmen innerhalb dieser Frist die Maßnahmen zur Emissionsreduktion umsetzen können, soll der folgende Beitrag zeigen.
Der überwiegende Anteil aller Fahrbahndecken und Brückenbeläge in Deutschland besteht aus Walz- oder Gussasphalt. Asphalt enthält als Bindemittel Bitumen – ein bei der Aufarbeitung von Erdöl gewonnenes Gemisch verschiedener organischer Substanzen. Wenn Asphalt eingebaut wird, entstehen durch die Heißverarbeitung Dämpfe und Aerosole aus Bitumen.
Der Weg zum Arbeitsplatzgrenzwert
Aus Tierstudien wurde von der MAK-Kommission im Jahr 2018 eine „Maximale Arbeitsplatzkonzentration“ für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen abgeleitet. Bei deren Einhaltung sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen für Personen, die solchen Dämpfen und Aerosolen während der Arbeitszeit ausgesetzt sind, keine Gesundheitsschäden zu erwarten. Dieser MAK-Wert wurde vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im November 2019 verbindlich als Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) in einer Höhe von 1,5 mg/m³ für Dämpfe und Aerosole aus Destillations- und Air-Rectified-Bitumen (nach Bitumenkondensat-Standard) festgelegt.
Im März 2020 wurde der AGW in der TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“ im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl 2020, S. 199 – 200 [Nr. 9 – 10] vom 13.03.2020) veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt. Der AGW gilt mit einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2024 nicht für den Bereich Guss- und Walzasphalt. Diese Übergangsfrist soll den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben, Maßnahmen zur Emissionsreduktion umzusetzen. Die Gewährung dieser Übergangsfrist von fünf Jahren für die Asphaltbranche durch den AGS ist an bestimmte flankierende Maßnahmen gebunden. Bereits im Mai 2022 erwartet der AGS einen Zwischenbericht zum Sachstand, d. h. zur Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen.
Es geht nur gemeinsam – Bauherrinnen und Bauherren
Bei Dämpfen und Aerosolen von Bitumen handelt es sich um Gefahrstoffe, diese fallen somit unter die Regelungen der Gefahrstoffverordnung. In der Gefahrstoffverordnung beschreibt das STOP-Prinzip die Rangfolge der Schutzmaßnahmen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen bei zusätzlichen Schutzmaßnahmen diese nach dem STOP-Prinzip festlegen, sodass die gefahrstoffbedingte Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten beseitigt oder auf ein Minimum reduziert wird. Bevorzugt ist dafür eine Substitution durchzuführen. Das bedeutet, dass Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu vermeiden oder Gefahrstoffe durch Stoffe, Gemische oder auch Verfahren zu ersetzen sind, die unter den jeweiligen Verwendungsbedingungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind. Um die Konzentration von Dämpfen und Aerosolen in der Atemluft der Beschäftigten zu reduzieren, ist daher zunächst im Rahmen der Substitution der Einsatz temperaturabgesenkter Asphalte (TA) zu prüfen. Damit kann die Menge freiwerdender Dämpfe und Aerosole erheblich reduziert werden.
Allerdings ist beim Einsatz als Walzasphalt die temperaturabgesenkte Variante bis heute noch keine Regelbauweise im Straßen- und Verkehrswegebau. Deshalb ist das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr. 09/2021 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit dem Titel „Durchführung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen zum Einsatz von temperaturabgesenktem Walzasphalt in Verbindung mit Absaugeinrichtungen am Straßenfertiger“ ein wichtiger Schritt. Mit diesem Schreiben veröffentlicht das BMVI einheitliche Regelungen für die Durchführung und Abwicklung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen. Somit können sowohl seitens der Auftraggeberfirma (Auswirkung auf die Dauerhaftigkeit der Schichten, Gewährleistungsfragen) als auch seitens der Auftragnehmerfirma (Auswirkungen auf den Einbauprozess, Wirkung von Maßnahmen zur Aerosolminderung) entsprechende Erfahrungen gesammelt werden. Mithilfe des in der Anlage des ARS Nr. 09/2021 beschriebenen Verfahrens werden eine bundeseinheitliche systematische Vorgehensweise, eine Vergleichbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse sowie eine angemessene Risikoverteilung in den Bauverträgen möglich. Die geplanten Erprobungsstrecken sollen jeweils bis spätestens zum 31. März jeden Jahrs gemeldet werden. Jede Erprobungsstrecke besteht aus einem konventionell hergestellten Referenzfeld und mindestens einem Erprobungsfeld aus temperaturabgesenktem Walzasphalt (NTA-Feld). Der verwendete Asphalt innerhalb des Erprobungsfelds wird dabei um mindestens 20 K (Kelvin) bei der Herstellungs- und Einbautemperatur abgesenkt. Nach erfolgreichem Durchlaufen der Erprobungsphase (nach mindestens fünf Jahren Beobachtungszeitraum) können diese Produkte aus der „Pilotproduktliste TA“ in die „Erfahrungssammlung TA“ überführt werden, wenn die ausgeführten Strecken nach der Liegezeit keine auffällige Zustandsentwicklung zeigen und vom BMVI keine grundsätzlichen produktbedingten Schäden kommuniziert wurden. Nach Aufnahme in die „Erfahrungssammlung TA“ können die Produkte auch außerhalb von Erprobungsstrecken eingesetzt werden. Hierfür gelten dann ausschließlich die Regelungen der ZTV Asphalt-StB in Verbindung mit ggf. weiteren einzelvertraglichen Regelungen. Zusätzliche Angaben im Eignungsnachweis sind jedoch weiterhin erforderlich, es entfallen lediglich die Einsatznachweise.
