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Sturz beim Fahrsicherheitstraining gesetzlich unfallversichert?

Die Teilnahme an einem vom Arbeitgeber finanzierten Fahrsicherheitstraining kann dem Versicherungsschutz als Beschäftigter nicht zugerechnet werden, soweit damit keine geschuldete (arbeitsvertragliche) Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt wird. Eine versicherte Tätigkeit kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das Fahrtraining während der Arbeitszeit oder bei Freistellung unter Anrechnung auf das Arbeitszeitkonto stattfindet und der Arbeitgeber die Teilnahme anordnet. 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.12.2021 – L 15 U 311/20
 

Sachverhalt

K. war Produktionsmitarbeiterin bei einem Hersteller elektrischer Geräte (AG). Sie nahm an einem Samstag an einem Fahrsicherheitstraining für Motorräder auf einem ADAC-Verkehrsübungsplatz teil. Dort stürzte sie und zog sich einen Riss des Sehneninnenbandes des rechten Daumens zu. AG hatte das Fahrsicherheitstraining finanziert und die Teilnahme allen 96 Beschäftigten angeboten. Die Teilnahme war aber freiwillig, es nahmen nur 4 Mitarbeiter teil. Diese erhielten keine Vergütung und auch keine Zeitgutschrift auf die Arbeitszeit.
 

Entscheidung

Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht lehnten es ab, den Unfall der K. als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Teilnahme an dem Verkehrssicherheitstraining sei nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages gewesen. Es habe kein Bezug zu den inhaltlichen Anforderungen ihrer Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin bestanden. Das Training habe außerhalb der regulären Arbeitszeit stattgefunden und eine Zeitgutschrift auf die Arbeitszeit sei nicht gewährt worden. Ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung könne auch nicht dadurch begründet werden, dass der Arbeitgeber die zum Unfall führende Maßnahme befürworte, finanziell fördere oder sie sonst unterstütze. 

Ebenfalls habe es sich bei der Teilnahme an dem Training nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Die Veranstaltung „Motorrad“ habe nur eine geringe Zahl von Mitarbeitern angesprochen. Nicht erkennbar sei, dass die Aktion darauf zielte, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. Der Ablauf sei allein vom ADAC organisiert worden. Es habe keine Möglichkeit für AG bestanden, auf das Training Einfluss zu nehmen und auf Teambildung, Kommunikation und Interaktion der Teilnehmer hinzuwirken.
 

Praxishinweis

Einem Arbeitgeber steht es frei, ein Angebot wie das oben beschriebene den Beschäftigten als ‚Gratifikation‘, ggf. unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Aspekte, zu unterbreiten. So drückt er seine Wertschätzung aus und ergreift eine Maßnahme zur Bindung an das Unternehmen. Das Angebot darf auf die Bedürfnisse und persönliche Interessen der Beschäftigten auch im Freizeitbereich zugeschnitten sein. Mit dieser Förderung durch den Arbeitgeber unterfällt die Teilnahme an der Veranstaltung aber nicht automatisch dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann ein Fahrsicherheitstraining der beschriebenen Art allenfalls dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn es während der Arbeitszeit oder bei Freistellung unter Anrechnung auf das Arbeitszeitkonto stattfindet und der Arbeitgeber die Teilnahme anordnet.

Die Berufsgenossenschaft fördert mit Zuschüssen Fahrsicherheitstrainings, wenn sie bestimmten Mindestvoraussetzungen entsprechen. Diese Förderung ist aber eine Präventionsmaßnahme im Verhältnis zum Arbeitgeber und führt ebenfalls nicht dazu, dass das Training unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
 

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Autor

Dr. Sabine Müller-Petzer

BG BAU
Stabsabteilung Geschäftsführung


Ausgabe

BauPortal 4|2022