Bauwerksbau, Abbruch und Recycling
Recyclinghaus aus Abrissmaterial
In der Gemeinde Heek errichtete die Büscher GmbH & Co. KG in nur vier Monaten ein Mehrfamilienhaus, dessen Innenwände aus altem Abrissmaterial bestehen. Das Haus aus Recyclingbeton zeigt in diesem Pilotprojekt, dass nachhaltiges Bauen mit Beton möglich ist. Denn bisher wird der hohe Anteil an Bau- und Abbruchabfällen in Deutschland für Neubauten kaum genutzt.
Nicht nur die weltweit steigende Nachfrage nach mineralischen Primärrohstoffen wirkt als Preistreiber, sondern auch Umweltverträglichkeit, Klimaschutz und CO₂-Emissionen beim Bauen sind marktbestimmend geworden und erfordern ein Umdenken bei der Verwendung. Auf der anderen Seite fallen laut einer Studie des Bundesverbands Baustoffe - Steine und Erden e. V. [1] mehr als 250 Mio. t Abbruchmaterial in Deutschland pro Jahr an, die nicht wieder aktiv in den Bauprozess einfließen. Denn Bauschutt wird bisher zu knapp 90 % als Füllmaterial im Wege- und Tiefbau verwendet oder er geht sogar noch auf die Deponie. Warum also nicht den Bauschutt recyceln und ihn nicht nur zu einem Teil, sondern zu 100 % als Substitut für Primärrohstoffe in der Betonherstellung einsetzen?
Eine innovative Antwort auf diese Herausforderung präsentiert jetzt der Betonfertigteilhersteller Büscher aus dem münsterländischen Heek: hochwertige Betonfertigteile aus Recyclingbeton.
Abbruchmaterial statt Primärrohstoffe
Die Unternehmensgruppe Büscher entstand 1961 mit der Gründung des Betonwerks, in dem Betonfertigteile aller Art gefertigt werden. Im Schwesterunternehmen Containerdienst Büscher beschäftigt die Firmengruppe sich mit der Entsorgung und Aufbereitung von Bauschutt. Da hier Produktion und Entsorgung von Bauteilen eng verzahnt sind, lag die Idee, Abrissmaterial für die Herstellung von Betonteilen zu nutzen, quasi in der Luft. Und so forscht die Unternehmensgruppe schon seit etlichen Jahren nicht nur im eigenen Team, sondern z. B. auch mit Wissenschaftlern, Betontechnologen und Fachleuten aus Instituten und verschiedenen Hochschulen daran, das Abfallprodukt Bauschutt zu einem wirtschaftlich attraktiven Wertstoff aufzuwerten. Denn dies setzt hohe Standards sowohl in der Aufbereitung des Bauschutts als auch in der Produktion von Betonteilen voraus.
In rund achtjähriger Forschung wurde an der Rezeptur gearbeitet, gemeinsam probiert und weiterentwickelt, um diese Standards zu entwickeln und ihre Praxistauglichkeit in puncto Qualität und Wirtschaftlichkeit zu beweisen. Nachzuweisen waren unter anderem die Verarbeitungsfähigkeit des Sekundärbaustoffs sowie Druckfestigkeit, Haltbarkeit und Oberflächenqualität des fertigen Betonelements.
Im Jahr 2021 war es dann so weit: Die Betonfertigteile konnten zu 80 % aus alten Materialien hergestellt werden, die Primärrohstoffe Kies und Sand in den Fertigteilen konnten komplett, also zu 100 %, durch ein gemischtes Abbruch- bzw. Bauschuttmaterial ersetzt werden, das hinsichtlich Verarbeitungsfähigkeit, Haltbarkeit und Qualität dem herkömmlichen Primärmaterial in nichts nachsteht. Dies bestätigte auch die Prüfung durch das DIBT Berlin.
Beton besteht zu 80 % aus Primärrohstoffen wie Kies und Sand, aus 14 % Zement, 5 % Wasser und 1 % weitere Zusätze. Büscher ersetzt die Primärrohstoffe Kies und Sand zu 100 % durch Abbruchmaterial.
Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik
Dass sich Recycling-Baustoffe aus sogenannten Poren-Betonrezyklaten als Wände in einem Bauvorhaben eignen, hat das Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien (IWT) in Bremen im Jahr 2020 nachgewiesen. Allerdings war deren Verwendung noch nicht baurechtlich geregelt – dies kann nur über eine Zustimmung im Einzelfall oder eine Zulassung erfolgen.
