Bauen im Bestand
Authentische Erweiterung und Sanierung eines Hotels in Südtirol
Ein starkes Stück Neuanfang nebst technischen und energetischen Verbesserungen und völlig neuer Struktur für die Fassade: Damit wurde vor der Kulisse der Südtiroler Dolomiten – nur 25 Kilometer von Bozen entfernt – das ungewöhnliche Gebäude-Ensemble des Hotels Pfösl in Deutschnofen nach der Sanierung zum Hingucker.
Das 1950 errichtete Stammhaus des Hotels Pfösl übernahmen die heutigen Gastgeberinnen, die Schwestern Brigitte und Eva Zelger, schon 2007 von ihren Eltern. Sie verwandelten es, umgeben von 35 Hektar Wiesen und Wäldern, Stück für Stück in einen eindrucksvollen Ort zum Erholen und Auftanken. Ende 2016 begannen die Vorarbeiten zur Sanierung und Erweiterung des Hotels. Bei dem umfangreichen Bauvorhaben wurde das bestehende Gebäude-Ensemble komplett umgestaltet. Die zusätzliche Modernisierung des gesamten Spa-Bereichs krönt jetzt ein neues Schwimmbad mit Sole Infinity Pool und 25-Meter-Bahnen. Ebenfalls neu sind drei ungewöhnliche Chalets am Waldrand – aus heimischen Hölzern gebaut. Besonderer Blickfang ist aber ohne Zweifel die neue Holzfassade, die dem gesamten Gebäude einen spannenden Ausdruck verleiht.
Architektonische Planung
Seit 2016 befassten sich die Landesraumordnungskommission, die Gemeinde Deutschnofen und der Landesbeirat für Baukultur mit dem geplanten Umbau und der Erweiterung. Genau geprüft wurde der Durchführungsplan für die erweiterte Tourismuszone im Bauleitplan von Deutschnofen. Durch die intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten gelang es hier und auch für zukünftige Projekte, die Qualität derartiger Vorhaben durch eine möglichst sinnvolle architektonische Planung zu gewährleisten.
Den Architekturwettbewerb konnte das Architekturbüro bergmeisterwolf mit einer außergewöhnlichen Planung für sich entscheiden. Michaela Wolf und Gerd Bergmeister gewannen vor allem dank ihrer klar strukturierten und doch ungewöhnlichen Ideen zu Räumen, Materialien und Farben. Heute besteht das Gebäude-Ensemble aus dem Haupthaus des Bestandshotels, einem denkmalgeschützten Bauernstadel und mehreren Neubauten, die sich wie selbstverständlich in die bestehende Bausubstanz einfügen.
Haupthaus im Fokus
Die Planung zielte darauf, die Erneuerung des Haupthauses behutsam und radikal zugleich zu gestalten – behutsam im Klären und Herausarbeiten von Elementen, die die Wahrnehmung des Haupthauses in den Vordergrund stellen, radikal in der Beseitigung von störenden, überflüssigen Komponenten.
Durch grundlegende Strukturveränderungen und die neue architektonische Form des Hauses wurde der Wunsch der Bauherrinnen und des Bauherrn erfüllt, das Haupthaus als Ursprung stärker zur Geltung kommen zu lassen. So setzte man z. B. auf die Vereinfachung der Volumetrie des Haupthauses. Durch das Einsetzen horizontaler Elemente bekam das Gebäude eine neue harmonisierende Optik.
Gelungenes Miteinander von Hotel und altem Stallgebäude
Der zentrale Freiraum zwischen Hotel und dem ebenfalls erneuerten Stallgebäude wurde bewusst in das Konzept einbezogen: Der alte, denkmalgeschützte Bauernstadel steht als Spiegel für die neue Fassade dem Baubestand direkt gegenüber. So gestaltet wurde das freie Miteinander der Objekte betont. Für früher hier parkende Autos hat man östlich des Haupthauses einen Parkplatz geschaffen.
Formen, Farben und Materialien
Ergänzend zu den bevorzugten Hölzern Zirbe (Zirbelkiefer), Lärche und Fichte kamen als Baumaterialien Beton, Holz, Glas und natürliche Putze zum Einsatz. In der Gestaltung bevorzugten die Bauherrinnen und der Bauherr die Farben Schwarz und Weiß.
