Baumaschinentechnik
Stand der Technik bei Verwendung von Schnellwechseleinrichtungen
Schnellwechsler erlauben den kurzfristigen Austausch zwischen verschiedenen Anbauwerkzeugen und damit flexibles Arbeiten mit Baumaschinen. Doch die Verriegelung erfolgt bei älteren Systemen nicht immer vollständig. Dadurch kommt es zu Unfällen – häufig mit schwerwiegenden Folgen. Umso dringlicher sind Sicherheitsstandards, regelmäßige Überprüfungen der Arbeitsmittel oder die notwendige Nachrüstung neuartiger, sicherheitskonformer Schnellwechseleinrichtungen.
Seit der Jahrtausendwende sind Schnellwechseleinrichtungen zu einer Standardanwendung in der Bauindustrie geworden. Sie ermöglichen einen raschen Austausch von Anbaugeräten wie Schaufeln, Greifern oder Hämmern und sind somit ein wesentlicher Bestandteil moderner Baumaschinenausrüstungen. Damit lassen sich die Effizienz und Flexibilität von Hydraulikbaggern und anderer großen Baumaschinen erheblich steigern.
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Neue DIN erhöht Sicherheitsanforderungen
Doch ihr Einsatz birgt auch potenzielle Gefahren, insbesondere wenn die gültigen Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden.Im März 2024 hat sich erneut ein tragischer Vorfall ereignet, bei dem ein Bauarbeiter ums Leben gekommen ist. Während der Arbei tmit einem Bagger hat sich ein Anbaugerät aus einem Schnellwechsler älterer Bauart gelöst und den Betroffenen tödlich verletzt. Mit der Offenbarung solcher Risiken aufgrund unzureichender oder verfehlter Sicherung sowie ausbleibender Drucktests und daraus resultierenden Unfällen mit überwiegend schwerwiegenden bis schwersten Folgen wurden die Sicherheitsanforderungen für Schnellwechsler nach und nach erhöht.
Mit Einführung der DIN EN 474:2022 im Februar 2023 mündete diese Entwicklung in ihren vorläufigen Höhepunkt. Seitdem dürfen Schnellwechsler für Hydraulikbagger nur noch in der EU verkauft werden, wenn sie die Anforderungen aus Kapitel 4.9 EN 474-5:2022 erfüllen. Das bedeutet, neue Schnellwechsler bzw. Schnellkupplungen müssen über ein Mittel verfügen, welches das Risiko minimiert, dass eine Arbeitsausrüstung versehentlich auf den Boden fällt, bevor sie korrekt an das Schnellwechselsystem angeschlossen ist.
In der Norm sind dafür vier Möglichkeiten benannt, wobei drei Möglichkeiten sich etabliert haben:
1. Eine selbsttätige mechanische Verriegelung des ersten beim Kupplungsprozess berührten Bolzens. Diese selbsttätige mechanische Verriegelung muss bei der ersten Berührung des Bolzens oder bei Aktivierung des Einraststellteils aktiviert werden.
2. Eine Einrichtung, die die Arbeitsausrüstung während des vollständigen Hubs des Löffelzylinders hält. Der Löffelstiel muss sich hierbei in einem 30°-Winkel, gemessen zur Vertikalen, weg vom Fahrerplatz befinden.
3. Eine Einrichtung, die ein akustisches und optisches Signal am Maschinenführerplatz aussendet, wenn die Arbeitsausrüstung nicht vollständig in ihrer Betriebsstellung angeschlossen ist. Die oben angeführten Anforderungen müssen immer mit einer Funktionsprüfung verifiziert werden. Die Prüfung muss mit den für den Einsatz vorgesehenen Arbeitsausrüstungen nach den Anweisungen des Maschinenherstellers erfolgen. In der Regel handelt es sich dabei um einen Gegendrucktest durch die Maschinenführenden.
