Gebäudereinigung, Gefahrstoffe
Belastung der Atemwege beim Sprühen und Schäumen von Reinigungsmitteln
Um Erkenntnisse zur Höhe der inhalativen Exposition – zum einen im Sprühverfahren und zum anderen im Schäumverfahren – zu erhalten, wurden in verschiedenen Testumgebungen standardisierte Versuchsreihen durchgeführt, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden.
Für die Anwendung von Reinigungsmitteln im Sprühverfahren oder im Schäumverfahren gibt es kaum Informationen zur Höhe der inhalativen Exposition gegenüber Gefahrstoffen. Im Gegensatz zur Anwendung von Reinigungsmitteln im Wischverfahren, bei der vorwiegend eine Exposition gegenüber Gasen und Dämpfen besteht, entstehen bei den hier behandelten Verfahren Aerosole, Gemische aus festen und/oder flüssigen Schwebeteilchen und Luft. Neben der Dampfphase sind dementsprechend auch die Tröpfchen der Reinigungsmittellösung in der Atemluft zu berücksichtigen.
Bei der Bewertung der Exposition spielen also nicht nur relativ leicht verdampfbare Stoffe wie Lösemittel eine Rolle, sondern auch nicht flüchtige Bestandteile, z. B. Tenside, Alkalihydroxide oder Säuren wie Amidosulfon- oder Phosphorsäure, die in Form kleiner Tropfen über die Atemwege aufgenommen werden können.
Ausgangslage
Im Rahmen der REACH-Verordnung stützen sich die Risikobewertungen von Chemikalien auf die Festlegung sogenannter abgeleiteter DNEL-Werte (Derived No-Effect Levels), die die Expositionshöhe für einen bestimmten Stoff darstellen, oberhalb derer Menschen (Arbeitnehmer/Verbraucher) nicht exponiert werden sollten. DNEL-Werte spielen daher eine entscheidende Rolle im Risikobewertungsprozess, da sie als Benchmark-Werte dienen, mit denen die Exposition verglichen wird. Um Erkenntnisse über die inhalative Exposition gegenüber Gefahrstoffen bei der Anwendung von Reinigungsmitteln im Sprüh- und Schäumverfahren zu erhalten, wurden modellhafte Arbeitsplatzmessungen im Technikumsmaßstab durchgeführt.
Die Ergebnisse dieser Versuche sollen vor allem auch die Hypothese bewerten, ob beim Versprühen tatsächlich – wie vermutet wurde – eine deutlich höhere Exposition als beim Verschäumen zu beobachten ist. Zudem könnten die Expositionsdaten für Schäum- und Sprühanwendungen auch hilfreich für Registrierungsprozesse im Rahmen von REACH bzw. der Biozidverordnung sein.
Vorgehensweise bei den Messungen
Die Messungen fanden in vier verschiedenen Technikumsräumen (B, C, D, E) mit fünf verschiedenen Geräten und drei unterschiedlichen Reinigungsmitteln (zwei handelsübliche sowie ein exemplarisch formuliertes Reinigungsmittel) statt. Zusätzlich wurde im Technikum A unter abweichenden Bedingungen eine einzelne Untersuchung in einer ca. 1 m × 1 m × 2 m großen Kabine durchgeführt.
Ein Technikum ist ein Versuchsort, in dem Verfahren unter Betriebsbedingungen getestet werden. Insgesamt wurden elf Versuche beim Verschäumen und acht Versuche beim Versprühen nach dem festgelegten Prozedere (Auftrag auf Wand) durchgeführt.
Die Probenahmen erfolgten sowohl an der Person im Atembereich (P) als auch stationär (S) direkt hinter der verarbeitenden Person (Abb. 1).
Was wurde gemessen?
Es wurden Messungen der einatembaren (E) und der alveolengängigen (A) Partikelfraktionen durchgeführt. Neben diesen unspezifischen Messverfahren erfolgte die Bestimmung von Natriumhydroxid (aus der Gruppe der nicht flüchtigen Stoffe) als „Leitsubstanz“ in der E-Fraktion. Bei einem Teil der Untersuchungen wurde zusätzlich zu den nicht flüchtigen Stoffen mit 2-Aminoethanol ein Stoff gemessen, der auch in der Dampfphase vorliegt.
