Zukunft des Bauens
Drohneneinsatz vor der Sanierung der Stadtkirche Langen
Um das Ausmaß des Schadens an Kirchendach und Kirchturm der Stadtkirche Langen zu dokumentieren und eine schnelle Kostenschätzung für die Sanierungsmaßnahme zu erstellen, wurden in Langen Inspektionsdrohnen eingesetzt.
Ende der 1990er Jahre war der Innenraum der evangelischen Stadtkirche Langen, eine im Jahr 1883 geweihte neugotische Hallenkirche aufwendig renoviert worden. Seitdem schmückt wieder ein dem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechender Sternenhimmel das Gewölbe, im Jahr 2016 wurden vier neue Glasfenster eingebaut. [1, 2]
Seit einiger Zeit sind mit bloßem Auge deutlich Wasserflecken im Gewölbe der Kirche sichtbar. Die behelfsmäßig vorgenommenen Dachreparaturen erfüllen ihren Zweck nicht mehr, das zuletzt 1958 [3] neu eingedeckte Dach der fast 150 Jahre alten Kirche leckt. Eine Ausdehnung des Schadens hätte weitreichende Folgen, dringend muss nun eine Sanierung der Außenbereiche in Angriff genommen werden. Die Kostenschätzung dafür muss zeitnah vorliegen, damit Fördermittel der Landeskirche rechtzeitig abgerufen werden können. Der betreuende Architekt entschied sich für die Nutzung von Luftaufnahmen durch Drohnen, um eine schnelle Kostenschätzung für die Sanierungsmaßnahme zu erstellen.
Drohnen und Rahmenbedingungen des Einsatzes
Mit dem Begriff Drohne bezeichnet man ferngesteuerte Luftfahrzeuge, bei einem gewerblichen Einsatzzweck spricht man vom unbemannten Flugobjekt. Viele Drohnen verfügen über GPS-Unterstützung und sensorbasierte Hinderniserkennung. Eine Flugdauer von 10 bis 25 Minuten ist je nach Rahmenbedingungen möglich.
Drohnen werden inzwischen vielfältig eingesetzt: Inspektionen im Bauwerksbereich, von Anlagen sowie Stromleitungen, Baustellenmonitoring und -dokumentation, Vermessung von Gebäuden, Grundstücken, Halden und Steinbrüchen, in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Tierrettung etc. Neben Einsätzen im Außenbereich kommen sie auch in Innenräumen (z. B. in hohen Gebäuden oder Anlagenbauteilen) zum Einsatz. [4, 5]
Drohnenflüge unterliegen rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich Versicherung, Kennzeichnungspflicht, Ausbildung des Copterpiloten, Beachtung von Datenschutz, Persönlichkeitsrecht, Urheberrecht und Flugrecht, teils abhängig vom Gewicht oder der Einsatzart. Für die gewerbliche Nutzung ist – je nach Gesetzeslage des Bundeslandes – ein Befähigungsnachweis oder ein Zertifikat über die Steuerung einer Drohne erforderlich. Der Betrieb von Drohnen mit einem Gewicht von mehr als 5 kg ist generell erlaubnispflichtig.
Ausgangssituation
Das Dach der Stadtkirche Langen, auch bekannt als „Dom der Dreieich“ [2], wurde vor einiger Zeit notdürftig repariert, doch das Wasser sucht sich bekanntlich seinen Weg. So kam es, dass das Gewölbe der Kirche durch Wassereinsickerungen bereits sichtbar beschädigt wurde. Bei einem heftigen Unwetter im Spätsommer 2019 brach dann zusätzlich noch die Kirchturmspitze partiell ab.
Planungsphase
Im Herbst 2019 hatte der betreuende Architekt die Aufgabenstellung, eine Kostenschätzung für die anstehende Dachsanierung anzufertigen. Hierfür war der zur Verfügung stehende Zeitraum eng gesteckt, da auch Zuschüsse der Landeskirche abgerufen werden sollten.
Vor Projektbeginn lag der Fokus der Sanierung auf dem Dach, den Kreuzblumen und den rückseitigen Fassadenbereichen. Der Kirchturm selbst war zunächst nicht Bestandteil des Sanierungskonzepts. Dem Architekten war klar, dass es aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich wäre, ein Gerüst für die notwendigen Inspektionsarbeiten aufzustellen. Für die Durchführung der Inspektion und der Kostenschätzung stand nur ein Zeitraum von einem Monat zur Verfügung. Die beste Lösung in dieser Situation war der Einsatz einer Inspektionsdrohne.