BG BAU bezuschusst Anschaffung sicherer Systeme
Bereits seit einigen Jahren fördert die BG BAU die Anschaffung solcher sicheren Systeme. Unter anderem durch diese Förderung haben sich Schnellwechselsysteme nach dem Sicherheitsstandard der DIN EN 474:2022 schnell auf dem Markt verbreitet, sodass man bereits heute eine Aussage zum Unfallgeschehen mit und durch Schnellwechsler machen kann. Denn so gehen wohl die durch Aufsichtspersonen der BG BAU untersuchten Unfälle mit Schnellwechslern nur geringfügig zurück, aber bisher wurde kein Arbeitsunfall untersucht, bei welchem die Unfallursache auf einen Schnellwechsler mit demS icherheitsstandard der DIN EN 474:2022 zurückzuführen wäre.
Nachrüstung prüfen
Sicher werden im Laufe der Zeit viele alte Schnellwechselsysteme oder Hydraulikbagger erneuert und somit automatisch auf Systeme mit dem aktuellen Sicherheitsstandard umgerüstet. Jedoch ist dieses „Herauswachsen“ aus veralteten Sicherheitsstandards nicht ausreichend, wie der oben aufgeführte tragische Unfall auf schreckliche Art und Weise verdeutlicht. Deshalb fordert die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) im § 3 Absatz 7 eine Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung, wenn z. B. eine Technische Regel (NORM) für dieses Arbeitsmittel geändert wurde oder wenn es Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen gibt. Sofern sich der Stand der Technik in Bezug auf das zu erreichende Schutzniveau ändert, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.
Aus der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung und der danach getroffenen Maßnahmen zur sicheren Verwendung des Arbeitsmittels können sich folgende Möglichkeiten ergeben:
Es sind keine Modifikationen der Maßnahmen nötig oder es sind modifizierte Maßnahmen nötig wie die Nachrüstung technischer Schutzmaßnahmen. Was im Fall von Schnellwechselsystemen die Nach- bzw. Umrüstung auf den Sicherheitsstandard der DIN EN 474:2022 bedeutet.
Bei der Entscheidung über Maßnahmen kann im Einzelfall die Frage auftreten, wie die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und präventivem Nutzen der Maßnahmen zu bewerten ist (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Eine solche Bewertung kann nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen erfolgen.
Demnach ist eine Maßnahme dann verhältnismäßig, wenn sie folgende Kriterien erfüllt:
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Eine Maßnahme ist dann geeignet, wenn mit ihr der Zweck (die sichere Verwendung des Arbeitsmittels) erreicht oder gefördert werden kann. Im Falle des Schnellwechselers ist die Umrüstung auf den Sicherheitsstandard der DIN EN 474:2022 in fast allen Fällen geeignet.
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Es steht zur Erreichung des angestrebten Ziels kein anderes gleich wirksames Mittel zur Verfügung, das den Arbeitgeber weniger belastet (geringstmöglicher Eingriff). Organisatorische Maßnahmen wie Absperrung des Gefahrenbereichs des Baggers sind nur bei besonderen Einsatzbedingungen (z. B. Arbeiten in Steinbruch) oder bei älteren Baggern übergangsweise umsetzbar.
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Die Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der erkennbar zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht. Die BG BAU fördert die Umrüstung von Schnellwechslern mit bis zu 50 % der Anschaffungskosten.
Fazit:
Bei der Verwendung von Schnellwechslern sind Unfallgeschehen und neue Normen Anlässe für Unternehmer, die Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren. Auf Baustellen kann im Regelfall nicht ausgeschlossen werden, dass sich Versicherte im Gefahrenbereich des Baggers aufhalten. Das Unfallgeschehen ist hoch. Die Nach- bzw. Umrüstung auf den Sicherheitsstandard der DIN EN 474:2022 ist oftmals die einzige Möglichkeit für den Arbeitgeber, der Forderung nach der Einhaltung des „Standes der Technik bei der Verwendung“ zu entsprechen.
Autoren
Ausgabe
BauPortal 3|2024
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