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Baumaschinentechnik

Sicht-Check auf Baustellen

Bei mobilen selbstfahrenden Arbeitsmitteln und Fahrzeugen zeigt eine einfache Sichtfeldüberprüfung, ob Handlungsbedarf besteht

Eine Kamera mit Splitscreen­ Monitor wird von der BG BAU als Arbeitsschutzprämie gefördert.
Kamera mit Splitscreen­ Monitor
Bild: H.ZWEI.S. – BG BAU

 

Beim Einsatz mobiler selbstfahrender Arbeitsmittel und Fahrzeuge auf Baustellen stellt das An- und Überfahren sowie bei Baggern zusätzlich das Anschwenken von Personen den größten Unfallschwerpunkt dar. Die Ursache hierfür liegt häufig in der nicht ausreichenden Sicht des Fahrenden über den Fahr- und Arbeitsbereich. Dieser Artikel zeigt, wie das Sichtfeld mobiler Arbeitsmittel einfach überprüft werden kann und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden können, um den Stand der Technik einzuhalten.

 

Bereits seit dem 11. Februar 2019 werden im neuen Anhang der TRBS 2111 Teil 1 Schutzmaßnahmen in Bezug auf das Rückwärtsfahren mobiler Arbeitsmittel und Fahrzeuge auf Baustellen behandelt, jedoch werden diese Schutzmaßnahmen bisher nicht flächendeckend umgesetzt. Ein Weg, Gefährdungen sowohl durch das Rückwärtsfahren als auch durch sonstige Fahr- und Arbeitsbewegungen zu reduzieren, sind einfache Sichtfeldüberprüfungen.

 

Ausgangslage

In den letzten Jahren hat sich im Bereich der Anforderungen an das Sichtfeld von Erdbaumaschinen viel verändert (siehe Bauportal 6/19) und wird mit Inkrafttreten der EN 4745 „Anforderungen an Hydraulikbagger“ einen vorläufigen Abschluss finden. Deshalb sind heute auf deutschen Baustellen viele Erdbaumaschinen im Einsatz, die nach unterschiedlichen Normen und Vorgaben produziert bzw. nachgerüstet wurden.

Die Hersteller von Erdbaumaschinen haben auf Grundlage der Maschinenrichtlinie (Richtline 2006/42/EG) die Verpflichtung, ihre Maschinen entsprechend den – zum Zeitpunkt des In-den-Verkehr-Bringens – in der EU geltenden Vorschriften auszurüsten. Jedoch sind die Hersteller nicht verpflichtet, Maschinen nachzurüsten, wenn sich z. B. die Norm ändert. Dahingegen sind Unternehmer auf Grundlage der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig zu überprüfen, dabei ist der Stand der Technik zu berücksichtigen. Dies stellt Unternehmer vor die Herausforderung, sich ständig über den Stand der Technik auf dem Laufenden zu halten. Ändern sich die Anforderungen an die Bereitstellung auf dem Markt oder liegen Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen vor, muss der Arbeitgeber prüfen, ob unter den konkreten Einsatzbedingungen zusätzliche betriebliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.

 

Tabelle Unfälle nach Unfallart (2010–2019)
Unfälle nach Unfallart (2010–2019)
Bild: BG BAU

 

Gefahrenbereich

Der Gefahrenbereich ist die Umgebung der Maschine, in der Personen durch arbeitsbedingte Bewegungen des Geräts, seiner Arbeitseinrichtungen und seiner Anbaugeräte oder durch ausschwingendes Ladegut, durch herabfallendes Ladegut oder durch herabfallende Arbeitseinrichtungen erreicht werden können.

Sind Arbeiten auszuführen, bei denen sich Personen im Gefahrenbereich befinden (z. B. beim Anschlagen von Lasten) oder diesen betreten können, hat die Unternehmerin oder der Unternehmer besondere Schutzmaßnahmen festzulegen (Gefährdungsbeurteilung).

 

Grundsätzlich gilt:

  • Der unbefugte Aufenthalt im Gefahrenbereich ist verboten.
  • Befinden sich Unbefugte im Gefahrenbereich, hat der Maschinenführer oder die Maschinenführerin die Arbeit so lange einzustellen, bis diese den Gefahrenbereich verlassen haben.

Sicht des Fahrers

Ist die Sicht auf den Fahr- und Arbeitsbereich eingeschränkt, kann nicht immer rechtzeitig erkannt werden, ob Personen den Gefahrenbereich betreten bzw. dort arbeiten. Aus diesem Grund müssen Fahrer ausreichende Sicht auf den Fahr- und Arbeitsbereich haben, sodass Personen rechtzeitig erkannt werden und nicht angefahren, überfahren oder angeschwenkt werden können.