Der erste wichtige Planungsschritt folgte: Mit Hilfe einer kommerziellen App wurden die relevanten Parameter hinsichtlich der Durchführbarkeit von Drohnenflügen an der Kirche (Stichpunkte u. a. Auflagen und Lufträume – hier: Kontrollzone, Luftsperrgebiet und RMZ = Radio Mandatory Zone) überprüft. Das Projekt lässt sich in der App planen und validieren, auch Kontaktdaten der Behörden (Ordnungsamt, Polizei) wurden zusammengestellt. Bei der Teamzusammenstellung war entscheidend, die explizit für solche Lufträume qualifizierten Copterpiloten vorzuhalten und einzusetzen. Ein erstes Vorsprechen bei den zuständigen Luftaufsichtsbehörden verlief wie erwartet positiv. Im Vororttermin wurden die Besonderheiten der Lage der Kirche, direkt am belebten Wilhelm-Leuschner-Platz mitten im Zentrum, sowie die Kirche selbst in Augenschein genommen.
Der kircheneigene Bereich an der Nordfassade wurde als geeigneter Start- und Landeplatz für die Drohne identifiziert. Wichtig vor Ort war auch, den Abstand der vordersten Baumreihe sowie eine den Bereich überspannende Elektroleitung einzuplanen. Ein Blick in den Innenraum verdeutlichte das Ausmaß der Wasserflecken. Die Zustimmung des Bauamts der Landeskirche für den Drohneneinsatz lag dem Architekten schnell vor, sodass nach der Beauftragung die nächsten Planungsschritte folgten.
Schwerpunkte dieses Projekts war eine exakte Luftbild-Dokumentation des Ist-Zustands des Dachs, der Übergänge zwischen den Baumaterialien Stein und Holz, der rückwärtigen, schlecht oder gar nicht einsehbaren Fassadenbereiche der Querhäuser, Seitenschiffe und des Chors, des Zustands der Kreuzblumen und der Bereiche hinter den Fialen am Kirchturm. Der erforderliche Sanierungsaufwand sollte zunächst im Außenbereich (Dachneudeckung, Fassade) genau ermittelt, daraus resultierend die Kostenschätzung für die Sanierungsmaßnahmen aufgestellt werden.
Das Einholen der erforderlichen Genehmigungen vom Grundstückseigentümer und die Information der Anwohner seitens des Grundstückseigentümers folgten als Nächstes. Eine frühzeitige und sachliche Information zahlt sich hierbei aus. Je nach Umgebungssituation eines Bauwerks sind Absperrmaßnahmen im behördlichen Vorbereitungsprozess zu berücksichtigen und einzuplanen.
Im Rahmen der Drohnenflug-Vorbereitung sollte immer ein Zeitfenster für die Befliegungen angegeben werden, da der genaue Flugtag anhand von Wetterprognosen zeitnah bestimmt wird. Hierfür existieren nützliche Apps, die relevante Parameter für Drohnenflüge analysieren und auswerten und damit die Planung erheblich erleichtern. Checklisten sollten für alle Projektphasen geführt werden, hierzu gehören auch Risiko- und Gefährdungsanalysen. Selbstverständlich sind auch alle Bestimmungen des Datenschutzes und Persönlichkeitsrechts abgebildeter Personen zu beachten.
Ausführungsphase: Befliegung der Kirche
Am frühen Morgen wurden auch Ordnungsamt und Polizei über den konkreten Einsatztag nochmals in Kenntnis gesetzt. Start- und Landeplatz wurden vor Ort ausgewiesen und abgesichert, die Technik auf ihre Einsatzfähigkeit hin nochmals überprüft. Aufgrund der luftraumrechtlichen Beschränkungen erfolgte nun die Anmeldung bei der zuständigen Luftaufsicht.
Für die Kirche wurde vorab ein automatisierter Flugplan für den Übersichtsflug definiert. In regelmäßigen Längs- und anschließenden Querbahnen, sogenannter Kreuzflug, wurde die Kirche überflogen. Dabei wurden in regelmäßigen Abständen auf der voreingestellten Flughöhe und mit festgelegten Kameraeinstellungen die Aufnahmen ausgelöst. Zunächst erfolgten über der Kirche zwei Kreuzflüge auf unterschiedlicher Höhe. Für eine gezielte Aufnahme der ausgewählten Bauwerksschwerpunkte erfolgte dann der Wechsel zur Inspektionsdrohne mit den Detailflügen.
Zwischen den einzelnen Flügen, spätestens jedoch vor Beginn der Detailflüge, wurden die bereits aufgenommenen Luftaufnahmen vor Ort auf einem größeren Monitor zusammen mit dem Architektenteam, das der Befliegung beiwohnte, ausgewertet. So ließen sich direkt vor Ort weitere Inspektionsschwerpunkte setzen, die sich aus dem ersten Sichten des Bildmaterials ergaben. Bei der Begutachtung der Stadtkirche Langen durch Drohneneinsatz wurde deutlich, dass es sinnvoll ist, die Sanierungsmaßnahmen zu erweitern. Die Aufnahmen der oberen Kirchturmfassaden zeigten partiell Verfärbungen des oberrheinischen Sandsteins und bisher den Architekten unbekannte Sandsteinbearbeitung. Ohne die Luftaufnahmen wären diese Punkte durch das „Planungsraster“ der Sanierung gefallen, ebenso die Entfernung des Bewuchses hinter den Fialen. Die Aufnahmen der Bruchkante der Kirchturmspitze waren ebenfalls beeindruckend. Leider war es nicht möglich, zu dem Termin einen Steinmetz hinzuzuziehen, um direkt eine erste Einschätzung zu den bisher unbekannten Details zu erhalten. Es ist jedoch möglich, die Aufnahmen einem Steinmetz zur Kosteneinschätzung hinterher digital zur Verfügung zu stellen.
