Neubeginn der Verjährung – Folgen bei Anerkenntnis gegenüber dem Auftraggeber
OLG Brandenburg, Urteil vom 11.08.2021 – 4 U 130/20
Sachverhalt
Die Auftragnehmerin wurde unter Einbeziehung der VOB/B mit Dachabdichtungs- und Klempnerarbeiten zur Errichtung einer Kindertagesstätte beauftragt. Nach Durchführung der Leistungen kam es zu zahlreichen Wassereinbrüchen. Die Bauabnahme erfolgte am 13.11.2013. Aufgrund der Wassereintritte forderte die Auftraggeberin die Auftragnehmerin mehrfach unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Mit Schreiben vom 03.02.2017 erklärte die Auftragnehmerin schließlich, dass sie, wenn es das Wetter erlaube, nochmals nach den Ursachen des Wasserschadens suchen würde und diesen beheben werde. Nachdem auch in der Folge keine vollständige Mängelbeseitigung durch die Auftragnehmerin erfolgte, ging die Auftraggeberin im Wege der Ersatzvornahme vor. Die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von rund 90.000,00 EUR macht die Auftraggeberin in der zugrunde liegenden Klage geltend. Die Auftragnehmerin erhebt u. a. die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht Potsdam sprach der Auftraggeberin einen Anspruch auf Zahlung der Ersatzvornahmekosten zu. Hiergegen legte die Auftragnehmerin Berufung beim Oberlandesgericht Brandenburg ein.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Berufung wird zurückgewiesen: Der Auftraggeberin stehe ein Anspruch auf Ersatz der Selbstvornahmekosten zu. Insbesondere sei der Anspruch nicht verjährt.
Der Anspruch der Auftraggeberin folge aus § 13 Abs. 5 Nr. 1, 2, Abs. 7 VOB/B. Die Verjährungsfrist betrage nach § 13 Abs. 4 VOB/B vier Jahre. Zwar habe die Verjährungsfrist mit Abnahme am 13. November 2013 begonnen, sodass sie regulär mit Ablauf des 13. November 2017 ende. Dass die Klageerhebung erst am 8. November 2018 erfolgt sei, stünde dem Anspruch der Auftraggeberin jedoch nicht im Wege. Denn die Verjährungsfrist habe neu zu laufen begonnen, als die Auftragnehmerin Anfang des Jahres 2017 ihre Verpflichtung zur Nachbesserung der Abdichtungsarbeiten anerkannt habe.
Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift läge bereits dann vor, wenn das tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger das Bewusstsein von dem Bestehen des Anspruchs unzweideutig zu erkennen gebe. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 habe der Auftragnehmer erklärt, „wenn es das Wetter erlaubt, nochmals nach den Ursachen des Wasserschadens zu suchen und diese(n) zu beheben“. Damit habe die Auftragnehmerin aus der maßgeblichen Sicht der Auftraggeberin klar zu verstehen gegeben, dass sie der Aufforderung zur Sanierung des Daches nachkommen werde. Anhaltspunkte dafür, dass sie lediglich aus Kulanz tätig werden wollte, ließen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Damit habe die Verjährungsfrist von vier Jahren am 3. Februar 2017 neu zu laufen begonnen, sodass die Klageerhebung am 8. November 2018 vor Ablauf der Verjährung erfolgt sei.
Praxishinweis
Das Urteil zeigt auf, welche weitreichenden Folgen eine Erklärung des Auftragsnehmers auf Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers haben kann. Auftragnehmer sind daher gut beraten, wenn sie sorgfältig überlegen, wie sie auf Mängelrügen des Auftraggebers reagieren: Gibt der Auftragnehmer aus Sicht des Auftraggebers klar zu verstehen, dass er der Mängelrüge nachkommen werde und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er lediglich aus Kulanz tätig werden wollte, ist damit nicht nur ein Anerkenntnis des Mangels und ein Neubeginn der Verjährung verbunden. Auch später auftretende Mangelsymptome, deren äußeres Erscheinungsbild mit dem anerkannten Mangel übereinstimmen, sind ebenfalls nicht verjährt. Ob die identischen Symptome tatsächlich auf dieselbe Mangelursache zurückzuführen sind, ist hierbei unerheblich, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2018 – 5 U 74/16. Es empfiehlt sich deshalb, etwaige Mängelbeseitigungsarbeiten ausdrücklich rein aus Kulanz und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht auszuführen. Ob der Auftraggeber die so angebotenen Leistungen akzeptieren muss, ist allerdings streitig (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.04.2022 – 29 U 185/20).
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BauPortal 4|2022
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