Dach- und Zimmererarbeiten
Absturzsicherung bei der Montage von Decken und Dächern
Seit 2013 empfiehlt der Runde Tisch von BG BAU und Zimmererverbänden, Decken und Dächer möglichst nicht als Einzelbauteile zu montieren, da offene Konstruktionen ein hohes Absturzrisiko nach innen bedeuten. Aber auch bei vorgefertigten, geschlossenen Decken- und Dachelementen gibt es im Verlauf der Montage Absturzkanten, die gesichert werden müssen. Im Artikel werden verschiedene Möglichkeiten entgegen der Maßnahmenhierarchie vorgestellt: Das Beste kommt zum Schluss.
Nach wie vor gibt es ein hohes Absturzrisiko beim Richten von Dachstühlen aus Einzelbauteilen. Jede obere Balkenkante stellt eine Absturzkante dar (Abb. 1)! Je länger man sich an Absturzkanten aufhält, desto größer ist das Risiko, irgendwann abzurutschen und abzustürzen. Eine sehr schmerzhafte Sturzvariante zeigt das kleine Bild. Viel zu oft wird die Ausführung der Beplankung den Auftraggebenden als Eigenleistung angeboten. Die Folge ist eine unnötig große Absturzhöhe im weiteren Verlauf des Richtens bei Arbeiten an oder sogar auf der Firstpfette.
Ein Absturz oberhalb einer offenen Kehlbalkenlage führt zu einem An- oder Aufschlagen an Sparren oder Kehlbalken mit anschließendem Weitersturz bis ganz nach unten (Abb. 2). Wahrscheinlich hätte ein solcher Sturz schwere Verletzungen zur Folge. Die verunglückte Person wäre wochenlang arbeitsunfähig. Im schlimmsten Fall könnte der Sturz sogar tödlich enden. Zu Schmerzen und Leid in der Familie kämen Verzögerungen und hohe Kosten für das Unternehmen. Reduziert man dagegen die Laufmeter an Absturzkanten, indem man sich auf geschlossenen Elementen bewegt, ist das Absturzrisiko deutlich geringer (Abb. 3). Auch auf einem Element kann man mal ausrutschen oder stolpern, aber man kann nur abstürzen, wenn man sich direkt am Rand eines ungesicherten Elements befindet.
Eine Absturzkante bleibt dennoch
Es wäre schon viel für die Absturzprävention gewonnen, wenn mehr Zimmerleute auf geschlossenen Decken liefen, anstatt zu balancieren. Trotzdem gibt es noch die Absturzkante am Rand des letztverlegten Elements (Abb. 3). Durch Unachtsamkeit oder Stolpern könnte eine ungesicherte Person über diese Kante abstürzen. Beim Runden Tisch wird zurzeit nach Lösungen für diese Tätigkeit gesucht. Vermutlich treffen die meisten Unternehmen noch gar keine Maßnahmen an der Absturzkante. Auf den Elementen arbeiten nur die fittesten und erfahrensten Beschäftigten, die speziell für diesen Ausnahmefall unterwiesen sind. Die Absturzkante ist gut erkennbar. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es im begründeten Einzelfall nach der DGUV Vorschrift 38 (Bauarbeiten) möglich, ohne Sicherung zu arbeiten. Und wenn doch etwas passiert? Dann war die Gefährdungsbeurteilung offensichtlich nicht schlüssig.
Einsatz von PSAgA
Unternehmen, die die Absturzkante am Elementrand „entschärfen“ möchten, entscheiden sich wahrscheinlich meist für eine „Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz“ (PSAgA), obwohl sie in der Maßnahmenhierarchie zuletzt kommt. Beim Einsatz von PSAgA müssen ein Rettungskonzept und Rettungsgerät vorhanden sein. Die Beschäftigten sind entsprechend unterwiesen und haben die Rettung praktisch geübt. Abb. 4 zeigt die Verwendung eines Höhensicherungsgeräts (HSG), das an eine Schiene auf dem bereits mit den Pfetten verschraubten Element angeschlagen ist. Durch den Aufrollmechanismus des HSG ist ein Pendelsturz unwahrscheinlich. Das gespannte Band oder Drahtseil richtet sich annähernd rechtwinklig zur Absturzkante aus. Als Rückhaltesystem konfiguriert wäre die Schutzwirkung noch größer. Ein längeneinstellbares HSG oder eines mit passender maximaler Auszugslänge kann die Bewegungsfreiheit bis kurz vor der Absturzkante begrenzen.
Auffangeinrichtungen
Besser als der Einsatz der PSAgA wären in jedem Falle Auffangeinrichtungen. Als kollektive Schutzmaßnahme würden Fanggerüste oder Schutznetze eine abstürzende Person auffangen, auch wenn sie die Maßnahme für übertrieben hält. Die richtige Verwendung einer PSAgA ist dagegen stark willens- und kenntnisabhängig. Bald werden die in Deutschland bisher wenig bekannten Soft Landing Systems (SLS) als neue Auffangeinrichtung hinzukommen. Diese eignen sich vor allem zur Sicherung von Arbeitsplätzen mit geringen Absturzhöhen, bei denen Schutznetze wegen des geringen Freiraums nicht einsetzbar sind.
Allerdings müssten Fanggerüste und SLS mit der „wandernden“ Absturzkante versetzt werden. SLS könnten von mehreren Personen am Boden versetzt werden. Das Versetzen muss genau mit dem Montagefortschritt koordiniert werden. Dadurch wird sich die Akzeptanz für derartige Maßnahmen nur auf besonders geeignete Projekte beschränken.
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Modifizierter Seitenschutz
Auf der DACH+HOLZ 2022 in Köln konnte ein Seitenschutzsystem vorgestellt werden, das eigentlich zur Sicherung auf Flachdächern vorgesehen ist und mit Betonplatten beschwert wird. Zur Sicherung auf Decken- oder Dachelementen wurde es so modifiziert, dass es bereits auf dem Lkw auf das nächste zu montierende Element geschraubt werden kann. Dadurch ist der Seitenschutz sofort nach der Verlegung und Fixierung am Bauwerk wirksam (Abb. 5). Wenn bei der Verlegung noch das auf der anderen Dachseite gegenüberliegende Element fehlt, stellt auch der Firstrand eine Absturzkante dar. Bei der anschließenden Verlegung des gegenüberliegenden Elements kann der Seitenschutz am First entfallen. Mit zwei oder drei Seitenschutzsets kann eine beliebig große Decken- oder Dachfläche sicher verlegt werden. Sobald das Folgeelement verlegt und fixiert ist, wird der dann überflüssige Seitenschutz am ersten Element gelöst und zum Lkw auf das nächste Element gehoben. Natürlich verlangsamt sich der Takt der Verlegung etwas durch das Handling des Seitenschutzes. In der etwas längeren Wartezeit können aber Verschraubungen und Stoß-Abklebungen ausgeführt werden, die sonst erst nach Verlegung aller Elemente erledigt werden könnten. Damit ist der zeitliche Mehraufwand bei genauerer Betrachtung nicht mehr so groß.
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Ausgabe
BauPortal 3|2022
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