Erdbau
Personenerkennung bei mobilen Arbeitsmitteln auf Baustellen
Beim Betrieb mobiler Arbeitsmittel auf Baustellen ereignen sich immer wieder schwere und auch tödliche Unfälle, weil Personen im Gefahrenbereich nicht rechtzeitig erkannt wurden. Eine schlechte oder fehlende Sicht beim Einsatz von Erdbaumaschinen verursacht nicht nur Unfälle, sondern auch Störungen des Arbeitsablaufs und Stress bei den Betroffenen. Doch es gibt Möglichkeiten, dieses Risiko zu senken.
Das Unfallrisiko mit und durch mobile Arbeitsmittel auf Baustellen kann signifikant reduziert werden, wenn folgende drei Punkte beachtet werden: die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung „Sicht“, die Gewährleistung einer sicheren Bedienung durch die Fahrerin bzw. den Fahrer sowie der Einsatz bzw. die (Weiter-)Entwickung moderner Maschinen, die ein besseres und sicheres Arbeiten ermöglichen.
Gefährdungsbeurteilung „Sicht“ durchführen
Schon vor dem Kauf oder der Anmietung, jedoch spätestens vor der ersten Inbetriebnahme ist zu prüfen, ob für die Fahrerin bzw. den Fahrer ausreichend Sicht auf den Fahr- und Arbeitsweg vorhanden ist. Eine Möglichkeit ist die vereinfachte Überprüfung des Sichtfelds. Reicht die direkte Sicht des Fahrenden/Bedienenden auf den Fahr- und Arbeitsweg nicht aus, um dort Personen und Objekte sicher zu erkennen, sind gemäß Arbeitsschutzgesetz (TOP-Prinzip) vorrangig technische Maßnahmen festzulegen und umzusetzen. Beispiele für Maßnahmen nach dem TOP-Prinzip sind:
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Stand der Technik sind Kamera- Monitor-Systeme, die eine ausreichende Sicht gewährleisten.
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Gefahrenbereiche definieren und kennzeichnen, Verhaltensregeln aufstellen (z. B. Aufenthaltsverbote, Einweisungspersonal, Sicherungsposten oder Abschrankungen) und deren Einhaltung kontrollieren, Beschäftigte regelmäßig über Gefahren und die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen unterweisen.
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Persönliche Schutzausrüstung (PSA), z. B. Warnwesten als ergänzende Maßnahme bereitstellen und für deren Benutzung sorgen.
Sichere Bedienung durch die Fahrerin bzw. den Fahrer gewährleisten
Neben technisch einwandfreien und regelmäßig geprüften Arbeitsmitteln sorgen insbesondere beim Einsatz mobiler Arbeitsmittel auf Baustellen eine ausreichende Qualifikation und angemessene Unterweisung der Fahrerin bzw. des Fahrers für eine Vermeidung von Unfällen. Nur wer seine Maschine beherrscht, kann mit voller Konzentration alle Bedienvorgänge überwachen.
Maschinen „besser“ machen
Auch wenn die Maschinen dem Stand der Technik entsprechen und die Fahrerin bzw. der Fahrer qualifiziert und unterwiesen ist, gibt es viele Ursachen für Unfälle durch Anfahren und Überfahren auf Baustellen: ungünstige Witterungsverhältnisse, Zeit- und Termindruck, Ermüdung, monotone Abläufe, komplexe Aufgaben etc.
Ausstattung mit kamerabasierter Personenerkennung
Eine Möglichkeit, um Fahrerinnen und Fahrer hier zu unterstützen, sind Assistenzsysteme wie die kamerabasierte Personenerkennung. Baustellentaugliche Systeme erkennen Personen in jeder Körperhaltung und warnen die Fahrerin bzw. den Fahrer mit optischen und akustischen Signalen. Basierend auf künstlicher Intelligenz werden verschiedenste Objekte und Personen durch die Kamera erkannt und klassifiziert. Hier ist allerdings zu beachten, dass die Nutzenden der Personenerkennungssystemen auch die Vorgaben des Datenschutzes zu beachten haben.