Messung unter typischen Arbeitsbedingungen
Um möglichst vergleichbare Situationen in den verschiedenen zur Verfügung stehenden Technikumsräumen zu erhalten, wurde als Standardversuch das folgende Prozedere festgelegt:
Versuchsparameter
Die Verdünnung und die Durchsatzmenge der Reinigungsmittel wurden so angepasst, dass als Konstante für alle Versuche eine aufgetragene Menge von ca. 3.300 g Natriumhydroxid pro ca. 60 Minuten Anwendungsdauer resultierte. Die Einstellungen der Prozessparameter an den Sprüh- und Schäumgeräten (Luft- und Wasserdruck und -mengen) wurden von den jeweiligen Fachleuten vor Ort so vorgenommen und entsprechend einer typischen Reinigungssituation parametrisiert. Es wurden keine (messbaren) Kenngrößen wie Druck, Wasserfluss, Düsengrößen usw. vorgegeben, sondern die vor Ort üblichen Parameter gewählt.
Der vollständige Beitrag mit allen Abbildungen, Messergebnissen und Literaturangaben ist 2022 in der Fachzeitschrift „Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft“ erschienen. Diese wird vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) gemeinsam mit der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) – Normenausschuss herausgegeben. |
Versuchsdurchführung
Der Sprüh- bzw. Schaumauftrag erfolgte aus einer Sprüh-Lanze oder -Pistole auf eine gekachelte, teilweise mit Edelstahl bedeckte glatte Wandfläche (Größe ca. 15 m²; Abstand der Düse zur Wand ca. 1 m).
Nachdem die gesamte Fläche bearbeitet war, wurde mehrmals wiederholt auf dieselbe Fläche aufgetragen. Es wurde angestrebt, in zehn Minuten die gesamte Reinigungsflotte gleichmäßig aufzutragen. Nach einer Einwirkzeit von 15 Minuten wurde für zwei Minuten mit einem Wasserstrahl abgespült. Mit dieser Vorgehensweise wurde versucht, eine typische Reinigungssituation abzubilden. Nach diesen drei Schritten wurde die Probenahme für eine 20-minütige Lüftung des Raums unterbrochen. Dieser Ablauf wurde für einen Versuch (entspricht einem Messwert) insgesamt dreimal durchgeführt. Vor der Durchführung des zweiten Versuchs an einem Tag erfolgte eine einstündige Nullmessung zur Kontrolle des Lüftungserfolgs.
Ergebnisse
Die Ergebnisse für die E-Fraktion und Natriumhydroxid sind in Abb. 2 zusammengefasst. Es zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen personengetragener und stationärer Probenahme deutlich geringer sind als die Differenzen zwischen Verschäumen und Versprühen.
Die alveolengängige Fraktion war im überwiegenden Teil der Messungen unterhalb der Nachweisgrenze (etwa < 0,1 mg/m³ bei stationärer und < 0,4 mg/m³ bei personengetragener Probenahme). In dieser Größenordnung liegen auch die wenigen ermittelten Messwerte oberhalb der Nachweisgrenze für die alveolengängige Fraktion.
Der Stoff 2-Aminoethanol als Repräsentant eines relativ schwer flüchtigen Stoffs war nur in etwa der Hälfte der Messungen Bestandteil des Produkts. Der Mittelwert aller personengetragenen und stationär erhaltenen Messwerte für 2-Aminoethanol beim Schäumen ist 0,69 mg/m³ und beim Sprühen 1,02 mg/m³.
Mittelwerte der Messergebnisse im Verhältnis
Für die vier Situationen in den Technikumsräumen B bis E wurden die jeweils für das Sprühen und das Schäumen erhaltenen Mittelwerte der Messergebnisse ins Verhältnis gesetzt. Diese Quotienten „Sprühen/Schäumen“ sind in Abb. 3 dargestellt. Die Mittelwerte dieser Quotienten für alle vier Technikumsversuche sind bei der personengetragenen Probenahme für die E-Fraktion 1,5 und für Natriumhydroxid 3,0 sowie bei der stationären Probenahme für die E-Fraktion 2,7 und für Natriumhydroxid 3,9.
