Höhenarbeiten, Absturzsicherheit
Sicher arbeiten in der Höhe
Das Thema Absturz spielt in fast allen Gewerken eine große Rolle: Ein Großteil der Unfälle passiert in geringen Höhen – oft unter zwei Metern – und häufig mit gravierenden Folgen. Umso wichtiger ist es, Absturzunfälle im Vorfeld zu verhindern. Dafür gibt es zahlreiche Lösungen. Wie diese in der Praxis eingesetzt werden und welche Ideen für ein sicheres Arbeiten einige Unternehmen darüber hinaus haben, veranschaulichen folgende Praxisberichte.
Seit vielen Jahren unterstützt die BG BAU mit ihren Arbeitsschutzprämien und zahlreichen Info-Medien die Prävention von Absturzunfällen. Seit 2020 wird die Investition in Lösungen zur Absturzprävention auch beitragsunabhängig gefördert, um insbesondere kleine Unternehmen zu unterstützen. Aber werden die Lösungen in der Praxis auch genutzt und welche Erfahrungen haben Unternehmen beim Einsatz gemacht? Die Redaktion der BauPortal stellt beispielhaft vier Lösungen im Praxiseinsatz vor.
SchwörerHaus KG:
Arbeitsdiele in Kombination mit Alu-Tritten als Alternative zur Bockleiter
Aufgrund der TRBS 2121 konnten wir die bisher genutzten Sprossen-Bockleitern nicht mehr einsetzen und suchten eine Alternative, die den gültigen Vorschriften entspricht. Da es auf dem Leitermarkt kein geeignetes Produkt gab, haben wir gemeinsam mit einem Leiterhersteller und der BG BAU ein Anforderungsprofil erstellt, das alle Beteiligten akzeptierten und das am ehesten den Ansprüchen und Gewohnheiten auf Baustellen entsprach. Denn die Monteurinnen und Monteure wollten lieber die bisherige alte Bockleiter einsetzen, weil die Erfahrung, Routine und Einsatzmöglichkeiten aufgrund der Platzverhältnisse für sich sprechen. Deshalb mussten wir eine Alternative finden, die durch andere Vorteile bei den Beschäftigten ebenfalls eine deutliche Zustimmung findet.
Der eingesetzte Alu-Tritt (dreistufig und vierstufig) entsprach den herausgearbeiteten Anforderungen. Die deutlich angenehmere, breitere und in verschiedenen Längen verfügbare Plattform bietet einen sicheren Stand und ermöglicht ein sicheres Bewegen – von dort aus können sich Nutzende sehr gut in alle Richtungen bewegen. Zudem bieten die breiten Stufen ein besseres Auftreten, was den Gebrauch deutlich angenehmer und sicherer gestaltet. Durch zusätzliche Anbauten – wie der Ablagebox am oberen Wangengelenk – gewinnt der Tritt an Attraktivität, denn es kann Werkzeug und Material abgelegt werden und dies auch trotz Zusammenklappen des Tritts und Weitertransport an einen anderen Aufstellort. Durch den Klappmechanismus lässt sich der Tritt mit einem Arm auf- und zuklappen. Ein umständliches Zusammenklappen des Tritts wäre ein Ausschlusskriterium gewesen, weil es einfach und schnell gehen muss und die Akzeptanz bei den Beschäftigten hohe Priorität hat. Kombiniert mit einer Arbeitsdiele, die zum System passt, bieten die Tritte vor allem im Trockenbau gute Bedingungen, um Arbeiten sicher auszuführen. Das System lässt sich ebenfalls mit nur einem Handgriff auseinanderbauen. Auch das trug zur Akzeptanz bei.
Durch diese Produkte haben wir eine deutlich sicherere Alternative zur bisherigen Bockleiter geschaffen, müssen aber einräumen, dass es noch eine ganze Zeit dauern wird, bis dieses System ganz selbstverständlich eingesetzt und als völlig normales Arbeitsgerät angesehen wird.
Richard Geiselhart, Leiter Montage
SchwörerHaus KG
Outfit GmbH:
Treppenfahrzeug als Alternative für Anlegeleitern (> 2,5 m)
Die Firma Outfit GmbH aus Hagen beschäftigt sich u. a. mit der Montage von Dach-Werbeobjekten, zum Beispiel auf Tankstellen und Schnellrestaurants. Bisher erfolgte der Aufstieg über Leitern, vorzugsweise über Anlegeleitern. Im Zuge der Diskussion um die Höhenregelungen und den Einsatz von Anlegeleitern wurde seitens BP und Aral eine Regelung aufgestellt, dass Dächer mit einer Anlegeleiter ab 2,5 m nur noch mit einer Absturzsicherung begehbar sind. Aufgrund dieser Regelung haben wir eine besondere Konstruktion – das Treppenfahrzeug – entwickelt und diese auch patentieren lassen. Mit dieser Konstruktion können unsere Beschäftigten sicher von Dächern auf- und wieder absteigen. Zudem ist auch die problemlose Rettung einer Person vom Dach möglich. Damit das Fahrzeug nicht aus Versehen losfährt, wenn noch Dacharbeiten ausgeführt werden, haben wir eine Wegfahrsperre integriert. Mit dieser wird das Fahrzeug am Fahren hindert, sobald der Aufstieg in Position gebracht worden ist.