Nach Abschluss des letzten Flugs erfolgte die Abmeldung bei der Luftaufsicht, die Überprüfung des Materials vor dem Verpacken für den Transport sowie die Entfernung der Markierung des Start- und Landeplatzes. Insgesamt wurden von der Stadtkirche Langen während der zwei Übersichtsflüge 407 Aufnahmen und in vier Detailflügen weitere 360 Aufnahmen angefertigt. Die gesamte Einsatzzeit vor Ort betrug rund 4,5 Stunden, davon etwa 2 Stunden reine Flugzeit.
Auswertungsphase: Projektnachbereitung
Zurück im Büro erfolgten die Datensicherung auf geeigneten Medien und eine detaillierte Sichtung der Luftaufnahmen. Für die Stadtkirche Langen wurde wie vereinbart zusätzlich zur Gesamtfotodokumentation eine Kategorisierung der Luftaufnahmen in verschiedene Bauwerksbereiche und Schwerpunkte vorgenommen. Parallel erfolgte der Upload in die Weiterverarbeitungssoftware, um nach abgeschlossener Berechnung zeitnah das Orthofoto, eine verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Wiedergabe der Oberfläche mittels Luftaufnahmen, übergeben zu können. Erfahrungswerte zeigen, dass die Projektnachbereitung zeitlich nicht zu unterschätzen ist. Das Verhältnis von Befliegungsaufwand zu Nachbearbeitung liegt ca. bei 1:10, so auch für die Stadtkirche.
Zeitlich nachgelagert erfolgte die Berechnung der weiteren digitalen Ausgabeprodukte (digitales Gelände-/Oberflächenmodell, 3-D-Modell und Punktwolke) für weitere Vermessungen (Strecken, Flächen, Volumina, Höhenprofil) und das Setzen von Inspektionspunkten. Inspektionspunkte zeigen alle Aufnahmen an, die diesen speziellen Punkt des Bauwerks beinhalten.
In Langen wurden die erforderlichen Maßnahmen definiert, priorisiert und in der Kostenschätzung monetär zusammengestellt.
Mehrwert und Fazit
Bei der Inspektion von Bauwerken bieten Luftaufnahmen mit Drohnen sowohl beim Einsatz infolge eines Akutschadens als auch im Rahmen regelmäßigen Monitorings signifikante Zeit- und Kosteneinsparpotenziale – bei kurzer Vorbereitungszeit und Höchstmaß an Arbeitssicherheit. Die qualitativ hochwertigen Aufnahmen ermöglichen eine revisionssichere Dokumentation, können zu verschiedenen Ausgabeprodukten weiterverarbeitet und von weiteren Projektbeteiligten genutzt werden. Ein großer Vorteil der auch in Langen verwendeten, am Markt erhältlichen Software besteht darin, dass die Daten aus dieser in verschiedensten Formaten in andere Softwareprodukte exportiert werden können.Ingenieure, Architekten, Mitarbeiter in Bauämtern und Handwerker können die Daten anschließend in ihren eigenen Tools verwenden. Schnell und effizient lassen sich so z. B. Massen ermitteln und Leistungsverzeichnisse für Ausschreibungen erstellen. Auch eine erforderliche Einrüstung kann digital anhand des 3-D-Modells geplant werden.
Mit dieser Herangehensweise lassen sich wichtige Impulse für Denkmalschutz und präventive Denkmalpflege setzen, da sich so der historische Bestand schnell und kostengünstig erfassen lässt. Darüber hinaus ist auch die Befliegung oder der Scan von Innenräumen zur kostengünstigen Dokumentation und Vermessung möglich.
Literaturhinweise
- 1
- Borchard, Holger: Neue Schreiter-Fenster schmücken die Stadtkirche op-online.de, 29. Oktober 2016
- 2
- Evangelische Kirchengemeinde Langen
- 3
- Borchard, Holger: Drohnen sammeln Fotos und Daten für Dachsanierung –op-online.de, 2. November 2019
- 4
- Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V.
- 5
- Kaiser, Sabrina: Geld verdienen mit Drohnen & Multicoptern. Der professionelle Einstieg in das kommerzielle Drohnen- Fliegen, 2. Auflage, Zürich: Open Source Flight Systems GmbH, 2018, S. 15 – 39
Autorin
Ausgabe
BauPortal 3|2020