Der von Ihnen verwendete Browser wird von der BG BAU nicht mehr unterstützt. Es kann daher auf der BG BAU Website zu Darstellungsfehlern kommen.

Holzfassade des Gebäudes inmitten einer Wiese in den Alpen.
Bild: Eva Mittner

Bauen im Bestand

Dreiflügeliges Bauwerk vereint Alt und Neu

Abgeschieden in den Dolomiten und an exponierter Stelle im Gelände der Seiser Alm befindet sich das Hotel Icaro, das binnen sechs Monaten zu einem besonderen Ruhepol saniert wurde. Dies gelang, weil alle Beteiligten achtsam mit dem Bestandsbau umgingen sowie An- und Umbauten sorgfältig umsetzten.
 

Ein Gebäude mitten in den Alpen. Das Erdgeschoss ist aus Beton gebaut. Der obere Teil ist eine komplexe Holzkonstruktion.
13 ineinandergreifende Holzstützen bilden die Kolonnade. Die gekreuzten Stämme sind aufgeschichtet und zu Verstrebungen verbunden. Sie tragen das zu Flügeln geformte neue Dach.
Bild: Eva Mittner


In 1.900 Höhenmetern auf dem Südtiroler Hochplateau der Seiser Alm ist das Hotel Icaro heute ein Rückzugsort, der die für das Haus prägnante Natur-Atmosphäre mit moderner Ausrichtung gekonnt vereint. Der Weg dahin war spannend, aber nicht immer einfach.
 

Von der Schutz-Hütte zu stilvollen Maßanfertigung

An diesem Ort gab es in den 1930er-Jahren zunächst eine kleine Alpen-Schutzhütte mit wenigen Zimmern und Etagenbädern: den Alpengasthof „Ikarus“. Seit drei Generationen wird das Haus von der Familie Sattler geführt.

In den Jahren 1986 und 1987 wurde der Gasthof zu einem Hotel verwandelt, seither hat man das Haus fortwährend modernisiert. 2002 wurde ein Seitenflügel angebaut, 2012 hat man 15 Zimmer renoviert. Dann setzte man noch einen Meilenstein und komplettierte das Gebäude mit mehreren neuen Anbauten. Ein modernes Personalhaus, acht zusätzliche Zimmer und eine Garage mit 45 schneesicheren Stellplätzen sind im Baujahr 2021 hinzugekommen. Respektvoll hat das beauftragte Architekten-Team der MoDusArchitects aus Brixen das einstige Anwesen in die heutige Zeit überführt. Das Haus wurde von MoDusArchitects zwar erweitert – behielt aber seinen bisherigen „Berghütten-Charme“ und knüpft mit moderner Architektur und der durchdachten Verwendung des Baustoffs Holz an die Gegenwart an.
 

Luftaufnahme eines Gebäudekomplexes inmitten einer schneebedeckten Landschaft.
Das Hotel zur Jahrtausendwende
Bild: courtesy of Icaro Hotel

 

Ausgangslage

Das ursprüngliche Gebäude war ein einziger, in zwei Teile unterteilter viergeschossiger Baukörper, der aus Beton mit Holzverkleidung und Loggien bestand. In das schräge Holzdach hatte man zuletzt zahlreiche Gauben eingebaut, dieser Look sollte nun grundsätzlich verändert werden. „Wir hatten inzwischen einen großen Bedarf an Mitarbeiter-Zimmern und zugleich den Wunsch, ein architektonisch wertvolles Hotel zu gestalten“, sagt Angelika Sattler. So entschloss man sich 2018 dazu, neue Wege einzuschlagen. Nach mehreren Jahren intensiver Planung folgte eine relativ kurze Bauphase. Das Gebäude hat man dafür in drei Flügel aufgeteilt, die einander perfekt ergänzen.

Detail des für den Bau verwendeten Holzes: Lärche.
Der Neubau mit heimischer Lärche soll die Identität des Hauses bewahren und gleichzeitig modern sein.
Bild: Eva Mittner

 

Neubau als dreiflügeliger Blickfang

Die Architekten planten das Gebäude als mittigen Baukörper, der aus dem Bestandsgebäude besteht. Einen Seitenflügel hatte das Gebäude bereits 2002 erhalten, der neue zweite Gebäudeflügel komplettiert das Haus und den Aufbruch in eine neue Ära. Im neu entstandenen Nordflügel hat man eine weitere Residenz mit 13 Zimmern für das Angestellten-Team geschaffen, die sich etwas zurückgesetzt seitlich an den Hang schmiegt.

Alte und neue Zimmer

Die alten Zimmer werden gerne von Stammgästen gebucht, vier davon sind noch unverändert. Mit den neu hinzugebauten Zimmern und Suiten soll neues Publikum angesprochen werden.
 

In einer Nische mit Holzrahmen steht ein Bett.
Verwendung von Ulmenholz bei den eingelassenen Nischen im Zimmer
Bild: Eva Mittner


Acht Gästezimmer entstanden in dem binnen drei Monaten errichteten neuen Ostflügel. Die ergänzende Tiefgarage ließen die Planer regelrecht in die Erde und zugleich unter das Gebäude setzen. Sie verschwindet in der bestehenden Hangkante und sorgt dafür, dass Pkw nicht im Berggelände stören und zugleich sicher vor Schnee, Eis und Sturm sind.