Sonderfall Technikum A
Bei dem Einzelversuch im Technikum A (Schäumen in einer Kabine anstelle auf eine Wand des Technikumraums) wurden vergleichbare Werte wie in den Standardversuchen gemessen (personengetragen | stationäre Probenahmen; in mg/m³): E-Fraktion: 0,73 | 0,35; A-Fraktion < 0,55 | < 0,16; Natriumhydroxid: 0,29 | 0,097. Die deutlich niedrigeren Werte für die stationäre Probenahme erklären sich hier sehr gut durch die „kammerartige Einhausung“ der (deutlich kleineren) eingeschäumten Fläche. Da die Räumlichkeiten bzw. die Vorgehensweise deutlich von den anderen Fällen B bis E abweicht, wurden die Ergebnisse aus A nicht in die Auswertung einbezogen.
Bewertung der Ergebnisse
Aus den ermittelten Messdaten lassen sich folgende Schlussfolgerungen hinsichtlich der Exposition von E-Fraktion, Natriumhydroxid und von 2-Aminoethanol beim Sprühen und Schäumen sowie zur genutzten Technik des Auftragens ableiten.
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Bei den unter standardisierten Worst-Case-Bedingungen durchgeführten Technikumsversuchen wurden maximale tätigkeitsbezogene Expositionen für die E-Fraktion in Höhe von ca. 2 mg/m³ (beim Sprühen ca. 15 % darüber) erhalten.
Verallgemeinernd würde das bedeuten, z. B. für Einzelstoffbetrachtungen nach REACH, dass alle nicht flüchtigen Stoffe, die einen höheren Grenzwert (egal ob in der A- oder E-Fraktion definiert, z. B. auch DNEL) haben, in diesem Arbeitsprozess unter den vorliegenden Rahmenparametern sicher verarbeitet werden können.
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Bei den unter standardisierten Worst-Case-Bedingungen durchgeführten Technikumsversuchen wurden maximale tätigkeitsbezogene Expositionen für Natriumhydroxid von ca. 1 mg/m³ beim Schäumen und beim Sprühen erhalten. Diese Exposition liegt zwar über dem niedrigsten Grenzwert der Liste der Internationalen Grenzwerte (0,5 mg/m³ aus Polen und Litauen), aber überschreitet nicht den DNEL von 1 mg/m³.
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Die ermittelten Messwerte für 2-Aminoethanol liegen zwischen dem einfachen und dem dreifachen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) von 0,5 mg/m³. Somit ist für 2-Aminoethanol eher von einer Grenzwertüberschreitung auszugehen. Für eine abschließende Beurteilung liegen zu wenige Messergebnisse vor.
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Die Exposition beim Sprühen liegt – bezogen auf die Mittelwerte der Teilkollektive und auch auf die meisten Perzentil-Werte der Verteilungen – etwa zweimal so hoch wie beim Schäumen. Dieser Faktor 2 ergibt sich aus der Gesamtheit der Messwerte – er ist kein Faktor, der für Vorhersagen genutzt werden kann (in einem Fall war sogar das Verhältnis umgekehrt: Sprühen zeigte eine niedrigere Exposition als Schäumen). Da die diversen Prozessparameter die Aerosolfreisetzung bestimmen, ist kein allgemein gültiger Ansatz für ein Verhältnis von Sprühen und Schäumen möglich.
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Die größten Unterschiede wurden durch die Schäum- bzw. Sprühtechnik, also die Art und die Einstellungen der Maschinen/Geräte, hervorgerufen. Die räumlichen Verhältnisse waren vergleichbar.
Übertragung auf die Musterrezeptur
Angewendet auf die Musterrezeptur könnte aus einem Messwert in Höhe von 2 mg/m³ für die E-Fraktion abgeleitet werden, dass die Exposition gegenüber Natriumhydroxid, 2-Aminoethanol und Lauraminoxid bei etwa 0,55 mg/m³ und gegenüber Methylglycindiessigsäure-Trinatriumsalz bei etwa 0,17 mg/m³ zu erwarten ist.