Im Haupthaus sind der Eingangsbereich mit Rezeption, Hotelbar, Panoramarestaurant und die Kamin-Lounge in einfachen linearen Strukturen gehalten. Alle Zimmer im Haupthaus wurden neu mit Holzfußböden und Zirbenholz an den Wänden ausgestattet.
Von Anfang an sehr beliebt bei den Gästen sind die drei neu gebauten Chalets am Waldrand. Die kompakten Häuser aus dunklem Holz von Fichte und Zirbe stehen auf Betonstützen, sie ordnen sich optisch in die Landschaftsstruktur ein und bilden eine passende Ergänzung des Ensembles.
Vorgestellte Fassadenkonstruktion
Ein besonderes Highlight ist die dem Bestand vorgestellte Fassadenkonstruktion in Lärchen-Brettschichtholz. Sie besteht aus einem Gitter aus verstärkenden schrägen Streben und horizontalen Riegeln. Die eingesetzten Streben sind zum Teil durchlaufend, zum Teil unterbrochen. Die horizontalen Profile wurden auf der Höhe der Deckenebenen und Balkonhandläufe positioniert.
Geschaffen wurde diese ungewöhnliche Fassade vom Holzbau-Unternehmen LignoAlp, das sich auf die Ausführung anspruchsvoller Gebäude in Holzbauweise und auf Dach- und Fassadenkonstruktionen aus dem Naturmaterial spezialisiert hat. Im Rahmen der Hotelerweiterung hat das Unternehmen die Planung, den Abbund und die Montage der Fassadenkonstruktion ausgeführt, darunter die vertikale Fassadenschalung in gebürsteter Lärche. Alle konstruktiven Teile der Fassade wurden in besonderen Bearbeitungsverfahren hergestellt, um die Dauerhaftigkeit der Strukturen zu gewährleisten.
Vorfertigung und Montage der Fassade
Das Hotel wurde seit seinem Bestehen mehrmals erweitert und hat deshalb einen unregelmäßigen Grundriss. Damit die neue Fassade millimetergenau dem Bestand angepasst werden konnte, hat man vorab eine digitale Bestandsaufnahme des Gebäudes vorgenommen und die vorgesetzte Holzfassade in 3-D geplant. Bei LignoAlp erfolgen viele Schritte bis zu den fertigen Bauteilen im Produktionswerk. Die vorgefertigten Holzbauteile lassen sich dann in wenigen Tagen auf der Baustelle montieren.
Bei der Planung des Zuschnitts und des Zusammenbaus berücksichtigen die Expertinnen und Experten die besonderen Eigenschaften des Baustoffs Holz. Bei den Fassadenaufbauten des Hotels Pfösl war es vor allem wichtig, auf die Dauerhaftigkeit der Bauteile zu achten, da sie den wechselnden Witterungsbedingungen ausgesetzt sind.
Aus diesem Grund wurden an den Bauteilen verschiedene im Holzbau übliche Bearbeitungen wie Abgratungen, Freischnitte und Fräsungen vorgenommen. Damit wird ein schneller Abfluss von Niederschlagswasser garantiert und stehendem Wasser vorgebeugt.
Arbeitsschutz beim Holzbau
Vor Baubeginn und bereits früh im Planungsprozess wurde von den Bauherrinnen ein Sicherheitskoordinator mit den Maßnahmen für den Arbeitsschutz beauftragt. Der Sicherheitskoordinator hat die Aufgabe, den Sicherheits- und Koordinierungsplan zu erstellen, in dem die möglichen Risiken auf der Baustelle überprüft und bewertet sowie Maßnahmen zur Vermeidung gefährlicher Situationen vorgeschrieben werden. Kritisch im Hinblick auf die Sicherheit der Baustelle sind nicht nur deren Typologie und Gegebenheiten, sondern vor allem auch das gleichzeitige Arbeiten mehrerer Unternehmen. In der Ausführungsphase überwacht der Sicherheitskoordinator die Angemessenheit der Dokumentation der Unternehmen und die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle. Außerdem passt er den Sicherheitsplan bedarfsweise an neue Gegebenheiten an.
