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Person hält ein Smartphone in der Hand, auf dem eine App läuft. Im Hintergrund sind Paletten zu sehen.
Person hält ein Smartphone in der Hand, auf dem eine App läuft. Im Hintergrund sind Paletten zu sehen. | Bild: Concular GmbH

Nachhaltigkeit

Engagement für zirkuläres Bauen

Der Klimawandel, die sinkende Verfügbarkeit von Materialien und Baustoffen sowie aktuell zu beobachtende Preissteigerungen von Produkten verlangen einen Umbruch in der Baubranche hin zu einem nachhaltigen System, das synergetisch mit seiner Umwelt umgeht. Die Erfassung und die Bewertung von Materialien und Bauteilen in neuen Gebäuden und im Bestand sind zentrale Bausteine eines kreislauffähigen Systems. Seit 2012 engagiert sich das Start-up Concular für zirkuläres Bauen in Deutschland und ist führend im Bereich der Materialpässe und der Wiederverwendung von Baumaterialien.
 

Gemeinsam mit Expertinnen und Experten für Architektur, Software und Nachhaltigkeit hat Concular eine Lösung für die Erfassung und Bewertung von Materialien und Bauteilen in neuen Gebäuden und im Bestand entwickelt. Ziel ist es, alle Akteure der Baubranche dabei zu unterstützen, Materialien und Produkte so oft wie möglich wiederzuverwenden, anstatt immer wieder neues Material zu beschaffen. Angestrebt wird eine Eins-zu-eins-Substituierung von Materialien. Denn jedes Material, das wiederverwendet wird, muss nicht produziert werden und spart somit Ressourcen und Treibhausgasemissionen ein. Jedoch wird auch das Thema Recycling betrachtet, sollte eine Eins-zu-eins-Substitution nicht möglich sein.
 

Ein Mann fotografiert in einem Gebäude.
Fotodokumentation Gebäudeteile
Bild: Concular GmbH


Materialerfassung und Bewertungskriterien

Die Grundlage zur Bewertung der Kreislauffähigkeit von Baustoffen im Bestandsbau ist eine umfassende Datenerfassung vor Ort. Nach einer Ersteinschätzung des Wiederverwendungspotenzials der Baumaterialien eines Gebäudes beauftragt der Bestandshalter bzw. Projektentwickler Concular.
 

Circularity Assessment

Im Rahmen eines „Circularity Assessments“ werden alle Materialien durch Concular vor Ort präzise vermessen, gezählt, nach allen augenscheinlichen Eigenschaften beschrieben sowie fotografiert und mittels Produkt- und Herstellerangaben ergänzt. Kriterien für die Bewertung der Materialien und Produkte sind deren Zustand und Qualität. Dazu zählen beispielsweise Beschädigungen, Verschmutzungen, Funktionstüchtigkeit (z. B. von Fenstern oder Türen), energiesparender Weiterbetrieb und Rückbaufähigkeit der Materialien. Das einzige Ausschlusskriterium liegt in der Schadstoffbelastung: Befinden sich z. B. schadstoffhaltige Kleber unter Teppichböden, KMF-Fasern in Rasterdecken, Quecksilber in Leuchtstoffröhren, Blei in Anstrichen von Stahlträgern und Stahlfenstern oder Asbest in weiteren Materialien? Aus wirtschaftlichen Gründen wird vermieden, dass der Kaufpreis eines Re-use-Baustoffs den Neupreis eines vergleichbaren Produkts übersteigt. Die Mehrkosten für den zerstörungsfreien Rückbau sind im Kaufpreis inbegriffen.
 

Erstellung des Gebäuderessourcenpasses

Eine effiziente Ressourcen(-Wieder)-Verwendung ist nur mit digitalen Werkzeugen möglich – viel zu komplex sind heutzutage Bauteile und Rahmenbedingungen. Daher hat Concular eine Software entwickelt, die kreislauffähiges Bauen in die bestehenden Leistungsphasen integriert. In der Software entsteht aus diesen Daten ein katalogisiertes Inventar – bestehend aus digitalen Materialpässen. In umfangreicheren Vorhaben wird die Digitalisierung durch 3-D-Scans und eine automatische Erkennung von Bauteilen in eine BIM-Umgebung integriert. Dabei werden neben der Rückbaubarkeit und Recyclingfähigkeit auch die Schadstofffreiheit sowie die Bewertung der Bauteile zur Marktgängigkeit berücksichtigt. Resultat ist dann ein – aus der Summe der einzelnen Materialpässe entstandener – Gebäuderessourcenpass. Dieser ist auch eines der Projekte der aktuellen Koalitionsregierung. Concular schafft mit der Software zusätzlich eine transparente Dokumentationsgrundlage. Der nachweislich verlängerte Lebenszyklus der Baumaterialien wird vom Unternehmen für jedes Projekt gemessen und ausgewertet. Dieser Gebäuderessourcenpass kann sowohl für neue als auch bestehende Gebäude erstellt werden.
 

