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Anerkannte Regeln der Technik: Streit über die Vermutungswirkung der DIN-Normen

Anerkannte Regeln der Technik sind (nur) solche, die sich in der Wissenschaft durchgesetzt und in der Baupraxis als richtig und brauchbar bewährt haben. Klar ist: DIN-Normen sind keine Rechtsnormen. Es handelt sich um technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (BGH, Urteil vom 14.05.1998 – VII ZR 184-97). Über § 1 Abs. 1 VOB/B werden die ATV für Bauleistungen (VOB/C), mithin die einschlägigen DIN zum Bestandteil von VOB/B Verträgen gemacht. 

In der Praxis werden DIN-Normen oft den anerkannten Regeln der Technik gleichgestellt – das ist falsch! Ob es eine Vermutung dafür gibt, dass die DIN-Normen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, ist umstritten. 
 

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Über eine lange Zeit wurde von der Rechtsprechung vertreten, dass eine Vermutung dafür bestünde, dass DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben würden (BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 182/12). Wer also vor Gericht behauptet hat, die Vorgaben einer DIN-Norm entsprächen nicht den anerkannten Regeln der Technik, war hierfür aufgrund der sogenannten Vermutungswirkung beweispflichtig gewesen. 

Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 09.02.2023 – 5 U 227/21 grundsätzliche Bedenken dagegen geäußert, dass die streitgegenständliche DIN-18015-2 in ihrem Regelungsgehalt überhaupt geeignet war, die Vermutungswirkung, eine allgemein anerkannte Technik zu sein, für sich in Anspruch zu nehmen. 

Das Deutsche Institut für Normung stelle an sich den Anspruch, Normen zu formulieren, die sich als anerkannte Regeln der Technik etablieren sollen. Entsprechend müssen sich neue DIN-Normen bei ihrer Einführung erst noch praktisch bewähren. Es sei daher möglich, dass eine DIN-Norm hinter dem aktuellen Stand der Technik zurückbleibe oder darüber hinausgehe und strengere Anforderungen stelle. 

Man müsse nach Ansicht des OLG jede einschlägige DIN-Norm im Einzelfall prüfen, ob die DIN-Norm den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. 


Praxishinweis 

Die Diskussion um die Vermutungswirkung von DIN-Normen bleibt weiterhin hochaktuell und kontrovers. Während sich der VII. Zivilsenat von der früheren Rechtsprechung entfernt und sich der Praxismeinung annähert, dass DIN-Normen nicht automatisch als anerkannte Regeln der Technik gelten, geht der V. Zivilsenat weiterhin in die entgegengesetzte Richtung. 

Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, wie einheitlich und verlässlich die rechtliche Bewertung technischer Normen künftig noch sein kann. Gerade in baurechtlichen Fragen empfiehlt es sich, die Linie des für das Bauvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenats als maßgeblich anzusehen. 

Praktiker sollten daher nicht blind auf DIN-Konformität vertrauen, sondern technische Expertise einholen, ob die einschlägigen DIN-Normen tatsächlich dem aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
 

Autor

Rechtsanwalt Frederic Jürgens

GSK Stockmann

Ausgabe

BauPortal 4|2025