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Blick von oben auf die innerstädtische Baustelle bei der Spulenverlegung.
Blick von oben auf die innerstädtische Baustelle bei der Spulenverlegung. | Bild: EUROVIA

Straßenbau, Elektrosicherheit

Unterwegs den E-Bus aufladen

Blick von oben auf die innerstädtische Baustelle bei der Spulenverlegung.
Bild: EUROVIA


Energiewende und Klimawandel sind wesentliche Treiber für die Zukunft der Bauwirtschaft. Neue Verfahren, Bauprozesse und Materialien bringen auch neue Herausforderungen für den Straßenbau sowie für den Arbeitsschutz mit sich – wie die deutschlandweit erste öffentliche Straße mit dynamisch-induktiver Ladetechnologie für E-Fahrzeuge in Balingen zeigt.


Seit der Eröffnung am 5. Mai pendeln tausende Besucher der Gartenschau Balingen mit Shuttlebussen vom Parkplatz und vom Hauptbahnhof zum Gartenschau-Gelände. Diese Busse sind elektrisch betrieben, das ist allerdings nicht das Besondere – denn die fahren schon in mehreren Städten. Diese E-Busse werden nicht vor oder nach der Fahrt geladen, sondern während des Fahrens.
 

Stichwort: Induktives Laden

Elektrisch betriebene Busse haben sich schon in vielen Städten durchgesetzt. Allerdings ist deren Reichweite oft noch sehr begrenzt, das Nachladen der Fahrzeugbatterien erfordert längere Standzeiten und manchmal auch Kabelanschluss an leistungsfähigen Ladestationen. In Balingen läuft das ganz anders. Dort können die E-Busse nicht nur kabellos an den Haltestellen nachladen, sondern auch während der Fahrt. Nicht etwa nur intern durch Rekuperation, also die Rückgewinnung von Bremsenergie als Fahrstrom, sondern auch extern durch induktiv-dynamisches Laden während der Fahrt.
 

Pilotprojekte für Induktionsladen

Seit fast zehn Jahren ist das kontaktlose Laden besonders bei größeren E-Transportfahrzeugen wie LKW und Bussen eine der Lösungen, die mit Forschungsgeldern in Deutschland und europaweit gefördert wird. Neben der Zeitersparnis erhoffen sich die Initiatoren davon auch kleinere Fahrzeugbatterien. Beteiligt sind neben Automobil-Konzernen wie VW und BMW sowie Energieunternehmen wie EnBW auch Forschungseinrichtungen wie die Uni Nürnberg-Erlangen, die TH Nürnberg, RWTH Aachen, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die TU Braunschweig.
 

Zusammenspiel von passender Elektronik und intelligenter straßenbaulicher Umsetzung

Egal ob Demo-Projekte in Karlsruhe und Braunschweig, Forschungsstrecken bei Köln, der Gartenschau-Shuttle in Balingen oder demnächst eine Autobahn in Nordbayern – wichtig für das induktive Laden sind passende Elektrotechnik und eine intelligente straßenbauliche Umsetzung.

Erstere kommt in Balingen vom israelischen Start-up Electreon mit seiner Technologie Electric Road System (ERS). Sie liefert die in die Straße integrierte Ladeinfrastruktur samt Management-Einheit und die Ladetechnik für den Elektro-Bus. Für die Bauausführung ist EUROVIA, Teil des VINCI Konzerns, seit drei Jahren mit Electreon in einer strategischen Partnerschaft verbunden. Mit von der Partie in Balingen sind auch die Stadtwerke, EnBW sowie das KIT. Das gesamte Vorhaben steht unter der Trägerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und nennt sich ELINA (Einsatz dynamischer Ladeinfrastruktur im ÖPNV).
 

Nahaufnahme einer Reihe von Spulen.
Bild: EUROVIA


Vom Testprojekt in den Alltagsverkehr

Für das zunächst 400 m lange Teilstück des Gartenschau-Rundkurses wurden in der Balinger Wilhelmstraße im Bereich von der Froschstraße bis zum Feuerwehrhaus 340 spezielle Magnetspulen – sogenannte „Coils“ – unter der Fahrbahndecke eingebaut sowie zwei Bushaltestellen errichtet, an denen der Shuttlebus während des Fahrgastwechsels geladen wird.
 