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Materialvermittlung über den Online-Marketplace

Im Anschluss an die Inventarisierung werden die inventarisierten Materialien über den Online-Marketplace von Concular sowie per automatisiertem und softwarebasiertem Matching an Interessierte für Gebäude mit passendem Materialbedarf vermittelt und reserviert, sofern nicht alle Bauteile intern – sprich im ursprünglichen Projekt – wiederverwendet werden. Die Erfassung von Baumaterialien führt oft dazu, dass die Bestandseigentümerinnen und -eigentümer ein Bewusstsein für die Nützlichkeit der Bauteile gewinnnen und selbst eine neue Nutzung finden.

Der Verkaufspreis setzt sich zusammen aus dem Materialwert, der durch Concular ermittelt wird, den Rückbaukosten, die im Angebot des Rückbauunternehmens beziffert sind, und den individuellen Transportkosten. Alle Materialien, die nicht innerhalb der festgesetzten Vermittlungsfrist verkauft werden konnten, werden vom Rückbauunternehmen konventionell abgebrochen und entsorgt, da eine Zwischenlagerung der Materialien meist mit Mehrkosten einhergeht, die die Wiederverwendung in den meisten Fällen erschwert. Hier bleibt es abzuwarten, wie die steigenden Materialpreise diesen Umstand in Zukunft verändern und eine Einlagerung von Materialien begünstigen wird.

 

Schaubild, das mit Pfeilen verdeutlicht, wie der Prozess vom Rückbau zum Verkauf abläuft.
Prozess vom Rückbau zum Verkauf
Bild: Concular GmbH


Welche Rolle spielt der Gebäuderessourcenpass?

Um heute nachhaltiger zu bauen, reicht es nicht mehr aus, ausschließlich effizient mit Ressourcen umzugehen. Vielmehr müssen Anreize geschaffen werden, den Rückbau und die Rückführung in den Kreislauf bereits bei der Planung und Errichtung eines Gebäudes und der Herstellung von Bauteilen berücksichtigen zu können. Auf politischer Ebene sind Instrumente zu entwickeln, welche die Kreislauffähigkeit von Bauteilen und Baustoffen fördern. Entsprechende Verfahren laufen langsam auf EU- sowie in Deutschland auf Bundes- und Länderebene an. Darüber hinaus kann eine Rückbauplanung (Pre-demolition-audit) als Voraussetzung für Baugenehmigungen die Wiederverwendung bzw. ein hochwertiges Recycling in Zukunft garantieren. Um den Verbrauch von Energie und die CO2-Emissionen einzudämmen, wurde im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vereinbart, verbaute Ressourcen mittels digitaler Gebäuderessourcenpässe zu erfassen, um die in diesen Materialien gespeicherte „Graue Energie“ und die Lebenszykluskosten von Gebäuden zu erfassen. Durch diese Praxis wird in Zukunft die Nutzung von Materialien optimiert und es kann weitestgehend von einer Neuproduktion absehen werden. Besonders wichtig ist es, die genauen Produkteigenschaften umfassend und nachvollziehbar zu integrieren, um für eine Eins-zu-eins-Substitution von Bauteilen und Materialien schon beim Einbau Sorge tragen zu können.

Der Materialpass kann diese wichtigen Informationen liefern und sowohl den Zugriff auf die Daten der Produkt- und Materialeigenschaften, Kennwerte, Zertifikate, Environmental Product Declarations (EPD) und Zulassungen ermöglichen als auch auf aussagekräftige Planunterlagen verweisen. Concular hat dafür ein Datenmodell ausgearbeitet und generiert aktuell Wissen in der Praxis, das in die Entwicklung des neuen Gebäuderessourcenpasses und weitere politische Vorschläge maßgeblich einfließt.
 