Das Bestandsgebäude bleibt erhalten und hat derzeit noch vier alte Zimmer, die von nun an Schritt für Schritt modernisiert werden. Insgesamt hat man so ein dreiflügeliges Haus geschaffen, das gemäß seiner ursprünglichen Aufgabe Schutz bietet und atmosphärische Heimeligkeit gewährt. Besonderer Ort der Ruhe sind die von den Gebäude-Flügeln umgebenen Terrassen und windgeschützten Rückzugsbereiche, die von jedem Gebäudeteil aus einen Panorama-Blick in die Bergwelt bieten.

13 Holzstützen als form- und strukturgebende Komponenten

Das Architekten-Team verordnete dem Gebäude zudem eine vorgelagerte Kolonnade: 13 Holzstützen aus heimischer Lärche mit jeweils 7,5 m Länge wurden über 55 m Länge den drei Gebäudeeinheiten vorgesetzt. Der Baustoff Holz sorgt für das einheitliche Gebäude-Profil und den Bezug zur Umgebung.
 

Ein Gebäude mitten in den Alpen. Das Erdgeschoss ist aus Beton gebaut. Der obere Teil ist eine komplexe Holzkonstruktion.
Bild: Eva Mittner

 

Heimische Hölzer – sowohl innen als auch außen

Als Holz für die Kolonnade wurde heimische Lärche gewählt, weil diese Holzart neben der guten Verfügbarkeit den Vorteil einer hohen Rohdichte bietet und aus diesem Grund wie Hartholz eingestuft werden kann. Zudem ist Lärche auch konstruktiv und im Hinblick auf den Brandschutz vorteilhaft.

Auch bei der Innengestaltung setzt man auf heimisches Holz und will so ein neu interpretiertes Hütten-Flair schaffen. Die unteren Stockwerke mit Empfang, Rezeption, Shop, Lounge, Bar und Restaurant bestehen aus Beton mit bodentiefen Fensterflächen. Brüstungen und Holzsäulen bilden einen einheitlichen Rahmen für das Haus. Die Gästezimmer wurden aus Ulmenholz gebaut – eine Holzart, die im Musikinstrumentenbau häufig verwendet wird und zu den Edelhölzern zählt. Sie erweist sich als außerordentlich robust und fest und lässt sich gut bearbeiten. Die gleichmäßige Maserung eignet sich wie hier gut als Bodenbelag oder Wandverkleidung. Selbst im Spa-Bereich wurde Holz eingesetzt. Im Ruheraum gliedern Holzprofile die Betonwand.
 

Seitenansicht des Holzgebäudes inmitten einer Wiese in den Alpen.
Seitlich zum Eingang der Tiefgarage befindet sich der Personaltrakt.
Bild: Eva Mittner
Bild
1 von 3
Detail der Holzkonstruktion von unten gesehen.
Holz ist der Protagonist bei diesem Bauvorhaben. Das Material punktet mit Robustheit, Leichtigkeit und Atmosphäre.
Bild: Eva Mittner
Bild
2 von 3
Seitenfassade des Holzgebäudes inmitten einer Wiese.
Ein Sockel aus Beton bildet das heutige Fundament, ergänzt durch Zement und Glas.
Bild: Eva Mittner
Bild
3 von 3

Ein neues Dach für das dreiflügelige Bauwerk

Beim Umbau war es für Familie Sattler wichtig, nachhaltige Materialien zu verwenden, lokale Handwerksbetriebe einzubinden und das Ursprüngliche zu respektieren. Behutsam wurde deshalb das bestehende Dach abgehoben und das gesamte Haus entkernt. Da in der Gegend mit hohen Schneelasten zu rechnen ist, waren die Vorgaben der Bauordnungsbehörden für das Dach enorm. Die strengen Auflagen hat man durch die ausgeklügelte Dachkonstruktion erfüllen können.

Stabile und sichere Dachkonstruktion

Die hochwertige Dachkonstruktion wurde vom Unternehmen Ludwig Rabanser aus Seis am Schlern realisiert. „Wichtig war es, eine stabile Konstruktion zu verwirklichen“, sagt Ludwig Rabanser, Inhaber und Projektleiter für die Holzbau-Arbeiten. Das gelang durch gute Planung vonseiten des Architekturbüros und die umfassenden statischen Berechnungen. „So konnten wir eine perfekte Stabilität der neuen Konstruktion erreichen. Zugleich wurde eine sinnvolle Dämmung realisiert, die den Klimahaus-A-Kriterien entspricht“, berichtet Rabanser. Durch die Hinterlüftung mit einer separaten, darunterliegenden Dachbahn wurde doppelte Sicherheit gegen mögliche Wasser-Eindringung erreicht. Denn in den hoch gelegenen Ortschaften und generell auf der Seiser Alm ist die Schneelast eine entscheidende Variable, die es zu beachten gilt.
 