Verlegung von Spulen in einer Straße. Im Hintergrund mehrere Straßenbauarbeiter neben einem Baufahrzeug.
In die Straßen werden Spulen (Coils) eingelegt.
Bild: EUROVIA


Für das Laden während der Fahrt wird am Fahrzeug eine Gegenspule, der „Receiver”, befestigt. Immer dann, und nur dann, wenn ein Receiver direkt über einer Spule ist, wird diese kontaktlos aktiviert und durch Induktion der Strom an den Receiver übertragen, der direkt in die Batterie eingespeist wird. Das induktive Laden derzeit 25 KW pro Spule erfolgt so während der Fahrt dynamisch, an den Haltestellen statisch, aber in beiden Fällen kabellos. Am Bus sind abhängig von der Größe, aber i. d. R. drei Receiver vorhanden, somit kann mit 75 KW geladen werden. Durch das fortwährende Laden kann die Batteriegröße bedarfsgerecht reduziert werden. Das mindert Kosten, senkt den Energieverbrauch, balanciert Peak-Zeiten aus und vermindert den Einsatz seltener Erden für die Batterieproduktion.
 

Zwei Straßenbauarbeiter stellen den Schichtenverbund sicher.
Straßenbauarbeiten zur Sicherstellung des Schichtenverbundes
Bild: EUROVIA


In einer späteren Projektphase soll der entsprechend vorbereitete Straßenabschnitt auf einen Kilometer erweitert werden und wenn die Landesgartenschau am 24. September endet, verkehren die E-Shuttles als Schulbusse.

Die Haltbarkeit der Fahrbahnspulen wird mit ca. 20 Jahren angegeben – genauso lange wie die Asphaltdeckschicht hält. Auf den ersten Blick erscheint dies eine sehr teure Technologie zu sein (ca. 1 Mio. Euro pro km) – der Ausbau des gesamten Stromnetzes mit Schnelladepunkten für LKW ist allerdings auch nicht günstiger. Außerdem sind umweltfreundliche Aspekte teilweise nicht finanziell aufzuwiegen. In Serie könnten induktive Ladestraßen als Zukunftstechnologie aber deutlich preiswerter werden. Für diese Entwicklung haben sich Partner aus Wissenschaft und Industrie im Projekt EIMPOWER zusammengeschlossen.
 

eCharge – Induktives kontaktloses Laden über die Straße

eCharge ist ein Pilotprojekt zum Bau eines induktiven, kontaktlosen Ladesystems in Asphaltstraßen. Es wird eine wirtschaftliche und funktionsfähige Gesamtlösung untersucht. Gemeinsam realisieren EUROVIA und OMEXOM (VINCI Gruppe), Volkswagen als Fahrzeughersteller, Electreon als Technologie-Anbieter und die Universität Braunschweig das Pilotprojekt. Bautechnische Herausforderungen sind u. a. Effizienzverluste durch Spulenversatz bzw. Spurversatz, baufeldspezifische Besonderheiten sowie Angleichung der Lebenszyklen der Bauteile. Die Technologie ist sowohl für Pkw als auch für Lkw und auf allen Straßenklassen nutzbar. Das Innovationspozenzial der direkt in die Fahrbahn integrierten induktiven Ladetechnik besteht darin, die Batteriekapazität und damit Fahrzeuggewichte und -kosten zu verringern und gleichzeitig Reichweiten erhöhen zu können. Die Technologie kann sowohl im Stand als auch dynamisch angewendet werden.

Mehr unter: https://via-imc.com/projekte/echarge
 

Neuland im Bereich Straßenbau

Der Einbau der aufgereihten flachen Ladespulen soll zukünftig mit speziellen Verlegetechnologien erfolgen, die in einer Nacht rund einen Kilometer Straße elektrifizieren können. Dazu wird der Straßenbelag abgetragen und nach der Spulenverlegung kommt eine neue Asphalt-Deckschicht darüber.
 

Aus nächster Nähe betrachten vier Bauarbeiter ein Coil.
Vorbereitung der einheitlichen Spulenpositionierung
Bild: EUROVIA


Baulich ist die Verlegung der Induktionsschleifen im Asphalt auch für die bauausführende EUROVIA Neuland. Es wurden deshalb Teststrecken und Laborversuche durchgeführt. Der Straßenaufbau und die Materialauswahl musste so angepasst werden, dass die Temperaturen die Elektrik nicht beschädigen und die Einbauvorgänge keine mechanischen Schäden verursachen. Dazu kommen noch andere Faktoren wie die Wärmeabstrahlung der Spulen unter dem Asphalt oder Feuchtigkeit sowie Frost und der Einsatz von Taumitteln im Winter.

Eine weitere Vorgabe ist, dass der Abstand zwischen Sende- und Empfangsspule während des Ladens möglichst optimal gehalten wird – etwa 25 cm. Solche Vorgaben sind im Straßenbau eher selten. „Straßenbauer denken eher in Metern und Zentimetern, Elektrotechniker eher in Millimetern“, bringt es Astrid Hautz, Projektbeauftragte von EUROVIA, auf den Punkt.
 

