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Mangel muss bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorliegen!

Nimmt der Auftraggeber die Leistung ohne Vorbehalt ab, hat das u. a. zur Folge, dass er in Bezug auf eine von ihm in der Folgezeit behauptete Mangelhaftigkeit der Leistung darlegungs- und beweisbelastet ist. Für die Beurteilung, ob die Leistung mangelhaft ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Die Mangelhaftigkeit der Leistung kann nicht allein mit einem nach der Abnahme eingetretenen Zustand begründet werden.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.07.2020 – 12 U 214/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen).
 

Sachverhalt

Die Beklagte (Auftraggeberin) beauftragte die Klägerin (Auftraggeberin) mit der Errichtung eines Holzrahmenhauses. Das Bauvorhaben wurde im Juli 2007 fertiggestellt und von der Beklagten bezogen. Im Rahmen einer Baubegehung im Januar 2008 hat die Beklagte die Leistungen mit Ausnahme der Be- und Entlüftungsanlage abgenommen. In Bezug auf die Be- und Entlüftungsanlage wurde die Abnahme „zurückgestellt“, bis diese durch die Herstellerfirma überprüft wurde. Diese Überprüfung erfolgte im Juni 2008, wobei es im hierüber gefertigten Protokoll abschließend heißt, dass die Anlage mangelfrei und ohne Vorbehalt übergeben wurde. Eine ausdrückliche Abnahme der Be- und Entlüftungsanlage wurde von der Beklagten in der Folgezeit aber weiterhin abgelehnt.

In einem selbständigen Beweisverfahren wurde daraufhin festgestellt, dass die Be- und Entlüftungsanlage keine die Funktion der Anlage beeinträchtigenden Mängel aufweist, das Haus aber nicht die geschuldete Dichte erreicht. Die Klägerin macht nun die restliche Werklohnforderung gerichtlich geltend und trägt vor, dass die Beklagte die Abnahme zu Unrecht verweigere und daher die Abnahmewirkung eingetreten sei. Zudem sei die unzureichende Dichtheit (Luftdichtigkeitswert von 1,5 h nicht eingehalten) des Hauses auf von der Beklagten selbst zu verantwortende Leckagen sowie auf bauliche Veränderungen nach Herstellung des Gebäudes zurückzuführen. Die Beklagte hält diverse Mängel dem entgegen und beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht.
 

Entscheidung

Die Werklohnklage hat Erfolg. Die Abnahmewirkung ist hier gem. § 640 Abs. 2 S. 1 BGB eingetreten. Die Beklagte hat die Abnahme der Be- und Entlüftungsanlage ohne Benennung von konkreten (wesentlichen) Mängeln zu Unrecht verweigert, da die Anlage nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mangelhaft war. Für nach der Abnahme reklamierte Mängel ist der Auftraggeber (hier die Beklagte) darlegungs- und beweispflichtig. Für die Beurteilung, ob ein (Bau-)Werk mangelhaft ist, kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Die Mangelhaftigkeit eines Werks kann daher nicht allein mit dem nach der Abnahme gegebenen Ist-Zustand eines Bauwerks begründet werden. Hier konnte jedoch im Rahmen der Beweisaufnahm kein Mangel an der Werkleistung der Klägerin hinsichtlich der Luftdichtigkeit des Gebäudes festgestellt werden. Demnach konnte auch nicht mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen werden, dass die im Verfahren festgestellte Überschreitung des allgemeinen Grenzwertes von 1,5 h auf fehlerhafte Leistungen der Klägerin zurückzuführen ist.
 

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Praxishinweis

Dass es für die Beurteilung der mangelhaften Leistung auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommt, bereitet in der Praxis oft Schwierigkeiten, nicht nur bei der Beweisbarkeit. Der Auftragnehmer haftet nur für solche Sachmängel, die in ihrer Ursache schon zum Zeitpunkt der Abnahme mangelhaft waren. Verschleißteile beispielsweise sind aber in der Regel zum Zeitpunkt der Abnahme mangelfrei, werden also erst während der Gewährleistungsfrist mangelhaft. Somit entfällt eine Haftung des Auftragnehmers, wenn Verschleißteile während der Gewährleistungsfrist schadhaft werden, zum Zeitpunkt der Abnahme aber mangelfrei waren. Beruhen Abnutzung oder Verschleiß kausal auf einem Mangel, so stellen sie einen Sachmangel dar. Beruhen sie dagegen ausschließlich auf dem vertragsgerechten Gebrauch (natürliche Abnutzung) oder auf einem außergewöhnlichen (unsachgemäßen) Gebrauch, handelt es sich um Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen, die nicht auf Mängeln des Werkes im Zeitpunkt der Abnahme beruhen. In diesen Fällen stellen Verschleiß- und Abnutzungserscheinungen keinen Sachmangel dar.

Weiterhin ist zu beachten, dass auch der Wartungsvertrag, der in der Regel erfolgsorientierte Leistungen beinhaltet, je nach Ausgestaltung dem Werkvertragsrecht unterfällt. Demnach ist auch hier für jede Wartung eine Abnahme nötig. Zumeist erfolgt diese in der Praxis konkludent, indem nach Übergabe der entsprechenden Dokumentation, Rechnungslegung und Bezahlung, die Anlage gleichzeitig genutzt bzw. weiterbenutzt wird. Für jede Wartungsleistung können demnach selbst Mängelansprüche entstehen, die der Verjährung unterfallen und für die jeweils eine gesonderte Gewährleistungsfrist läuft.

Zu beachten sind daneben die modifizierenden Vorschriften der VOB/B, falls diese wirksam in den Vertrag (VOB/B-Werkvertrag) einbezogen wurden.
 

Autor

Rechtsanwalt Frederic Jürgens

GSK Stockmann


Ausgabe

BauPortal 1|2024