Geplant sind auch weitere Produktionen des Treppenfahrzeugs, hier unterstützt uns die Firma Günzburger Steigtechnik mit den Komponenten.
Oliver Dickhage, Gesamtbetriebsleiter
Outfit GmbH
Ein Video zum Einsatz gibt es hier: outfit-gmbh.de/images/video/Outfit_Treppenfahrzeug.mp4
BOGDOL Gebäudemanagement GmbH:
Stufen-Glasreinigerleiter als Alternative zur Sprossenleiter
Die BOGDOL Gebäudemanagement GmbH ersetzte aufgrund der TRBS 2121-2 die bisher verwendeten Sprossenleitern durch Stufenleitern. Nach anfänglicher Skepsis während der Umstellungsphase kommt die neue Leiter mit Stufen bei den Glasreinigern sehr gut an. Frank Lindner, langjähriger Geselle bei der BOGDOL Unternehmensgruppe: „An das Tragen der Leiter musste ich mich erst gewöhnen, da die Stufen im Verhältnis zur Sprosse sehr breit sind. Jedoch ist das Arbeiten auf der Stufenleiter durch den neuen Standkomfort deutlich angenehmer, da das Fußbett optimal entlastet wird.“
Insgesamt betrachtet bietet die Stufenvariante herstellerübergreifend – im Vergleich zur herkömmlichen Sprossenanordnung – einen wesentlich erhöhten Trittkomfort und den Vorteil, dass die Leiter immer im richtigen Winkel angestellt werden kann. Sie ermöglicht ein wesentlich ermüdungsfreieres Arbeiten. Wegen der – gemäß TRBS 2121-2 – maximalen senkrechten Standhöhe bei 5 m und auch aufgrund des leichteren Ab- und Beladens vom und auf den Pkw haben wir nach einer ausgiebigen Testphase mit der ersten von uns beschafften (noch vierteiligen) Stufen-Glasreinigerleiter generell die Anzahl der Leiterteile auf drei je Fahrzeug begrenzt, wodurch die maximale Standhöhe von 5 m noch nicht einmal ganz erreicht wird. Das wird bei unserem Glasreiniger-Team auch durchweg positiv bewertet. Bei unseren Kunden, wo eine Standhöhe von über 5 m erforderlich ist, wird der Aufpreis für eine Hubarbeitsbühne weitgehend akzeptiert. Ebenso sind wir bemüht, wie auch von der BG BAU angestrebt, die Leiterarbeiten, wo es möglich ist, auf ein Mindestmaß zu reduzieren, um Absturzunfälle zu vermeiden.
Helmuth Nietzsch, Sicherheitsfachkraft
BOGDOL Gebäudemanagement GmbH, Hamburg
SPIE Deutschland & Zentraleuropa:
Ein-Personen-Hubarbeitsbühne statt Leiter
SPIE betreut u. a. den Neubau bzw. die Modernisierung von vier Frankfurter Schulen und ist auch für den anschließenden Betrieb zuständig. Im Rahmen dessen führt das Unternehmen alle Wartungen und Instandsetzungen an den technischen Anlagen durch. Hierbei müssen die Servicetechniker und -technikerinnen viele Arbeiten im Deckenbereich, wie z. B. den Austausch defekter Leuchtmittel oder die Arbeiten an den Heizungs- und Lüftungsanlagen, erledigen. Bisher mussten die Ausführenden sowohl die Leiter als auch die Arbeitsmaterialien an den jeweiligen Einsatzort tragen. Aufgrund der langen Wege und der Arbeit auf der Leiter beanspruchte dies nicht nur mehr Zeit. Sondern es beeinträchtigten darüber hinaus den Aufstieg und den Transport von Material. Durch die Anschaffung einer Hubarbeitsbühne änderte sich diese Situation und die Arbeitssicherheit unserer Mitarbeitenden wurde zunehmend verbessert.
Sie können jetzt die gesamten Arbeitsmaterialien gleichzeitig transportieren, haben einen sicheren Aufstieg zu den Deckenbereichen sowie eine größere Arbeitsplattform ohne Absturzgefahr. Wegen einer Breite von nur 75 cm können sie mit der Hubarbeitsbühne durch jede Tür fahren und mittels Aufzügen die Etagen problemlos wechseln. Angesichts der Arbeitshöhe von 4 m können 95 % aller Decken und Leuchten erreicht werden. Durch den Einsatz der Arbeitsbühne konnte der Gesamtaufwand beim Arbeiten in der Höhe von zwei bis drei Tagen auf zwei bis drei Stunden in der Woche reduziert werden. Auch der Arbeitsschutz konnte erheblich gesteigert werden, wodurch es zu weniger Absturzunfällen kommt.
Dr. Oliver Polanz, Head of HSEQ,
SPIE Deutschland & Zentraleuropa
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2021
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