Unfall bei Kranarbeiten – haftet der Auftraggeber?
OLG Frankfurt, Urteil vom 17.03.2020 – 5 U 48/19
Sachverhalt
Der Auftraggeber beabsichtigte, einen Windpark mit zwölf Windkraftanlagen zu errichten. Er bestellte bei einem Kranunternehmer u. a. Kranleistungen für das Entladen der Lkw, die Montage der Stahltürme und die Anlagenmontage. Im Leistungsumfang waren darüber hinaus die Beistellung aller benötigten Kräne und Stapler samt Zusatzausrüstung, Kranpersonal sowie die Rüstmannschaft durch den Kranunternehmer enthalten.
Während der Arbeiten stürzte der Raupenkran in voller Aufrüstung mit einem ausgefahrenen Ausleger von ca. 140 Meter Länge um. Die unstreitige Ursache war ein fahrlässiger Fahrfehler des Kranfahrers beim Versetzen des Raupenkrans. Es entstanden ein wirtschaftlicher Totalschaden am Raupenkran sowie erhebliche Bergungs- und Aufräumkosten. Der Gesamtschaden belief sich auf über 2,5 Millionen Euro.
Der klagende Maschinenversicherer des Kranunternehmers begehrt Schadensersatz vom Auftraggeber in dieser Höhe aus übergegangenem Recht. Der Maschinenversicherer ist der Ansicht, der Kranfahrer sei als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers aufgrund eines typengemischten Mietvertrags tätig geworden, weswegen sich der Auftraggeber das Verschulden des Kranfahrers anrechnen lassen müsse. Das Landgericht Frankfurt/Main wies die Klage ab. Hiergegen legte der Maschinenversicherer Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt ein.
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Entscheidung
Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Der Auftraggeber hafte nicht für die entstandenen Schäden. Zwischen dem Auftraggeber und dem Kranunternehmer sei vorliegend ein Werkvertrag in Form eines Subunternehmervertrags und kein typengemischter Mietvertrag geschlossen worden. Daher sei der Kranführer weiterhin Erfüllungsgehilfe des Kranunternehmers und nicht des Auftraggebers.
Bei einem typengemischten Mietvertrag könne eine Haftung des Auftraggebers begründet sein, da er sich in diesem Falle das Verschulden des Kranfahrers anrechnen lassen müsse. Dies läge vor allem dann vor, wenn der Kranfahrer den Weisungen des Auftraggebers unterlegen hätte. Für die Abgrenzung sei entscheidend, ob ein bestimmter Werkerfolg – die Ortsveränderung von Gütern, so wie vorliegend – geschuldet sei. Der vorliegend pauschal vereinbarte Fixpreis indiziere darüber hinaus ebenfalls die Vereinbarung von Werkleistungen. Bei Mietverträgen hätte dagegen eher eine zeitbezogene Abrechnung vorliegen müssen. Dem Auftraggeber sei es vorliegend auch um die fachmännische Bedienkompetenz der Mitarbeiter des Kranunternehmers gegangen. Der Kranführer habe daher nicht vollumfänglich nach den Weisungen des Auftraggebers handeln sollen.
In einem solchen Fall hafte der Auftraggeber für das Verschulden des Kranfahrers nicht selbst, sondern weiterhin der Kranunternehmer.
Praxishinweis
Der Auftraggeber konnte sich glücklich schätzen, einen Werkvertrag mit dem Kranunternehmer vereinbart zu haben. In der Praxis werden durchaus die zuvor angesprochenen typengemischten Mietverträge abgeschlossen.
Ein solcher Vertrag lag z. B. dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 29.03.2018 (Az. 23 U 3839/17) zugrunde. Im dortigen Vertrag zwischen Auftraggeber und Kranunternehmer wurde die Überlassung von Hebezeugen (Autokran) samt Bedienpersonal zur Durchführung von Arbeiten nach Weisung (des Auftraggebers) vereinbart. Es kam ebenfalls zu einem Schaden durch einen Bedienfehler des Kranführers. Im Ergebnis wurde der Auftraggeber zum Ausgleich des Schadens verurteilt, da er sich das Verschulden des weisungsgebundenen Kranführers anrechnen lassen musste.
Auch wenn es paradox erscheint, dass der Auftraggeber für die verursachten Schäden eines betriebsfremden Kranfahrers haften soll, ist dies möglich. Es sollte daher sehr genau überprüft werden, was konkreter Vertragsinhalt sein soll. Hätte der Auftraggeber im Fall vor dem OLG Frankfurt die zuvor genannte Klausel vereinbart, hätte er höchst wahrscheinlich selbst für den Schaden über 2,5 Millionen Euro aufkommen müssen.
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Ausgabe
BauPortal 2|2022
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