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Bildmontage der fertig restaurierten Fassade der Victoriahöfe, ein denkmalgeschütztes Gebäude aus der Gründerzeit.
Visualisierung der restaurierten Fassade des Hauptgebäudes mit neuer Dachkuppel nach Fertigstellung | Bild: GBP-Architekten (Foto: Christoph Rokitta, Visualisierung: Davide Abbonacci)

Bauen im Bestand

Die denkmalgeschützten „Victoriahöfe“ bald im modernen Gewand

Bei der Sanierung der denkmalgeschützten „Victoriahöfe“ in Berlin erwies sich – wie oft bei Sanierungsprojekten – die denkmalgerechte Umsetzung als sehr anspruchsvoll und zeitintensiver als gedacht. So mussten nicht nur die speziellen Fassaden- und Stuckelemente des Bauensembles behutsam saniert werden, sondern sollte auch moderne Gebäude- und Klimatechnik in den Bau integriert werden. Vor allem die Aufstockung eines fünften Obergeschosses war mit umfangreichen und teilweise sehr aufwendigen Maßnahmen verbunden, um den statischen Anforderungen zu entsprechen.
 

Die Victoriahöfe zwischen Berlin-Mitte und Kreuzberg gehören zu den ein Jahrhundert alten Baudenkmalen Berlins. Einst Stammsitz der Victoria-Versicherungsgesellschaft mit 70.000 Angestellten deutschlandweit, umfasste der Gebäudekomplex zu Gründerzeiten um 1900 insgesamt zwölf Höfe. Infolge von Kriegswirren, einem verheerenden Brand und Zerstörung blieben bis heute neben dem wunderschönen Vorderhaus noch drei Höfe und Seitenflügel erhalten. Sie werden bis Mitte 2024 denkmalgerecht saniert und für eine multifunktionale gewerbliche Nutzung hergerichtet. Auftraggeber für dieses Projekt ist die Cresco, Capital Victoriahöfe Berlin, S.á.r.l.
 

Menschengruppe im Innenhof der Victoriahöfe. Sie stehen vor dem Gründerzeitgebäude.
Besichtigung der Baustelle mit der Baukammer Berlin
Bild: Besichtigung der Baustelle mit der Baukammer Berlin

 

Hohe Anforderungen verzögerten die Sanierungsausführung

Baubeginn war 2017. Eigentlich sollten die Bauarbeiten bereits erledigt sein. Doch wie oft beim Sanieren im Bestand hielt auch dieses Sanierungsprojekt viele Überraschungen parat. So fehlte es teilweise an ursprünglichen, dokumentierten Bauplänen. Zudem war es beispielsweise gar nicht so einfach, moderne Gebäudetechnik mit Ansprüchen des Denkmalschutzes zu verbinden. Besondere Vorsicht war bei Wandgemälden oder Stuck geboten. Die durften u. a. bei Wand- und Deckendurchbrüchen keinesfalls beschädigt werden. Jedes Farbtüpfelchen musste abgestimmt sein.
 

Fassade des denkmalgeschützten Gründerzeitgebäudes Victoriahöfe während der Sanierung. Vor dem Gebäude steht ein Gerüst.
Bild: Bärbel Rechenbach

 

Akribische Restaurierung der Fassade

Heute lässt die 130 m lange restaurierte Natursteinfassade des Hauptgebäudes kaum noch erahnen, was hinter ihren Mauern ablief und derzeit läuft. Noch ist sie hinter Baugerüsten und -netzen versteckt. Architekt Lars Hernler von GBP Architekten Berlin erläutert: „Die Zierbereiche aller Fassaden wurden so restauriert, dass Kriegsspuren als Zeitzeugen erhalten bleiben. Jedes demontierte Teil erhielt eine Nummer, damit es später wieder an den angestammten Platz montiert werden kann. Ebenso sorgsam blieben technische Raffinessen erhalten – wie z. B. die große Uhr an einer der hinteren Fassaden. Ihr Uhrwerk wurde ausgebaut, geschützt gelagert und kommt nach Fertigstellung wieder an Ort und Stelle. Um die Instandsetzung der massiven Metalltore im Gebäude kümmerten sich fünf verschiedene Schlosser, um jedes künstlerische Detail zu erhalten. Es ist heutzutage kompliziert, erfahrene Schlosser zu finden, welche die traditionellen Techniken noch in 1A-Qualität beherrschen. Doch wir haben sie gefunden.“

 

Demontierte dekorative Fassadenelemente aus der Gründerzeit sind auf Paletten gelagert.
Demontierte Fassadenelemente
Bild: Bärbel Rechenbach


Gemeinsam mit den Tragwerksplanern von Schüßler Plan und den ausführenden Unternehmen, u. a. der Dresdner Industrie und Wohnungsbaugesellschaft mbH, setzte das Architektenteam im Inneren eine Lösung um, die massives Mauerwerk und preußische Kappendecken mit neuen Betonbauteilen, Unterzügen und Stahlträgern kombiniert. Treppenhäuser wurden saniert und erweitert, Stuckelemente vorsichtig demontiert und wieder montiert sowie ein neuer Aufzug eingebaut.
 

