Baumaschinentechnik
Wenn der Löffel nicht richtig verriegelt ist
Unfällen durch Fehlbetätigung von Schnellwechseleinrichtungen vorbeugen – die BG BAU unterstützt bei der Anschaffung sicherer Systeme
Immer wieder ereignen sich schwere und schwerste Unfälle durch Werkzeugabstürze, die überwiegend auf eine Fehlbetätigung hydraulischer Schnellwechseleinrichtungen an Baggern zurückzuführen sind. Inzwischen bieten viele Hersteller Systeme mit einer höheren Sicherheit gegen Fehlbetätigung an. Die BG BAU bietet Zuschuss bei Neukauf und Nachrüstung von Schnellwechseleinrichtungen.
Das Unfallgeschehen erklärt, warum hydraulische Schnellwechseleinrichtungen an Baggern seit Längerem europaweit im Fokus von Arbeitsschutz- und Marktaufsichtsbehörden stehen. Allein im Zeitraum Januar 2019 bis August 2020 ereigneten sich bei Mitgliedsunternehmen der BG BAU 13 Unfälle mit Schnellwechseleinrichtungen, die zu schweren Verletzungen führten. Zwei dieser Unfälle endeten sogar tödlich. Da nicht alle Hydraulikbagger in Deutschland von Mitgliedsunternehmen der BG BAU betrieben werden und Unfälle ohne Personenschaden in der Regel nicht bekannt werden, muss von einer wesentlich höheren Gesamtzahl von Unfallereignissen (also herabfallenden Werkzeugen) ausgegangen werden.
Die Unfalluntersuchungen der BG BAU haben gezeigt, dass in den meisten Fällen eine nicht betätigte oder nicht korrekt ausgeführte Verriegelung unfallursächlich war. Darüber wurde auch in der Ausgabe BauPortal 03/2019 berichtet. [1]
Regelungen für Schnellwechseleinrichtungen
Maschinen, die innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht werden, müssen den Anforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG [2] entsprechen. Hält sich ein Hersteller dabei an harmonisierte Normen, greift die Vermutungswirkung. Dies bedeutet, dass er in diesem Fall davon ausgehen kann, dass sein Produkt der Maschinenrichtlinie genügt.
Da sich der Stand der Technik laufend weiterentwickelt, müssen diese Normen regelmäßig angepasst werden.
Für Schnellwechseleinrichtungen gibt es einen aktuellen, noch nicht veröffentlichten Normentwurf zur EN 474-5 „Erdbaumaschinen – Sicherheit – Anforderungen für Hydraulikbagger“ [3], der auf die internationale Norm ISO 13031 „Earth-moving machinery – Quick couplers – Safety“ [4] verweist.
In diesem Normentwurf wird eine zusätzliche Einrichtung gefordert, die entweder
- eine automatische mechanische Verriegelung für die Aufnahmeachse besitzt, die während des Kupplungsprozesses zuerst angefahren wird (die automatische Verriegelung kann entweder durch den ersten Kontakt mit der Achse oder durch die Aktivierung des Verriegelungsprozesses erfolgen; diese mechanische Verriegelung darf nur im Zuge des Entriegelungsvorgangs gelöst werden können) oder
- das Anheben des Anbaugeräts so lange verhindert, bis eine korrekte Verriegelung erfolgt ist, oder
- das nicht verriegelte Anbaugerät während des vollständigen Hubs des Löffelzylinders hält (der Löffelstiel muss sich hierbei in einem 30°-Winkel, gemessen zur Vertikalen, weg vom Fahrerplatz befinden) oder
- ein akustisches und optisches Signal am Fahrerplatz gibt, wenn das Anbaugerät nicht vollständig in seiner Arbeitsposition verriegelt wurde.
Die Prüf- und Zertifizierungsstelle des Fachbereichs Bauwesen im DGUV Test hat dem Rechnung getragen und zertifiziert gemäß Prüfgrundsatz GS-BAU-25 „Grundsätze für die Prüfung von Schnellwechseleinrichtungen“ [5] hydraulische Schnellwechseleinrichtungen zum Anbau an Hydraulikbagger nur noch dann, wenn eine der oben aufgeführten Eigenschaften zusätzlich eingehalten wird, auch wenn diese noch nicht in einer harmonisierten Norm veröffentlicht sind.