Vorbereitung der einheitlichen Spulenpositionierung.
Spulenverlegung und Kabelgraben
Bild: EUROVIA


Um die Probleme zu bewältigen, sei ein und vor allem partnerschaftlicher Ansatz erforderlich. Schließlich müsse im Bauablauf alles stimmen: Die „Coils“ in der Straße sollten sehr exakt verlegt werden, um über das Positionierungssystem eine optimale Fahrspur und somit Energieübertragung zu ermöglichen. Sie sollten zudem über passende Leitungen mit Strom versorgt und das Ganze auch korrekt über eine Management-Einheit am Straßenrand gesteuert werden. EUROVIA kann hier jedoch auch auf andere Projekte zum induktiven Laden zurückgreifen, an denen das Unternehmen im Rahmen des eCharge-Projektes beteiligt ist.
 

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Ganzheitlicher Ansatz auch im Arbeitsschutz

Im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes ist es auch günstig, wenn der Konsortialführer beim Bau des Projekts auch den Arbeitsschutzbeauftragten stellt. Denn es treffen hier unterschiedliche Gewerke wie Straßenbau und Elektrotechnik aufeinander – jeder mit seinen eigenen Regeln. Dass man sich bei EUROVIA schon vorausschauend mit der Problematik befasst hat, bestätigt Yasin Kasilmis. Als Sicherheitsingenieur und Umweltschutzbeauftragter bei EUROVIA Teerbau in Bottrop hatte er Dr. Antje Schregel-Kühn vom Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD) der BG BAU in Oberhausen zur Frage kontaktiert, ob und welche Auswirkungen die elektromagnetischen Felder auf passive und aktive Implantate bei den am Bau der Balinger Ladestraße beteiligten Beschäftigten haben. Unter Einhaltung üblicher Regeln stellt dies ihrer Ansicht nach wahrscheinlich keine Gefährdung dar. Trotzdem erweist sich der Gesundheits- und Arbeitsschutz beim Bau induktiver Ladestraßen als eine Herausforderung. Denn noch ist kaum etwas geregelt bzw. potenzielle Risiken werden noch erforscht. Schließlich kann die Induktionstechnik auf öffentlichen Verkehrswegen nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn Gefahren für Leib und Leben von Bauleuten, Verkehrsteilnehmern, Passanten und Straßenwartungsdiensten auszuschließen sind.
 

Der kontaktlos ladende Bus fährt über die induktive Ladestraße.
Nach der Fertigstellung: kontaktlos ladender ShuttleBus für die Gäste der Gartenschau in Balingen
Bild: Stadtwerke Balingen


Für Fußgänger und Fahrgäste sind die Straßen mit Ladespulen übrigens nicht gefährlich. Denn: Im Normalzustand entsteht kein Magnetfeld. Nur wenn ein Elektrofahrzeug mit passendem Empfänger darüberfährt, werden die Spulen aktiv und laden induktiv. Derzeit sind das 25 KW pro Spule bei einem Nutzungsgrad von 90 % – künftig sollen es bis zu 70 KW mit 95 % Ausbeute sein.
 

Praxishilfe als erste Anlaufstelle

Unterstützung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz bei Bauten mit induktiver Ladeinfrastruktur gibt es schon – einige Publikationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und der Berufsgenossenschaften werden seit mehr als 15 Jahren angeboten – die thematisieren elektromagnetische Felder und elektrische Gefährdungen allerdings eher allgemein. Auch das Fachkompetenzcenter „Elektrische Gefährdungen“ und das Präventionsangebot der DGUV „Digitalisierung – Neue Technologien“ bieten eine kompakte Übersicht. Mit dem sicheren Arbeiten im Straßenbau beschäftigen sich z. B. die DGUV Regel 114-016 „Straßenbetrieb und Straßenunterhalt“ und das Bausteine-Merkheft der BG BAU zum Tief- und Straßenbau von 2021. Allerdings gibt es (bisher) keine detaillierten Forschungsergebnisse und Handlungsempfehlungen, die sich auf Arbeiten bei der Errichtung von Straßen für die E-Mobilität beziehen. Aber das wird sich sicher auch in Zukunft ändern.

Die Erfahrungen aus dem Shuttle-Bus-Projekt in Balingen fließen sicher auch in der einen oder anderen Form bei weiteren Projekten ein.
 

Informationen zu Gefährdungen im Straßenbau und aus elektromagnetischen Feldern
 

Titelbild DGUV Regel 103-013 Elektromagnetische Felder
Bild: BG BAU
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DGUV Regel 114-016: Straßenbetrieb Straßenunterhalt
Bild: DGUV
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  • TREMF NF (Technische Regel zur Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern)
  • DGUV Regel 103-013 „Elektromagnetische Felder“
  • DGUV Regel 114-016 „Straßenbetrieb, Straßenunterhalt“
  • IFA Fachinfo „Elektromagnetische Felder“
     
Autor

Holger Wenk

Redaktion BauPortal


Ausgabe

BauPortal 3|2023