Treppe mit altem Holzhandlauf.
Altes Treppengeländer, das ebenfalls restauriert wird
Bild: Bärbel Rechenbach
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Treppenhaus mit goldglänzenden Stahlgeländer von oben gesehen.
Treppenhaus mit modernem Geländer
Bild: Bärbel Rechenbach
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Schallisolierte Fenster und neue Kuppel

Da sich der Gebäudekomplex im stark frequentieren innerstädtischen Verkehrsbereichen befindet, wurden die inneren der originalen Kastenholzfenster durch schallisolierte ausgetauscht. Auch dadurch wird künftig viel Energie im Gebäude gespart. Den Haupteingang ziert jetzt eine neue Kuppel mit etwa 20 m Spannweite. Um die in das Gebäude einzuleitenden Lasten gering zu halten, wurden beide Kuppelenden mit Zugankern gekoppelt und der Geometrie des neuen Dachtragwerks angepasst.
 

Hohe Ansprüche an Bauphysik und Klimatechnik

Wie der GBP-Architekt hervorhebt, war der damalige Architekt, Wilhelm Walther, mit seiner Konstruktionsidee seiner Zeit weit voraus. Zentralheizung, hydraulische und elektrische Aufzüge gehörten bereits seinerzeit zur Ausstattung des Verwaltungstraktes – waren jedoch auch im Laufe der Jahre modernisierungsbedürftig geworden.

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Um die Luftvolumina in dem riesigen Bestandsgebäuden heute zu bewältigen, waren neue Lösungen der Bauphysik und Klimatechnik gefordert. Raumlüftung und Kühlung werden jetzt über ein großes Kühlsystem auf dem Dach gewährleistet. Vom Auftraggeber gefordert war auch, den alten Aufzugsschacht zu bewahren. Daher musste aufgrund der Statik ein völlig neues freistehendes Schachtgerüst in den alten Schacht eingebaut werden. Um alle Absturzsicherungen zu erfüllen, wurde der innere Schacht zudem noch mit Lochblech versehen.

Für eine sehr hohe Personensicherheit und optimalen Schutz der Technik in dem riesigen Bau sorgt eine neu verlegte Mittelspannungsanlage, die Strom aus dem Mittelspannungsnetz des Energieversorgers auf verschiedene Abnehmer aufteilen wird.
 

Statische Besonderheiten für das neue Dachgeschoss

Die größte Herausforderung für alle bestand in der Aufstockung eines fünften Obergeschosses. Dem Gebäude wurde eine Art Betonsarkophag aufgesetzt, der auf etwa 60 Stahlstützen steht. Diese wurden im Schlitzverfahren in die Außenwände eingelassen und reichen bis in den Keller. Für die neue Lastabfangung durch das gesamte Gebäude erhielt das Untergeschoss eine HDI-Unterfangung, um den Baugrund zu stabilisieren. Allein dafür brauchte es eineinhalb Jahre. Etage für Etage wurde das innere Mauerwerk entfernt und dann wieder neu aufgebaut und verankert. Jetzt sitzt das gesamte Obergeschoss auf einer getrennten statischen Konstruktion, bestehend aus Stahl und Stützen in den Wänden. Um die Dimension zu verdeutlichen, seien zwei Zahlen genannt: Etwa 650 t Bewehrungsstahl und etwa 300 t konstruktiver Stahl für die Stützen und Pfähle wurden verbaut. Bauleiter Joseph Hablik: „Ein riesiger Aufwand, der uns viel Zeit kostete, aber nötig war, weil das Gebäude statisch nicht mehr nachweisbar war und deshalb alle Fundamente mit Hochdruckinjektionen unterfüttert werden mussten.“
 

Neu errichtetes Dachgeschoss auf dem U-förmigen Gründerzeitbau.
Aufstockung mit einem fünften Obergeschoss und Dachterrasse
Bild: Bärbel Rechenbach


Angepasstes Brandschutzkonzept umgesetzt

Zum Erhalt und Nutzen des Kulturdenkmals spielen erhöhte Brandschutzmaßnahmen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Mit Standardlösungen war da nicht viel zu machen, weiß Joseph Hablik. Die Brandschutzsanierung im Sinne des Denkmalschutzes unter Einhalten aktueller Normen erforderte fast immer Sondergenehmigungen, die in Abstimmungen mit Sachverständigen, Feuerwehr und Denkmalschutz erarbeitet wurden. Mithilfe eines denkmalgerechten Brandschutzkonzeptes ließen sich genaue Brandabschnitte, Aufhängungen von Brandmeldeanlagen, das Aufschalten der Feuerwehr, neue Türen mit Feuerwiderstandklasse 60 und 90 und Rettungswege integrieren, ohne groß in die historische Substanz einzugreifen.
 