Als bislang einziges Unternehmen in Deutschland hat das Familienunternehmen aus Heek im Juni 2021 vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBT Berlin) die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für tragende und nicht tragende Innenwandelemente aus Recyclingbeton mit 100 % Natursteinersatz bis zur Gebäudeklasse 4 bekommen. Möglich sind Wandlängen von bis zu 11 m und Wandhöhen bis zu 3,7 m. Auf Basis dieser Zulassung darf die Firma Büscher für ihre Betonfertigteile aus Recyclingbeton in den Expositionsklassen XC1 und X0 (trocken) bis zu 100 % recyclierter Gesteinskörnung inklusive der Brechsande ähnlich dem Typ 3 verwenden. Bisher sind lediglich grobe Recyclinganteile von höchstens 45 % für die Gesteinskörnung Typ 1 und bis zu 35 % für die Gesteinskörnung Typ 2 erlaubt.
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Das spezielle, zertifizierte Produktionsverfahren sichert eine gleichbleibend hohe Qualität des Recyclingmaterials. Durch die ausschließliche Verwendung von Recyclingmaterial zum Ersatz der Gesteinskörnung erreicht die Unternehmensgruppe Büscher nach eigenen Angaben eine Verminderung ihres CO₂-Ausstoßes in Heek um 13 %.
Test in der Praxis: Mehrfamilienhaus als Referenzobjekt
Ob diese Bauteile aus 100 % Recycling-Material (Sand- und Gesteinsanteile) auch praxistauglich sind, soll der Bau des Mehrfamilienhauses in Heek, der sich nur fünf Fahrminuten entfernt vom Unternehmenssitz der Büscher GmbH & Co. KG befindet, beweisen.
Produktion der Fertigteile aus Recyclingbeton
Der Bauschutt, der von rückgebauten Gebäuden aus einem Umkreis von bis zu 30 km stammt, wird auf dem Betriebshof des Unternehmens nach einer ersten Anlieferungskontrolle vorsortiert.
Nicht verwendbare Materialien wie etwa Metall, Kunststoff, Holz und Gips werden aussortiert. Zudem werden leichte Störstoffe wie etwa Plastikteilchen und Folie entfernt, ein Magnetabscheider trennt weitere Metalle. Nach dem Sieben erfolgen Sichtkontrollen. Analysiert werden stoffliche Zusammensetzung, Kornaufbau, Rohdichte sowie Kern- und Oberflächenfeuchten der Gesteinskörnungen. Anschließend wird das Betongemisch nach firmeneigener Rezeptur mit 100 % Natursteinersatz inklusive der Sande hergestellt und in anpassbare Holzrahmen gegossen, sodass tragende und nicht tragende Innenwandelemente unterschiedlicher Größe individuell vorgefertigt werden können.
Kurze Bauzeit dank seriellem Bauen
Der Rohbau stand innerhalb von zwei Wochen. Ab Anfang Oktober 2022 wurde die Montage der malerfertig angelieferten Betonfertigteile vorbereitet, indem Montagewinkel auf der Bodenplatte aufgedübelt wurden. Einige Tage später wurden die Wände und Decken des Erdgeschosses montiert.
Nach fertiger Montage des Technikmoduls begann man mit dem Aufbau des zweiten Geschosses. Die Montage der Fassaden- und Fensterelemente war bereits nach vier Wochen abgeschlossen. Anschließend erfolgten die Trockenbauarbeiten und der Innenausbau sowie die Garten- und Landschaftsarbeiten. Am 1. Februar 2023 wurde das Haus offiziell eingeweiht und an die Mieter übergeben.
Fazit und Ausblick
2018 fielen laut Umweltbundesamt (UBA) aus Bauschutt und Straßenaufbruch 73,9 Mio. t mineralische Abfälle an. Von den recycelten Baustoffen wurden laut UBA jedoch nur 15,8 Mio. t hochwertig in der Asphalt- und Betonherstellung eingesetzt. Technisch ließe sich noch weit mehr Bauschutt aus dem Hochbau wieder für den Hochbau aufbereiten.
Für den Bau eines Einfamilienhauses können rund 200 t recycelter Bauschutt eingesetzt werden. Hochgerechnet ließen sich so mit den verbliebenen 58,1 Mio. t Bauschutt etwa 375.000 Mehrfamilienhäuser wie das Pilotprojekt in Heek bauen. Zudem kann der Einsatz der nach Kundenvorgaben digital geplanten, im Werk rationell und ressourcenschonend produzierten und malerfertig vorgerüstet angelieferten Fertigbetonteile die Bauzeiten ganz erheblich verkürzen. Darüber hinaus hat das Bauprojekt in Heek gezeigt, dass die Wände aus Recyclingbeton hinsichtlich ihrer technischen, statischen und klimatischen Eigenschaften den konventionell hergestellten Wänden gleichwertig sind.
Der Bausektor steht vor einem umfassenden Wandel. Büscher ist der Ansicht, dass neue Ansätze erforderlich sind, um sicherzustellen, dass gebrauchte Baumaterialien nicht im Abfall landen.
Fußnoten
- [1]
- Die Studie ist online unter www.baustoffindustrie.de abrufbar.
Autoren
Ausgabe
BauPortal 2|2023
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