Sanierung und Bauwerkserhalt
Sanierung des Gasometers Oberhausen
Der Gasometer Oberhausen, 1929 errichtet vom MAN-Werk Gustavsburg, ist ein Industriedenkmal in Oberhausen – und die höchste Ausstellungshalle Europas. Nach 90 Jahren wies das Wahrzeichen eine Vielzahl altersbedingter Schwächen auf, weshalb die Gasometer Oberhausen GmbH Ende 2018 seine denkmalgerechte Komplettsanierung beauftragte. Der Fokus der Sanierungsarbeiten lag auf der Stahlhülle, die gestrahlt und neu beschichtet wurde.
Der Gasometer Oberhausen wurde zwischen 1927 und 1929 vom MAN-Werk Gustavsburg für die Eisenhütte Oberhausen errichtet und zur Speicherung des Hochofengases genutzt. Später diente das Bauwerk der Kokerei Osterfeld als Speicher für Kokereigas. Mit einem Speichervolumen von ca. 347.000 m³, 117,5 m Höhe und knapp 68 m Durchmesser war der Gasometer bis 1988 Europas größter Scheibengasbehälter.
Gebäudehülle aus Stahl
Der Gasometer Oberhausen wurde in typischer MAN-Bauweise errichtet, die eine Weiterentwicklung der bis dahin üblichen Teleskopspeicher darstellte. Im Inneren des 24-eckigen Zylinders befindet sich eine Gasdruckscheibe, die sich ursprünglich – je nach Gasstand – wie ein Kolben auf und ab bewegen konnte. Heute ist diese an der Außenhülle fixiert. Das Dach des Gasometers besteht aus 24 Fachwerkträgern, die radial im sogenannten Königspunkt zusammenlaufen. Oberhalb ist die übrige Dachkonstruktion aufgelagert. 24 horizontal liegende, polygonale Doppel-T-Träger bilden die Außenhülle. Dazwischen lagern 8,80 m lange, 0,81 m hohe und 5,0 mm dicke aufgenietete Mantelbleche. Seit 1996 steht der gesamte Gebäudekomplex inklusive aller Anlagenteile unter Denkmalschutz.
Vom Scheibengasbehälter zur sanierungsbedürftigen Ausstellungshalle
Nach seiner Stilllegung wurde zunächst ein Abriss in Erwägung gezogen. Schließlich wurde das Bauwerk auf Vorschlag der IBA Emscher Park umgebaut – und von Juli 1994 an als Ausstellungs- und Veranstaltungsort genutzt. Anfang der 2000er-Jahre erfolgten erste Sanierungsarbeiten am Gasometer. Aufgrund der zuletzt erneut schlechter werdenden Bausubstanz – an zahlreichen Stellen wies das Industriedenkmal Korrosionsschäden auf – entschied sich der Bauherr, die Gasometer Oberhausen GmbH, im Jahr 2018 für die denkmalgerechte Komplettsanierung des ehemaligen Gasspeichers. Den Auftrag für die Planung erhielt das Büro Lindner Lohse Architekten BDA aus Dortmund, das im Rahmen des Verhandlungsverfahrens vor allem mit seinem interdisziplinären Sanierungskonzept und der geplanten Vorgehensweise überzeugen konnte. Schwerpunkte der Sanierungsarbeiten lagen auf dem Stahlbau und dem Korrosionsschutz. Eine besondere Herausforderung stellte auch die knapp bemessene Planungs- und Bauzeit von anderthalb Jahren dar, bei der Unvorhergesehenes wie der Zustand der Bausubstanz, die Wetterverhältnisse und auch Corona noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Vorbereitung der Arbeiten
Den Auftakt der Sanierung bildete eine intensive Bestandsaufnahme. Rund 10.000 Fotos wurden zur Schadensdokumentation erstellt. Alle Schäden wurden entsprechend erfasst, gekennzeichnet, in vier Schadenskategorien eingeteilt und der Sanierungsumfang individuell festgelegt. Zur Planung und Koordination der Arbeiten erstellte das Architekturbüro einen genauen Ablaufplan, der den Umfang und die vorgesehene Dauer der einzelnen Arbeitsschritte umfasste. Dieser Plan wurde im Zuge der Arbeiten kontinuierlich angepasst und aktualisiert. Um den Baufortschritt und das weitere Vorgehen zu besprechen, fanden regelmäßige Planungs- und Baubesprechungen sowie Begehungen mit dem Bauherrn und den zahlreichen weiteren Projektbeteiligten statt. In der Verantwortung der Architekten lagen auch die Vergabe der Bauleistungen an die ausführenden Firmen sowie die Abstimmung und Koordination. Um die anspruchsvolle Baustelle und die Fachfirmen zu managen, war die verantwortliche Bauleitung des Architekturbüros permanent vor Ort.