Fördermöglichkeiten durch die BG BAU
Diese Kriterien gelten auch für Schnellwechselsysteme, deren Anschaffung die BG BAU über ihre Arbeitsschutzprämien mit 50 % der Anschaffungskosten bis maximal 1.800 € fördert. Einige Hersteller bieten Lösungsmöglichkeiten an, die an bestehenden Schnellwechseleinrichtungen angebaut bzw. nachgerüstet werden können. Auch diese finden sich auf der laufend aktualisierten Liste „Anforderungen und Hinweise für Arbeitsschutzprämien“ und sind somit förderfähig.
Förderung von Schnellwechselsystemen als Arbeitsschutzprämien
• Infos allgemein unter: www.bgbau.de/praemien
• Infos zu den Anforderungen, die hydraulische Schnellwechseleinrichtungen als Arbeitsschutzprämien erfüllen müssen, unter:
www.bgbau.de/schnellwechseleinrichtung
Bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen
Gemäß § 3 (3) der Betriebssicherheitsverordnung [6] soll die Gefährdungsbeurteilung bereits vor der Auswahl und Beschaffung der Arbeitsmittel begonnen werden. Das bedeutet, dass die hier beschriebenen Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen und die neuen Anforderungen an die Bereitstellung auf dem Markt bei einem Neukauf von Schnellwechseleinrichtungen zu berücksichtigen sind. Es empfiehlt sich daher, dass bei einer Neuanschaffung nur noch Systeme gekauft werden, die den oben beschriebenen Kriterien entsprechen. Vorhandene Schnellwechseleinrichtungen sollten nachgerüstet werden, wenn vom Hersteller ein Nachrüstsatz angeboten wird.
Nächster Schritt: betriebliche Organisation
Werden in einem Unternehmen Schnellwechseleinrichtungen betrieben, muss der Unternehmer ebenfalls im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung festlegen, welche Maßnahmen zum Schutz vor herabfallenden Werkzeugen notwendig sind. Diese Maßnahmen sind in einer Betriebsanweisung festzulegen, die Maschinenführer sind entsprechend zu unterweisen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist bei der Durchführung der Tätigkeiten zu prüfen [6].
Nach einem Werkzeugwechsel ist es zwingend erforderlich, dass der Maschinenführer/die Maschinenführerin prüft, ob die Verriegelung korrekt erfolgt ist. Dazu sind die Angaben des Herstellers der Schnellwechseleinrichtung zu beachten. In der Regel wird das Werkzeug gegen den Boden gedrückt und der Löffelzylinder dabei eingezogen. Die Aufsichtführenden auf der Baustelle müssen darauf achten, dass diese Tests durchgeführt werden.
Fazit
Inzwischen sind Schnellwechseleinrichtungen auf dem Markt verfügbar, die der neuen Sicherheitskonzeption entsprechen. Damit wird das Risiko eines Werkzeugabsturzes gegenüber den herkömmlichen Systemen deutlich reduziert. Solange die Systeme aber nicht selbsttätig erkennen, dass ein Werkzeug aufgenommen wurde und sich dieses auch anheben lässt, wenn die Verriegelung nicht korrekt erfolgt ist, bleibt die Verantwortung des Fahrers bestehen, die korrekte Verriegelung nach dem Verriegelungsvorgang zu überprüfen. Dies muss erfolgen, bevor die ersten Arbeitsbewegungen durchgeführt werden.
Der Unternehmer hat dies für seinen Betrieb zu regeln und die Umsetzung sicherzustellen. Bei Neuanschaffungen sollten Systeme mit einer höheren Sicherheit gegen herabfallende Werkzeuge gekauft werden. Die BG BAU unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe beim Kauf solcher Systeme im Rahmen der Arbeitsschutzprämien.
Literaturhinweise
- [1]
- BauPortal Ausgabe 03/2019 „Technische Sicherheitseinrichtungen an hydraulischen Schnellwechseleinrichtungen für Bagger“
- [2]
- Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 (Maschinenrichtlinie)
- [3]
- FprEN 474-5:2020 „Erdbaumaschinen – Sicherheit – Anforderungen für Hydraulikbagger“
- [4]
- ISO 13031:2016 „Earth-moving machinery – Quick couplers – Safety“
- [5]
- DGUV Test Prüf- und Zertifizierungsstelle Fachbereich Bauwesen, GS-BAU-25 „Grundsätze für die Prüfung von Schnellwechseleinrichtungen“, Stand 02.2020
Autoren
Ausgabe
BauPortal 4|2020
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