Montage ohne Schutzgerüste
Zur Montage der Fassade war die Anbringung von Schutzgerüsten nicht möglich, deshalb wurde – unter Einsatz persönlicher Schutzausrüstung – von den Balkonen des Altbestands und von Hebebühnen aus gearbeitet. So konnten die Beteiligten trotz der Höhe sicher und zügig arbeiten.
Das Verbinden der komplexen Fassaden-Elemente erfolgte aufgrund ihrer Größe direkt auf der Baustelle. Die Holzbau-Fachleute werden gemäß den geltenden italienischen Arbeitsschutzbestimmungen fortwährend über einen sicherheitsgerechten Ablauf auf Baustellen ausgebildet.
Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung
Schon 1996 hatte der damalige Hotelchef und Vater der heutigen Gastgeberinnen Luis Zelger zukunftsorientierte Ansichten: Wozu benötigt man ein eigenes Heizkraftwerk, wenn man unmittelbar neben einer der größten Energiequellen der Region ansässig ist? So wurde bereits Ende der 1990er-Jahre ein Großteil der Energie vom Nachbarn, dem Holzbauunternehmen LignoAlp, bezogen. Heute benötigt man im Hotel Pfösl keinen Platz für Pellets o. Ä. Anknüpfend an diese bereits seit den 1990er-Jahren existierende wirtschaftliche Lösung brachte das Architekturbüro im neuen Bauvorhaben die Gebäudetrakte auf einen zeitgemäßen energetischen Standard.
Nur 88 Tage Bauzeit
Nach einer Planungsphase von etwas mehr als zwei Jahren ist die Bauzeit von nur 88 Tagen ein kleiner Rekord. Es wurde abgetragen, erneuert, gestützt und verstärkt. Nach den umfangreichen Umbauarbeiten und einem neu verbauten Volumen von 11.000 m3 umfasst das Pfösl jetzt insgesamt 24.000 m3. Entstanden ist ein Rückzugsort mit 62 weiträumigen Zimmern und Suiten, die zwischen 40 und 90 m2 groß sind.
Gelungene Umsetzung
Nach dieser intensiven Bauzeit von 88 Tagen wurden die Inhaber mit einer völlig neuen Optik des Hauses belohnt – und inzwischen auch mit einer Anzahl von Auszeichnungen, u. a.mit dem Hotel & Design Award 2017 in der Kategorie „Hotel/Architektur international“. Auch der Landesbeirat für Baukultur und Landschaft würdigte die Ergebnisse des Umbaus und der Erweiterung – in Bezug auf das Projekt selbst und auf das gesamte Vorgehen im Bauprozess.
Bauvorhaben:
- Umbau Gebäude-Ensemble
- Neubau dreier Waldchalets
- Energetische und optische Sanierung nach Niedrigenergiehaus-Standard
Bauzeit:
Anfang März bis Anfang Juni 2017
Bauherrinnen/Bauherr:
Brigitte Zelger, Eva Zelger, Daniel Mahlknecht
Architektur:
Architekturbüro bergmeisterwolf
Ausführungsplanung:
hb engineering
Holzbau:
LignoAlp
Bauaufgabe Holzbau:
- Demontage der bestehenden Balkongeländer
- Ausführungsplanung der neuen Fassade
- Vorfertigung der neuen Fassade
- Montage der Elemente
Autor
Ausgabe
BauPortal 4|2021
Das könnte Sie auch interessieren
Sanierung, Instandsetzung, Schadensbehebung
Aufwendige Instandsetzung des Wasserturms Borken
Am Wasserturm Borken lösten sich bereits erste Abplatzungen von der Fassade. Schäden an der Außenhülle legten außerdem die Vermutung nahe, dass die Wasserkammern undicht sind.
Zukunft des Bauens
Einfach Bauen: Forschungshäuser aus Holz, Mauerwerk und Beton
Drei in jeweils monomaterieller Bauweise aus Beton, Holz und Mauerwerk errichtete Häuser dienen als Gegenentwurf zu den immer komplexer werdenden Bauweisen.
Schalungs- und Gerüstbau
Schalung eines Kirchenneubaus in Budapest
Die Reformierte Kirche in Ungarn beauftragte das Bauunternehmen Kész mit dem Bau einer neuen Kirche. Kész setzte beim Bau der filigranen Konstruktionen in hoher Betonqualität auf die flexiblen Schalungssysteme von MEVA.