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Umfang der Sanierungsarbeiten
Ziel dieser Maßnahme war es, den Gasometer, insbesondere das Tragwerk sowie die Hülle, bis mindestens ins Jahr 2050 vor erneuten Schäden zu schützen. Die Sanierung der Außenhülle erfolgte in vier Bauabschnitten und war mit hohem Aufwand verbunden.
Fundament
Als erster Punkt auf einer langen Liste der Sanierungsmaßnahmen stand das Fundament bzw. die Erneuerung des Fundamentsockels, da das Fundament an der einen oder anderen Stelle über die Jahrzehnte brüchig geworden war. Für die Sanierung wurden Beton und bröseliges Mauerwerk rund um den Sockel entfernt. Im Anschluss wurde der Sockel neu bewehrt, geschalt und betoniert. Auf insgesamt 180 m² wurde der Fundamentsockel freigelegt und wo nötig mit Stahlmatten und Beton verstärkt. Insgesamt 60 m³ Beton flossen in diesen Bauabschnitt.
Demontage der Anbauteile und Gerüstaufstellung
Zeitgleich zu den Arbeiten am Fundament erfolgte die Demontage der Umläufe, Treppen und Ausbläser. Um die anschließenden Korrosionsschutzmaßnahmen durchführen zu können, wurde ein 30.000 m² umfassendes Fassadengerüst der Fa. Peri aufgestellt. Dessen vollständiger Aufbau dauerte nahezu fünf Monate und wurde von Gloser Gerüstbau durchgeführt. Rund 1.000 t Gerüstbau-Material kamen dabei zum Einsatz. Die weithin sichtbaren weißen Planen um das Gerüst herum erfüllten zwei wichtige Aufgaben. Zum einen garantierten sie in der kalten und nassen Jahreszeit trockene und temperaturkonstante Arbeitsbedingungen bzw. konstante Verarbeitungstemperaturen, zum anderen verwehten die beim Abstrahlen der Außenhülle anfallenden Farb- und Metallreste nicht, sondern verblieben auf der Baustelle und können somit fachgerecht entsorgt werden.
Entfernung der alten Farbschichten: 3.500 Tonnen Strahlschutt
Der Gasometer hatte im Laufe seiner jüngeren Geschichte insgesamt vierzehn Farbschichten erhalten. Diese wurden im Zuge der Sanierung mittels Feststrahltechnik und unter Unterdruck mitsamt aller Rostflächen entfernt. Im Laufe der Baumaßnahme wurden rund 3.500 t Strahlschutt abgesaugt und als Sondermüll der Entsorgung zugeführt.
Schutz vor Kontaminationen beim Strahlen
Innerhalb der Einhausung galt es, einzelne Abschnitte dicht abzuschotten, um einen Übertritt von Strahlstaub in angrenzende Bereiche – zum Beispiel jene mit frischer Beschichtung – zu verhindern. Erschwerend hinzu kam das Vorhandensein von Gefahrstoffen. So kam damals – beim Bau des Gasometers – giftige Bleimennige zur Anwendung, ein Stoff, der heute nicht mehr zulässig ist. Dementsprechend musste im SiGePlan dieser Gefahrstoff auch noch einmal gesondert berücksichtigt werden. Zur Sicherung kontaminierter, sogenannter Schwarz-Bereiche waren daher spezielle Schleusen notwendig.