Die KI-Kamera erkennt und lokalisiert Personen in Echtzeit und in jeder Körperhaltung. Das System warnt aber nur dann, wenn sich Personen im Gefahrenbereich aufhalten. Fehlalarme werden vermieden, was zu einer hohen Akzeptanz der Fahrenden für solche Systeme führt.
Eignung für den Baustellenbetrieb?
Ob diese kamerabasierten Personenerkennungssysteme auch für den Baustellenbetrieb geeignet sind, untersuchte die Prüf- und Zertifizierungsstelle des Fachbereichs Bauwesen im DGUV Test (PZ BAU). Im Rahmen der Prüfung kamen zwei Prüfgrundsätze (GS) zur Anwendung: der neue GS-BAU-71 „Grundsätze für die Prüfung von Personenerkennungssystemen für Erdbaumaschinen“ (PDF, 298 KB) sowie der GS-BAU-70 „Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von sicherheitsrelevanten Assistenzsystemen an Maschinen und Nutzfahrzeugen“ (PDF, 187 KB).
Prüfung auf Basis der Prüfgrundsätze GS-BAU 71 und GS-BAU-70
Mit der Verbindung beider o. g. Prüfgrundsätze sollte eine gute Basis zur Eignungsbewertung kamerabasierter Personenerkennungssyteme für den Baustellenbetrieb geschaffen werden.
Bei der Prüfung wird jeweils ein ausreichend großer Erkennungsbereich definiert und es werden Vorgaben für eine Personenerkennung im Arbeitsumfeld von Baumaschinen (z. B. teilverdeckte Personen und Personen mit und ohne Warnkleidung sowie die Unterscheidung zwischen Gegenständen und Personen) gemacht.
Prüfgrundsätze
Prüfgrundsätze dienen als Prüfgrundlage für Produktprüfungen oder Begutachtungen von Qualitätsmanagementsystemen. Prüfgrundsätze fassen die Prüfanforderungen und Prüfgrundlagen für einen bestimmten (Produkt-)Bereich zusammen.
Förderung der Systeme als Arbeitsschutzprämie
Mit einer neuen Arbeitsschutzprämie möchte die BG BAU kamerabasierte Personenerkennungssysteme fördern, die dem Prüfgrundsatz GS-BAU-71 (PDF, 298 KB) entsprechen und durch die PZ BAU oder eine andere akkreditierte Prüfstelle geprüft sind. Diese Systeme zur Personenerkennung können bei aktuellen Maschinentypen nachgerüstet werden. Mitgliedsunternehmen der BG BAU erhalten dann pro Maßnahme bis zu 50 % der Anschaffungskosten.
Sichere Baustellen durch zunehmende Digitalisierung
Mit dem Fortschreiten der Digitalisierung bei mobilen Arbeitsmitteln auf Baustellen gibt es heute und in Zukunft weitere Möglichkeiten, Baustellen sicherer zu machen. Dazu zählen die Auswertung der Kollisionspunkte und aktive Assistenzsysteme.
Auswertung der Kollisionspunkte
Diese Auswertung bezieht sich auf Orte, an denen das mobile Arbeitsmittel vor einer Person gewarnt hat. Mit diesen Daten können mögliche Unfallstellen lokalisiert und entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden.
Aktive Assistenzsysteme
Solche Assistenzsysteme funktionieren unabhängig von der Reaktion des Menschen. Die kamerabasierte Personenerkennung überwacht den Detektionsbereich und warnt die Fahrerein bzw. den Fahrer vor drohenden Kollisionen, zusätzlich reduziert der Bremsassistent automatisch die Geschwindigkeit bis zum Stillstand.
Fazit und Ausblick
So erfreulich die Entwicklung im Bereich von Assistenzsystemen auch ist, diese unterstützen lediglich Fahrerinnen und Fahrer beim Rangieren mit mobilen Arbeitsmitteln.
Die Verantwortung für die sichere Bedienung verbleibt nach wie vor bei der Fahrerin bzw. Fahrer. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Unfälle mit mobilen Arbeitsmitteln durch den Einsatz solcher Systeme erheblich reduziert wird.
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Ausgabe
BauPortal 4|2023
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