Vormontage, Bauwerksbau
Mobile Fertigteilfabriken schaffen Wohnraum in Afrika
Die Zukunft Afrikas ist städtisch und sie ist jung: Bis 2050 wird sich die städtische Bevölkerung Afrikas verdreifacht und die Zahl an afrikanischen Großstädten verfünffacht haben. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in nachhaltigen Großstädten ist die entscheidende Herausforderung der kommenden Jahre in der Entwicklung Afrikas.
Afrika ist der zweitgrößte Kontinent der Erde, hat nach Asien mit mehr als einer Milliarde Menschen auch die meisten Einwohner und war in den letzten Jahren der wirtschaftlich am schnellsten wachsende Erdteil. Nach Überwindung der pandemiebedingten Einschnitte in Produktion, Handel, Investitionen und Tourismus geht es nun vielerorts wieder bergauf. Allerdings kämpfen die afrikanischen Volkswirtschaften mit einer sich aufklaffenden Schere zwischen Arm und Reich, mit steigender Inflation, zunehmender Staatsverschuldung und regionalen Konflikten.
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Verstädterung
In Entwicklungs- und Schwellenländern ist die Landflucht ein aktuelles Phänomen, das insbesondere durch die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechten Lebensbedingungen auf dem Land begründet ist. Seit 2008 leben mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land und nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden bereits 2030 ca. 70 % der Weltbevölkerung (> 5 Milliarden Menschen) in Städten wohnen. Städte sind wirtschaftliche Wachstumsmotoren und in ihnen werden weltweit etwa 80 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Die hohe Bevölkerungsdichte in Städten ermöglicht einfacheren Zugang zu Arbeit, Mobilität, Gesundheit, Bildung sowie sozialer und politischer Teilhabe. Gerade in Ländern mit einem – vergleichsweise – niedrigen Industrialisierungsgrad ist die Verstädterung laut Weltbank wichtigste Transformationskraft. Afrikas Ballungszentren sind laut den Vereinten Nationen favorisierte Ziele für ausländische Direktinvestitionen und Ausgangspunkte, um wirtschaftliches Wachstum auf dem gesamten Kontinent voranzutreiben. Gleichzeitig bringt die Verstädterung aber auch diverse Probleme mit sich, wie bspw. Entstehung von Slums, Luftverschmutzung, mangelnde Abfallentsorgung und öffentliche Verkehrsmittel, Zersiedlung u. v. a. m. Städte nehmen zwar nur 3 % der Weltoberfläche ein, verbrauchen jedoch mehr als zwei Drittel der weltweiten Ressourcen und stehen für mehr als zwei Drittel der weltweiten Emissionen, da ja dort auch die meisten Menschen wohnen.
Nachhaltige Städte und Siedlungen
Mit der Agenda 2030 haben sich die Vereinten Nationen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung gesetzt, um Frieden sowie Wohlstand weltweit zu fördern und gleichzeitig unseren Planeten zu schützen. Ziel Nummer 11 beschäftigt sich mit den Städten und hat u. a. zum Ziel, Wohnraum zu schaffen, der sicher, nachhaltig und qualitativ hochwertig ist. Das Bauen in wirtschaftlich nicht so leistungsstarken Ländern mit niedrigem Industrialisierungsgrad stellt Planende und ausführende Unternehmen vor Herausforderungen, um die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu verbessern.
Mobile Fertigteilfabriken
Grundsätzlich gilt serielles Bauen als Schlüssel, um schnell den wachsenden Bedarf an bezahlbarem, nachhaltigem und qualitativ hochwertigem Wohnraum oder Arbeitsstätten zu erfüllen. Als Reaktion auf die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in Städten interessieren sich Verantwortliche in Asien und Afrika zunehmend für die Vorteile des industriellen Bauens. Üblicherweise erfolgt die Produktion von Wänden, Decken und konstruktiven Bauteilen kosteneffizient in stationären Fertigungsstätten, von denen Bauteile zum Einsatzort transportiert werden. Allerdings fehlen in vielen Ländern die für das serielle Bauen notwendigen Fabriken, die Infrastruktur und das Fachpersonal. Im Gegensatz zu den dort vorherrschenden Baumethoden, die lediglich auf eine große Zahl gering qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen ist, benötigt die Fertigteilherstellung zusätzlich Spezialisten für Herstellung, Transport und Montage.
Vor diesem Hintergrund sind weltweite Entwicklungen in Richtung mobiler Fertigteilfabriken zu verstehen, um so die Vorteile von Fertigteilen, nämlich kurze Bauzeiten, hohe Qualität, Wirtschaftlichkeit und Präzision, für unterschiedlichste Bauaufgaben und Produkte auch in unterentwickelten Regionen mit weniger entwickelter Infrastruktur nutzen zu können. Mobile modulare und skalierbare Betonfertigteilwerke ermöglichen die kosten- und ressourceneffiziente Produktion hochwertiger Betonfertigteile, wie bspw. Rammpfähle, Boden- und Deckenplatten, Wandelemente, Stützen und Treppen, vor Ort in Mega-Cities und just in time.
Projekt „NEULANDT 3P“ in Abidjan
Eine solche Fertigteil-Anlage wurde in Abidjan (Westafrika) eingesetzt. Diese Anlage stammt von der NEULANDT GmbH, die Teil der Umdasch Group Ventures ist, und heißt „NEULANDT 3P (3P steht für Portable Precast Plant). Die Fabrik findet in 40 Schiffscontainern Platz und ist innerhalb von vier bis sechs Wochen einsatzbereit. Die Halle ist 70 m lang und 15 m breit und besitzt zwei integrierte Kräne mit einer Kapazität von je 12,5 t. Zukünftig wird die Anlage bis zu 1.000 m² Fertigteilwände pro Tag produzieren. In der Produktion selbst kommt die Schmetterlingsschalung zum Einsatz. Bei dieser platzsparenden Art der Schalung wird mit aufgefalteten Stahlschalungskonstruktionen gearbeitet, wodurch die Elemente beidseitig schalungsglatt sind und keine Nachbearbeitung benötigen. Nach der Befüllung mit Beton erfolgt die Erstaushärtung in der Batterie und nach rund 14-tägiger Trocknungszeit sind die Fertigteile bereit für die Montage. In der Fabrik entstehen Fertigteile mit variablen Maßen zwischen 3,00 × 7,03 m und einer Dicke zwischen 8 und 20 cm. Pro Werk sollen pro Jahr bis zu 300.000 m² Fertigteile produziert und somit über 1.500 Wohneinheiten (auf Basis von 65 m² Wohnfläche) für Familien hergestellt werden. Auch mehrgeschossige Bauwerke können mit diesen Fertigteilen errichtet werden.
Ausblick
Neben dem Schwerpunkt des sozialen Wohnbaus sind weitere Gebäudetypen wie Schulen, Krankenhäuser, Industriebauten oder Lärmschutzwände möglich. Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass die Wertschöpfung in der Region verbleibt. Deswegen beziehen die Bauunternehmen Rohstoffe aus der Region und vertrauen auf lokale Arbeitskräfte sowie anschließende Gewerbe wie Elektro- oder Installationsunternehmen vor Ort. Kurze Transportwege und optimierte Logistikabläufe sollen wiederum Zeit und Kosten sparen und den CO2-Fußabdruck minimieren.
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2023
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