Schaubild mit Kreisen, das die Elemente der Kreislaufwirtschaft zeigt.
Elemente der Kreislaufwirtschaft
Bild: Concular GmbH


Wirtschaftliche Perspektiven durch die Wiederverwendung

Die Wiederverwendung bestehender Materialien und Ressourcen schafft auch wirtschaftliche Anreize für Bauherren, die Materialien in Sekundärnutzung verwenden. So werden z. B. durch die Wiederverwendung der Materialien Entsorgungs- und Deponiekosten gespart, nachhaltige Bauprojekte werden zunehmend gefördert – auch hier wachsen die Möglichkeiten zur finanziellen Entlastung. Die Ressourceneffizienz ist z. B. auch als neues Kriterium für die Überarbeitung der KfW-Förderung angedacht. Zudem kann durch die Wiederverwendung den aktuellen Preissteigerungen sowie auch einer steigenden CO2-Bepreisung begegnet werden.
 

Prüfung und Rahmenbedingungen

Die Wiedereinbringung von Bauteilen ist heute in vielerlei Hinsicht Neuland und erfordert von den beteiligten Akteuren in der Praxis einiges an Pioniergeist. In Kooperation mit ausgewiesenen Instituten, Prüfanstalten sowie Herstellerunternehmen arbeitet Concular aktuell an Prozessen, mittels derer die Materialien auf ihre technischen Eigenschaften beprobt und so Wege zur Wiederverwendung eröffnet werden können. Diese Wertschöpfungskette leitet sich von Erfahrungswerten, dem Alter des Bauteils sowie materialspezifischen Anforderungen ab und gestaltet sich anhand der verschiedenen Bauteilgruppen jeweils verschieden. Während lose Bauteile wie z. B. Leuchten, Bürotrennwände oder Doppelbodenplatten relativ einfach an den aktuellen technischen Stand angepasst und mithilfe von z. B. Herstellerunternehmen geprüft, zertifiziert und wieder eingebracht werden können, müssen Materialien mit z. B. statischen- und/oder Sicherheits-Anforderungen im Einzelfall einen Prüfprozess durchlaufen. Eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Wiederverwendung existiert leider noch nicht. Aktuell dürfen in Deutschland ausschließlich Bauprodukte verwendet werden, die die Voraussetzungen nach § 17 der Musterbauordnung (MBO) erfüllen, womit ressourcenintensive wiederverwendete statische oder Fassaden-Bauteile nur unter erheblichem zeitlichen und finanziellen Mehraufwand (Gutachten und Zulassungen im Einzelfall nach § 20 MBO) eingebracht werden können.
 

  • Sinnvolle politische Instrumente, um diesem Umstand zu begegnen, wären z. B. klare Kriterienkataloge für die Zulassung von Bauteilen und Baustoffen zu etablieren, welche den Prozess beschleunigen und die Einzelfallzulassung nur in dem Fall erforderlich machen, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden.
     

  • Die Abfalleigenschaft für gebrauchte Bauteile sollte aufgehoben werden, damit diese Bauteile nach dem Abbruch nicht rechtlich automatisch nach § 3 KrWG als Abfall eingestuft werden, sondern innerhalb eines Bestandsschutzes und einer Zeitspanne von fünf oder mehr Jahren nach ihrem Verbau die Möglichkeit des Ein- und Wiederausbaus erhalten. Die Neu-Definition der Abfalleigenschaft würde helfen.
     

  • Ein weiteres sinnvolles politisches Instrument besteht in der Einführung eines Plans für die Wiederverwendung und das Recycling zur Erteilung einer Abriss-Genehmigung. In Berlin ist dies bereits Praxis. Hier muss in dem Plan dargelegt werden, welche Baumaterialien welcher Form der Verwertung zugeführt werden.
     

Schaubild mit Pfeil, das die Stationen vom Rückbau bis zum Einbau darstellt.
Stationen vom Rückbau bis zum Einbau
Bild: Concular GmbH


Ausblick auf die Praxis

Dank Concular konnten z. B. durch die Vermittlung von Materialien, die kürzlich durch den Umbau eines Fußballstadions frei wurden, Treibhausgase in Höhe von ca. 137 t CO2-eq im Vergleich zur Neuproduktion der Materialien eingespart werden. Die Investitionen für die Bestandsaufnahme konnten hier gleichzeitig um den Faktor 8,5 durch Materialverkäufe erwirtschaftet werden. In weiteren Praxisbeispielen und einer Vielzahl an Pilotprojekten mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren der Bauindustrie, zeigt Concular bereits heute den Weg zur Wiederverwendung und beschreitet diesen Prozess digital, automatisiert und messbar.
 

Concular GmbH
 

Autor

Redaktion BauPortal


Ausgabe

BauPortal 4|2022