Auftrag der neuen Farbschicht
Nach Entfernen der alten Schichten erhielt der Gasometer seinen neuen Anstrich, bestehend aus einer Grundierungs- und Zwischenschicht aus 2K-Epoxidharz-Zinkstaub sowie zwei Deckschichten aus 2K-Polyurethanharz. Der Farbton für die oberste Schicht setzt sich aus einem braunen Grundton mit oxydrötlicher Einfärbung zusammen und wurde eng mit dem Denkmalschutz abgestimmt. Da seit dem Wiederaufbau des Gasometers 1949 mehrere Anstriche übereinander folgten und keine Farbfotos aus der Zeit existieren, war die ursprüngliche Farbe nur schwierig zu ermitteln. Die aufwendigen Untersuchungen zur Bestimmung der Originalfarbe führte das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland durch. An unterschiedlichen Stellen wurden Proben genommen und die einzelnen Farbschichten bestimmt. Die Entscheidung fiel schließlich auf jenen Grundton, der dem beim Wiederaufbau 1949 verwendeten Farbton am ähnlichsten ist. Dieser ist jedoch im Gegensatz zur Originalfarbe mit Eisenglimmer für den Korrosionsschutz versetzt. Auch die Treppen wurden in Braun gestrichen. Die Umläufe erhielten einen Grünton in Anlehnung an den Farbton der 1970er Jahre.
Arbeiten auf und unter dem Dach
Neben den Korrosionsschutzarbeiten an der Fassade fanden auch Sanierungsarbeiten am Dach statt. Diese stellten eine besondere Herausforderung dar, da die Tragkraft der Dachkonstruktion begrenzt war. Daher kamen ferngesteuerte HDW-Roboter (HDW für Höchstdruckwasserstrahlen) zum Einsatz, die mittels Hochdruck-Wasserstrahlverfahrens die alten Farbschichten lösten. Danach wurde das Dach grundiert und mit einer grauen Deckschicht finalisiert.
Die Unterseite des Dachs, die aus 24 Stahlträgern bestehende Innendecke, musste jedoch komplett per Hand entrostet und beschichtet werden. Dies gelang allerdings nur mit einer besonderen, hängenden Gerüstkonstruktion, die direkt unter dem Dach des Gasometers in knapp 110 m Höhe angebracht wurde. Auf dieser Arbeitsbühne arbeitete das Team des Beschichtungsunternehmens ausgerüstet mit Atemmasken und Spezialanzügen.
Rückbau und Eröffnung
Nach Beendigung der Korrosionsschutzarbeiten an der Außenhülle begann der Rückbau der 30.000 m² umfassenden Einhausung bzw. der Abbau der Gerüstkonstruktion an der Fassade. Im Folgenden wurden die Umläufe, Treppen und die charakteristischen Ausbläser mithilfe eines Spezialkrans und von Industriekletterern montiert. Darüber hinaus wurde im Innern des Gasometers alles gereinigt. Abschließend wurden noch die Außenanlagen wiederhergestellt. Ganz zum Schluss wurde das knapp 1.500 m² große und 545 kg schwere Poster vom Industriekletterer Peter Peilert und seinem Team angebracht. Insgesamt sieben Kletterer brachten die 24 Einzelteile in Position.
Am 1. Oktober 2021 eröffnete der Gasometer nach zwei Jahren Bauzeit mit der neuen Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“. Um die knapp bemessene Bauzeit einzuhalten, arbeiteten zeitweise bis zu 120 Beschäftigte gleichzeitig auf der Baustelle – vorübergehend wurde zudem am Wochenende und im Dreischichtbetrieb gearbeitet. 16,4 Mio. Euro netto flossen in die Sanierung, die vom Bund, dem Regionalverband Ruhr sowie dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert wurde.
Daten und Fakten zum Bauprojekt
Bauherr:
Gasometer Oberhausen GmbH
Architekten:
Lindner Lohse Architekten BDA
Demontage/Montage Anbauteile:
Höhenhandwerk
Gerüstbauarbeiten:
Gloser Gerüstbau GmbH
Stahlbau und Korrosionsschutz:
Rodopi Marine GmbH
Bauzeit:
November 2019 – September 2021
Autor
Ausgabe
BauPortal 1|2023
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