Mit der Einführung der neuen Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten im April dieses Jahrs wurden die Anforderungen an die Sicht auf den Fahr- und Arbeitsbereich mobiler Arbeitsmittel präzisiert. Verstöße können nun mit Bußgeld geahndet werden. Grundsätzlich muss die Sicht auf den Fahr- oder Arbeitsbereich durch direkte oder indirekte Sicht (durch Hilfsvorrichtungen, wie z. B. Kamera-Monitor-Systeme oder Spiegel) gewährleistet sein (§ 7 der Unfallvorhütungsvorschrift Bauarbeiten).

Im Folgenden wird beschrieben, wie mit einfachen Mitteln überprüft werden kann, ob ein mobiles Arbeitsmittel diese Anforderung erfüllt und ob weitere Maßnahmen getroffen werden müssen. Unternehmer, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder auch Bauleiter und Aufsichtführende können so zu einer Einschätzung darüber kommen, ob z. B. ein Bagger auf der Baustelle in der gewünschten Weise betrieben werden kann oder z. B. die Nachrüstung eines Kamera-Monitor-Systems angeraten ist.

 

Vereinfachte Überprüfung des Sichtfelds

Die vereinfachte Überprüfung des Sichtfelds stellt nur eine grobe Einschätzung der Sichtverhältnisse dar und kann nicht mit einer Sichtfeldmessung nach FprEN 474:2019 in Verbindung mit ISO 5006:2017 verglichen werden. Gleichwohl liefert sie eine Einschätzung darüber, ob Personen rechtzeitig erkannt werden können. Bei der Überprüfung des Sicht-felds ist immer darauf zu achten, dass man weder sich selbst noch andere gefährdet, z. B. durch unbeabsichtigte Maschinenbewegung.

Die Überprüfung des Sichtfelds wird vor Ort an dem jeweiligen mobilen Arbeitsmittel durchgeführt. Zur Durchführung kann eine Checkliste (Abb. rechts) herangezogen werden.

Bei der Durchführung der Überprüfung ist immer der Motor abzustellen. Damit werden unbeabsichtigte Maschinenbewegungen verhindert. Ist an dem Arbeitsmittel bereits ein Kamera-Monitor-System vorhanden, muss gegebenenfalls die Zündung aktiviert werden.

Dabei

  • wird bei Baggern die Arbeitsausrüstung in einer Position eingestellt, die der Fahrer üblicherweise zum Schwenken nutzt, und in dieser Position auf dem Boden abgestellt,
  • wird bei Radladern die Transportstellung eingenommen, nach Herstellerangaben, i. d. R. wird die Schaufel dabei etwa 30 cm über Grund angehoben und anschließend der Motor abgestellt,
  • werden Fahrzeuge mit abgeschaltetem Motor abgestellt.

Bei der Überprüfung wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass im Umfeld des mobilen Arbeitsmittels oder des Fahrzeugs in leicht gebückter Haltung (z. B. mit der Schaufel) gearbeitet wird. Finden Arbeiten in knieender Haltung statt (z. B. bei Pflasterarbeiten), bildet die Höhe einer knieenden Person die Bemessungsgrundlage.

Nun wird überprüft, ob der Fahrer eine Person, die sich in leicht gebückter oder knieender Haltung im Abstand von 1 m vor, hinter oder erforderlichenfalls (insbesondere bei Baggern) neben dem mobilen Arbeitsmittel aufhält, sehen kann. Für die Durchführung der Überprüfung sind also mindestens zwei Personen erforderlich. Spiegel und Monitore, die hinter dem vorderen 180°-Blickfeld des Fahrenden angeordnet sind, werden im Rahmen dieser vereinfachten Überprüfung des Sichtfelds nicht berücksichtigt.

 

Umrisslinien für die vereinfachte Überprüfung des Sichtfeldes (Bagger)
Bild: DGUV
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Umrisslinien für die vereinfachte Überprüfung des Sichtfeldes (Radlader)
Umrisslinien für die vereinfachte Überprüfung des Sichtfeldes (Radlader)
Bild: DGUV
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Umrisslinien für die vereinfachte Überprüfung des Sichtfeldes (Lkw)
Umrisslinien für die vereinfachte Überprüfung des Sichtfeldes (Lkw)
Bild: DGUV
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Was tun bei unzureichenden Sichtverhältnissen?

Ergibt sich aus der vereinfachten Überprüfung des Sichtfelds (siehe Abbildung S. 43 unten), dass die Sichtverhältnisse unzureichend sind, besteht Handlungsbedarf. Der Unternehmer ist bei der Wahl der Schutzmaßnahmen frei, wobei Schutzmaßnahmen dem Stand der Technik entsprechen müssen und technische Maßnahmen Vorrang haben (§ 4 Nr. 3 ArbSchG). Organisatorische Maßnahmen können übergangsweise getroffen werden.