Sicherheit und Gesundheit im Vorfeld mitdenken

Wenn ein Baudenkmal wie die Victoriahöfe saniert wird, gelten besondere Sicherheitsanforderungen für die Bauteams. Joseph Hablik weiß aus Erfahrung, dass beim Sanieren von Bestandsgebäuden immer mit nicht erkannten oder nicht erkennbaren Gefahren gerechnet werden muss. Damit diese nicht zum Problem werden, müssen potenzielle Risiken von vornherein ausgeschlossen sein. „Wir achten streng auf regelmäßige Unterweisungen und das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung. Leider müssen wir trotzdem den einen oder anderen immer wieder darauf hinweisen, alle Schutzmaßnahmen einzuhalten. Nur den Bauhelm aufzusetzen, reicht nicht. Ich denke dabei vor allem an das Tragen von Atemschutzmasken oder Arbeitshandschuhen. Die Staubgefährdung bei trockenem Bohren, Flächenreinigung oder Schleifarbeiten in Bestandsgebäuden werden oft unterschätzt."
 

Baustelle an der Hauptstraße, eingezäunt.
Baustellenabsicherung
Bild: Bärbel Rechenbach


Staubarmes Arbeiten

Beim Bauen im Bestand entstehen hohe Staubbelastungen. Daher gilt es, alle Schutzmaßnahmen bereits in die Planung der Projekte mit einzubeziehen und ihre Umsetzung auch zu verfolgen. Dazu gehört zum einen, dass nicht nur PSA getragen wird, sondern auch, diese regelmäßig zu reinigen und zu prüfen, ob die Filter gewechselt werden müssen. Zum anderen sollten die Arbeitsmittel und -prozesse auf staubarmes Arbeiten ausgelegt sein, z. B. sollten Absaugungen und Luftreiniger nahe der Entstehungsstelle eingesetzt und die Abluft möglichst ins Freie abführt werden. Des Weiteren ist es wichtig, die Reinigung des Arbeitsplatzes regelmäßig und konsequent staubarm zu erledigen. Das heißt, dass Staubablagerungen (z. B. auch Staub auf der Arbeitskleidung) nicht trocken gekehrt und nicht abgeblasen werden, sondern mit Absaugen und Feuchtreinigung entfernt werden. Darüber hinaus sollte man die üblichen Hygienemaßnahmen beachten, z. B. vor den Pausen die Hände waschen und keine Nahrung am Arbeitsplatz aufnehmen und nicht rauchen.
 

Foyer aus der Gründerzeit mit Schutzvorrichtungen während der Sanierungsarbeiten.
Schutzvorrichtung im historischen Foyer
Bild: Bärbel Rechenbach


Sicheres Arbeiten auf Gerüsten

Schutzmaßnahmen gelten auch für andere mögliche Gefahren,  wie z. B. bei Arbeiten auf den Gerüsten. Hier gilt es unbedingt, auch die ab Januar 2019 geltenden neuen Vorgaben zum Schutz vor Absturz von Gerüsten einzuhalten. Diese sind in den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 2121, Teil 1) zusammengefasst. Philipp Saackel von der BPG Building Partners Group (vormals B+P Gerüstbau Wandlitz) weist darauf hin, dass die aufgestellten „Rux super“-Fassaden- und Innengerüste mit Kragkonsolen die Sicherheitsanforderungen des Deutschen Instituts für Bautechnik und der BG BAU erfüllen: „Sie lassen sich flexibel an die Geometrie des Gebäudes mit seinen Vorsprüngen anpassen, sodass jeder sicher an die Stelle gelangt, wo er arbeiten muss, und so Unfälle vermieden werden.“
 

Ein Bauarbeiter steht auf einem Gerüst im Innenhof der Victoriahöfe.
Bild: Bärbel Rechenbach


Ausblick

Schon Mitte 2024 soll das Gebäude an die neuen Mieter übergeben werden. Der Bauherr strebt ein Green Building sowie die Zertifizierung in LEED „Gold“ an und besitzt dafür beste Voraussetzungen. So weist er z. B. auf eine Einsparung von über 10 t CO2 pro Arbeitsplatz hin, die allein dadurch eingespart werden, weil das Bestandsgebäude nicht abgerissen und durch ein neues ersetzt wurde. Dies entspräche etwa 2.200 Hin- und Rückflügen zwischen Berlin und dem kanadischen Victoria.
 

Bildmontage der fertig restaurierten Fassade der Victoriahöfe, ein denkmalgeschütztes Gebäude aus der Gründerzeit.
Visualisierung der restaurierten Fassade des Hauptgebäudes mit neuer Dachkuppel nach Fertigstellung
Bild: GBP-Architekten (Foto: Christoph Rokitta, Visualisierung: Davide Abbonacci)

Projektdaten

Auftraggeber:
Cresco, Capital Victoriahöfe Berlin, S.á.r.l.


Architektur:
GBP-Architekten


Tragwerksplanung Lph 1–6, Konstruktiver Brandschutz, Bauzustände der
Gebäudegesamtstabilität, Lastermittlungen für Nachgründungsarbeiten:

Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH


Ausführende Firma:
Dresdner Industrie- und Wohnungsbaugesellschaft mbH
 

Autorin

Bärbel Rechenbach

Freie Baufachjournalistin


Ausgabe

BauPortal 2|2024