Nach der in der TRGS 402 beschriebenen Vorgehensweise für die Bewertung der inhalativen Exposition bei Stoffgemischen würde sich der Bewertungsindex (BI) als Summe der Stoffindizes SIi (Summe der Quotienten Messwerti/Grenzwerti) für die Musterrezeptur wie folgt berechnen:
BI = 0,55/1 + 0,55/0,5 + 0,55/6,2 + 0,17/4 = 1,78
Da der BI hier größer als 1 ist, wäre der Grenzwert überschritten. Für die Musterrezeptur wird diese Überschreitung allein schon durch 2-Aminoethanol verursacht (in Handelsprodukten ist 2-Aminoethanol aufgrund seiner Flüchtigkeit üblicherweise nicht eingesetzt). Aber auch für die beiden Handelsprodukte D und E ergäbe sich aus den 2 mg/m³ für die E-Fraktion eine Grenzwertüberschreitung mit Bewertungsindex 1,67 bzw. 1,73. Bei dieser Betrachtung werden andere – nicht gefährliche – Bestandteile ausgeblendet. Diese würden die Höhe der Grenzwertüberschreitung verringern. Der Mehrbefund für Natriumhydroxid (Messwert ca. 1 mg/m³, Abschätzung ca. 0,55 mg/m³) erklärt sich durch die Querbeeinflussung des Messwerts durch andere Natriumverbindungen wie Methylglycindiessigsäure-Trinatriumsalz. Deshalb wäre eine Versuchsreihe mit Phosphorsäure anstelle Natriumhydroxid als „interner Standard“ sinnvoll.
Fazit
Aus den Messergebnissen für die einatembare und alveolengängige Fraktion kann abgeleitet werden, dass für nicht flüchtige Bestandteile maximal etwa 2 mg/m³ erreicht werden. Für Natriumhydroxid liegt die tätigkeitsbezogene Exposition maximal bei etwa 1 mg/m³. Eine erwartete mehrfach erhöhte Exposition beim Sprühen im Vergleich zum Schäumen konnte nicht nachgewiesen werden – letztlich wurde hier ein Faktor 2 abgeleitet. Die Art und Einstellungen der Sprüh- bzw. Schäumgeräte haben einen großen Einfluss auf die Expositionshöhe, sodass kein allgemein gültiger Ansatz für ein Verhältnis von Sprühen und Schäumen möglich ist.
Ausblick
Um eine Übertragung der Ergebnisse aus den standardisierten Versuchen auf Reinigungsarbeiten in realen Reinigungsobjekten belegen zu können, müssen zukünftig noch – zumindest in stichprobenartiger Form – Arbeitsplatzmessungen durchgeführt werden. Dafür ist zu prüfen, ob das durchgeführte „Schäumen bzw. Sprühen mit konstantem Abstand auf eine senkrecht zur Auftragsrichtung stehende Wand“ (die wegen der leichteren Durchführbarkeit und Reproduzierbarkeit gewählt wurde) übertragbar auf die Reinigung variabel geformter Maschinen/Geräte mit unterschiedlichen Abständen, Einfalls- und Ausfallswinkeln usw. ist.
Interessant für weitere Untersuchungen wäre auch die Frage, wie sich die Verarbeitungstechnik (unterschiedliche Sprüh-/Schaumgeräte, Düsen, Variationen ihrer Einstellmöglichkeiten) auf die Schäume auswirken. Aufschlussreich könnte es sein, im Technikum E Folgeversuche – auch mit anderen Geräten/Einstellungen usw. – durchzuführen, um Gründe für den außerordentlich hohen Quotienten „Versprühen/Verschäumen“ zu finden.
Die Autorinnen und Autoren bedanken sich bei den beteiligten Reinigungsmittelherstellern – Mitgliedsfirmen des Industrieverbands Hygiene und Oberflächenschutz (IHO) – für die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung bei der Durchführung der Versuche in ihren Technikumsräumen. |
Autoren
Ausgabe
BauPortal 4|2023
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