Geeignete Maßnahmen sind:

  • technische Maßnahmen zum Ausgleich der Sichteinschränkungen, z. B. Spiegel und Monitore, oder
  • Nachweis einer ausreichenden Sicht durch Sichtfeldmessung nach FprEN 474:2019 in Verbindung mit ISO 5006:2017 oder
  • solange diese Maßnahmen noch nicht getroffen werden können, sind übergangsweise folgende Maßnahmen geeignet:
    • - Absperren des Gefahrenbereichs von Arbeitsmaschinen und Fahrzeugen oder
    • - Einsatz von Sicherungsposten (insbes. bei Erdbaumaschinen),
    • - Einsatz von Einweisern (insbes. bei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen).

Technische Maßnahmen

Die Positionierung von Spiegeln und Monitoren entspricht dann dem Stand der Technik, wenn diese im vorderen 180°-Blickfeld des Fahrers einsehbar sind. Sie dürfen bei der Arbeit nicht durch bewegliche Teile der Maschine, z. B. Baggerarm, so beeinträchtigt werden, dass Personen im Fahr- und Arbeitsbereich nicht zuverlässig erkannt werden können. Spiegel-zu-Spiegel-Systeme sind nicht zulässig. Bei der direkten Sicht ist es hingegen zulässig, wenn der Fahrer über den vorderen 180°-Bereich hinaus nach hinten schauen muss (z. B. bei Minibaggern).

Monitore sind dann für mobile selbstfahrende Arbeitsmittel und Fahrzeuge geeignet, wenn

  • sie bei Motorstart automatisch zugeschaltet werden und dauerhaft in Betrieb sind, während der Motor läuft, oder
  • sie beim Einlegen des Rückwärtsgangs automatisch zugeschaltet werden.

Die Monitore sind dann für Hydraulikbagger geeignet, wenn sie automatisch zugeschaltet sind und bleiben, wenn Bewegungen des Baggers möglich sind.

Das Monitorbild ist ausreichend groß, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Einzelmonitor: diagonal mind. 5,5“ (13 cm)
  • Splitscreenmonitor: diagonal mind. 7,0“ (18 cm)

Ist das Monitorbild kleiner als die o. g. Empfehlungen, ist der Nachweis der ausreichenden Sicht nach FprEN 474:2019 in Verbindung mit ISO 5006:2017 zu erbringen. Das Kamerabild kann durch den Fahrer während der Überprüfung und Einstellung von Maschinenparametern vorübergehend ausgeblendet werden. Es muss danach automatisch wieder eingeblendet werden.

 

Beispiel  für eine  vereinfachte Überprüfung des Sichtfelds mithilfe einer Checkliste
Beispiel für eine vereinfachte Überprüfung des Sichtfelds mithilfe einer Checkliste
Bild: DGUV

Sicherungsposten und Einweiser

Wenn sich Sicherungsposten oder Einweiser im Umfeld von Fahrzeugen und Maschinen aufhalten, besteht für sie die Gefahr, angefahren oder überfahren zu werden. Deshalb dürfen Sicherungsposten oder Einweiser nur eingesetzt werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Sie halten sich außerhalb des Gefahrenbereichs im Sichtbereich des Fahrers auf,
  • sie tragen Warnkleidung und
  • sie werden nur kurzzeitig als Schutzmaßnahme eingesetzt.

Sicherungsposten warnen gefährdete Personen und Fahrer von mobilen Arbeitsmitteln bzw. Fahrzeugen vor Gefahren. Sie dürfen dem Fahrer Einweisungssignale geben. Weitere Tätigkeiten sind während des Sicherns nicht zulässig.

Einweiser geben Fahrzeugführern Zeichen bei Sichteinschränkungen, damit Personen durch Fahrbewegungen nicht gefährdet werden. Sie müssen ausreichende Kenntnisse haben, um die Verkehrsvorgänge beurteilen zu können. Maßnahmen wie das Absperren des Gefahrenbereichs und der Einsatz von Sicherungsposten/Einweiser sind nur übergangsweise möglich und wirtschaftlich.

 

Nachrüstung als Arbeitsschutzprämie

Die BG BAU fördert im Rahmen der Arbeitsschutzprämien, siehe www.bgbau.de/praemien, eine Nachrüstung von Kamera-Monitor-Systemen bei Baggern und Lkw. Die Förderung kann pro Maßnahme bis zu 50 % der Anschaffungskosten betragen und bietet somit mehr als eine Grundlage, um die Schutzmaßnahmen für mobile selbstfahrende Arbeitsmittel und Fahrzeuge auf Baustellen auf den Stand der Technik zu bringen.

 

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Klaus-Michael Krell MSc

Referat Tiefbau
Themenfeld Erd- und Straßenbau
BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 4|2020