Es geht nur gemeinsam – Unternehmen
Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Einsatz temperaturabgesenkten Asphalts allein noch keine Reduktion der Emissionen erwarten lässt, die eine dauerhaft sichere Einhaltung des Grenzwerts gewährleistet. Daher müssen weitere technische Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung durch Dämpfe und Aerosole aus Bitumen zur minimieren. Der Maßnahmenhierarchie des STOP-Prinzips folgend sind dann auch technische Schutzmaßnahmen erforderlich. Die Herstellerfirmen von Straßenfertigern, die für den Einsatz als Walzasphaltfertiger bestimmt sind, bieten standardmäßig im Rahmen der Erstausrüstung und -konfiguration dieser Maschinen die Zusatzausstattung mit einer qualifizierten Absaugeinrichtung (Emission Reducing Device = ERD) an. Mit diesen Absaugeinrichtungen können die Expositionen im Bereich der den Fertiger fahrenden Person und beim Bohlengang deutlich reduziert werden.
Daneben können in Abhängigkeit von Herstellerfirma und Maschinentyp auch Walzasphaltfertiger im Bestand ab ca. Baujahr 2012/2013 mit einer Absaugeinrichtung für Dämpfe und Aerosole nachgerüstet werden. Die Herstellerfirmen bieten hierzu Nachrüstlösungen an. Grundsätzlich werden alle Erprobungsstrecken und Referenzfelder im Rahmen des ARS 09/2021 des BMVI mit abgesaugten Walzasphaltfertigern eingebaut.
Eine weitere technische Schutzmaßnahme im Walzasphaltbau ist der Einsatz geschlossener Asphaltwalzen, die mit einer zusätzlichen Klimaanlage ausgerüstet sind. Mit diesen Walzen kann im Einzelfall eine deutliche Reduzierung der Exposition beim Walzenfahren erreicht werden.
Es geht nur gemeinsam – BG BAU
Im Rahmen des Einbaus der Erprobungsstrecken besteht die Möglichkeit zur Durchführung von Arbeitsplatzmessungen. Diese Dampf- und Aerosolmessungen werden vom einbauenden Unternehmen veranlasst und dienen dazu, noch mehr Erfahrungen zu sammeln, um die Belastungen der Beschäftigten weiter reduzieren zu können. Für diese Arbeitsplatzmessungen kann das Unternehmen ein Prüflabor beauftragen oder als Mitgliedsunternehmen der BG BAU die Messung kostenfrei durch die BG BAU ausführen lassen. Dazu ist eine rechtzeitige (möglichst nach Auftragseingang) Abstimmung mit dem Referat Messtechnik der BG BAU notwendig. Das Referat Messtechnik stimmt das Vorgehen der Messungen mit den Unternehmen ab. Denn nicht auf jeder Baustelle wird eine Messung notwendig und möglich sein. Grundsätzlich werden von der BG BAU nur Messungen beim Einbau von Walzasphalt mit abgesaugten Fertigern durchgeführt. Dokumentation und Auswertung der Messergebnisse werden dem Unternehmen abschließend als ausführlicher Messbericht zur Verfügung gestellt.
Arbeitsschutzprämien für Nachrüstung
Um eine möglichst kurzfristige und flächendeckende Ausstattung mit qualifizierten Absaugeinrichtungen zu erreichen, fördert die BG BAU die beschriebene Nachrüstung im Rahmen von Arbeitsschutzprämien mit bis zu 3.000 € (für Fertiger mit Baujahr ab ca. 2012/2013), siehe:
https://www.bgbau.de/absaugung-nachruesten
Dokumentation der Nachrüstung
Um den Stand der Neubeschaffung abgesaugter Fertiger bzw. der Umrüstung des Bestands bei den Unternehmen zu dokumentieren, wurde zwischen den Sozialpartnern der Bauwirtschaft und der BG BAU eine Erfassungsaktion vereinbart. Dabei sollen die Aufsichtspersonen der BG BAU bei den auf Straßenbaustellen angetroffenen Asphaltfertigern den Status der Ausstattung mit einer Absauganlage erfassen. Die Dokumentation dieser Erhebung soll über die nächsten Jahre zu einem nachvollziehbaren Monitoring des Technologiewandels führen. So lassen sich die Anstrengungen der Bauwirtschaft und der BG BAU zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten nachvollziehbar dokumentieren. Die Dokumentation der Umsetzung technischer Schutzmaßnahmen durch die Bauwirtschaft war eine wichtige Voraussetzung für die Gewährung der Übergangsfrist für die Branche bis zum 31.12.2024 durch den AGS.
Gemeinsam zum Erfolg
Durch die Vielzahl der einzelnen Maßnahmen soll gewährleistet werden, dass zukünftig der Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole beim Einbau von Bitumen eingehalten werden kann und somit der Gesundheitsschutz für Beschäftigte im Asphaltbau signifikant gesteigert wird.
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2021
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