Innenansicht der Holzkonstruktion.
Bild: Ludwig Rabanser

 

Vorfertigung der Dachelemente

Im Vorfeld wurden Außen- und Innenwandelemente, Deckenelemente und die kompletten Dachbau-Elemente einschließlich der Dachfenster im Werk vorgefertigt. Die gesamte Vorfertigung erfolgte in der Produktionshalle der Firma Rabanser, alle Bauelemente wurden durch CAD-Projektierung und CNC-Bearbeitung vorproduziert. So gelang beim späteren Aufbau im Bauvorhaben auch eine sportliche Bauzeit – wie hier binnen nur drei Monaten.

Für die Fassade wurden spezielle Profilbretter hergestellt. Das gesamte Lärchenholz stammt aus heimischen Wäldern und wurde im Betrieb mit moderner Vakuum-Kammer getrocknet und mit modernen Profilautomaten gehobelt.

Dachplanen als Wetterschutz

Beim Holzbau und bei Dachbauarbeiten in diesen Höhenlagen ist auch der Wetterschutz auf der Baustelle zu beachten. Dafür wurden spezielle Dachplanen angefertigt – 20 × 20 m –, um das offene Dach abzudecken. In mehreren Arbeitsschritten hat man das Dach damit abgedeckt und fortwährend Sicherheit bei Wetterkapriolen für die Baumaßnahmen geschaffen.
 

Schneemassen auf dem Dach.
Hohe Schneelasten sind häufig eine Herausforderung beim Bauen.
Bild: Ludwig Rabanser

 

Sicherheit bei den Umbauarbeiten

Vor Baubeginn und bereits früh im Planungsprozess wurden Sicherheits- und Gesundheitskoordinatoren des Unternehmens KTB-Engineering aus Kastelruth mit den Maßnahmen für den Arbeitsschutz beauftragt. Sie hatten die Aufgabe, den Sicherheits- und Gesundheitsplan zu erstellen, in dem die Risiken auf der Baustelle überprüft und bewertet sowie Maßnahmen zur Vermeidung gefährlicher Situationen vorgeschrieben werden. Kritisch im Hinblick auf die Sicherheit waren nicht nur die Begebenheiten und die Typologie der Baustelle, sondern vor allem auch die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Unternehmen am Einsatzort. Koordiniert wurde z. B. von KTB Engineering, wie Gerüste genau gestellt wurden.
 

Ansicht der Dachkonstruktion.
Ein zügiger Aufbau des Dachs wird unter anderem durch präzise Vorproduktion gewährleistet.
Bild: Ludwig Rabanser


In der Ausführungsphase überwachten die Sicherheitskoordinatoren die Angemessenheit der Dokumentation der Unternehmen und die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem hat man den Sicherheitsplan bei Bedarf an neue Gegebenheiten auf der Baustelle angepasst.

Die Planung der Tragwerke und die dazugehörige statische Berechnung der Konstruktionen aus Beton, Stahl, Holz gehörten ebenfalls zu den Kernaufgaben des Unternehmens KTB Engineering. Neben der gesamten Sicherheitsplanung und Koordination in der Ausführungsphase wurde auch die gesamte Planung zum vorbeugenden Brandschutz von den Experten aus Kastelruth ausgeführt.
 

Holzfassade mit Gerüst.
Bild: Ludwig Rabanser


Mögliche Gefährdungen bei der Montage der Dach- und Fassadenelemente wurden bei Rabanser bereits bei der Werkstattplanung und der umfassenden Vorelementierung analysiert und bei der Umsetzung berücksichtigt. Für die Bausituation auf der Seiser Alm beim Projekt „Hotel ICARO“ erfolgte dies in Absprache mit dem Werkplaner und dem Montageleiter für die Baustelle.
 

Kompensation des CO2-Verbrauchs

Gemeinsam mit den beratenden Unternehmen Terra Institute aus Brixen und „turn to zero“ aus Bregenz setzt das Hotel auf Berechnung und Kompensation des CO₂-Verbrauchs anhand der vorher festgelegten Systemgrenzen. Das bedeutet, es wird definiert, welche Verbräuche erhoben und somit auch berechnet werden. Die Datenerhebung selbst liegt beim Gastgeber, der aber von „turn to zero“ bei der Ermittlung der Verbrauchsdaten unterstützt wird. Die Erstellung der Treibhausgasbilanz basiert auf international anerkannten Standards (Greenhouse Gas Protocol, ISO 14064).
 

Projekt:
Hotel Icaro, Piz 18/1, Seiser Alm, Kastelruth, Provinz Bozen


Bauherrin: 
Angelika Sattler


Bauaufgabe: 
Sanierung und Erweiterung des bestehenden Gebäudes inkl. Dach- und Fassadenerneuerung


Architektur: 
MoDusArchitects


Tragwerksplanung, Sicherheitstechnik: 
Ing. Ulrich Kauer (KS Engineering)


Generalunternehmen: 
Mahlknechtbau AB GmbH


Holzbau: 
Zimmerei Ludwig Rabanser


Planung Energie- und Gebäudetechnik: 
KTB Engineering

 

Autor

Eva Mittner

Freie Baufachjournalistin


Ausgabe

BauPortal 4|2023