Bauhandwerkersicherung: Gericht darf keinen Schätzabschlag vornehmen!
Immer mehr Projektentwicklern droht die Insolvenz. Diese Entwicklung in der Baubranche stellt die Unternehmer vor die Frage, wie sie sich vor den Risiken einer „Pleite“ ihres Auftraggebers schützen können. Die Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB rückt dabei immer weiter in den Vordergrund. Auch das aktuelle Urteil des BGH trägt einen Teil zur steigenden Attraktivität dieses Sicherungsinstruments bei.
BGH, Urteil vom 17.08.2023 – VII ZR 228/22
Sachverhalt
Der klagende Unternehmer kündigte das Werkvertragsverhältnis nach § 650 Abs. 5 BGB und beanspruchte die Stellung einer Sicherheit nach § 650f BGB für die noch offene „große Kündigungsvergütung“ (= vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs). Das Kammergericht hielt eine anderweitige Einsatzmöglichkeit für das freigesetzte Personal „unter Berücksichtigung der andauernden Baukonjunktur und des großen Umfangs der kündigungsbedingt entfallenen Leistungen“ für hinreichend wahrscheinlich und brachte 20 % der „spitz abgerechneten Vergütung“ zulasten des Unternehmers in Abzug.
Dies war dem Beklagten nicht genug. Mit der Revision erstrebte er die vollständige Klageabweisung.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Beklagten als unbegründet zurück.
Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Unternehmer den Bauvertrag wirksam gem. § 650f Abs. 5 BGB gekündigt habe. Der schlüssige Vortrag des Klägers zur Höhe der „großen Kündigungsvergütung“ reiche dabei aus, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherheit zu bemessen. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit komme dabei nicht Betracht. Für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO, wonach das Gericht den Umfang eines etwaigen anderweitigen Erwerbs des Unternehmers schätzen könne, bestehe kein Raum. Der Bezugspunkt des Kammergerichts, nach dem es auf die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Durchsetzung der Werklohnforderung des Unternehmers im Vergütungsprozess ankomme, sei unzutreffend. Die Höhe der Sicherheit sei unabhängig davon zu bemessen, ob und in welchem Umfang sich der Vergütungsanspruch aufgrund anderweitigen Erwerbs möglicherweise verringert.
Praxishinweis
Unternehmer können für ihre Werkleistungen und Nebenforderungen eine Sicherheit nach § 650f BGB verlangen. Dies dient dem Schutz des vorleistungspflichtigen Unternehmers. Einmal verbaute Materialien gehen in das Eigentum des Grundstückseigentümers über und können vom Unternehmer nicht mehr entfernt werden. Auch dann nicht, wenn der Werklohn ausbleibt, weil der Auftraggeber zahlungsunwillig und/oder zahlungsunfähig ist!
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Der Unternehmer hat deshalb einen Anspruch auf Sicherheit in Höhe von 110 % des vereinbarten, aber noch nicht gezahlten Werklohns. Der Unternehmer kann die Sicherheit sofort nach Vertragsschluss verlangen. Das Recht auf Sicherheit erlischt durch Kündigung und Abnahme nicht.
Kommt der Auftraggeber dem Sicherungsverlangen nicht rechtzeitig nach, kann der Unternehmer seine Leistungen sofort einstellen, bis die Sicherheit gestellt wurde, oder den Vertrag fristlos kündigen. Nach einer solchen Kündigung hat der Unternehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung; muss sich allerdings dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart hat (z. B. Materialkosten) oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft (z. B. durch sog. Füllaufträge) erwirbt.
Um den Anspruch auf Sicherheit zu begründen, genügt die schlüssige Darstellung seines Werklohns (vereinbarte Vergütung abzüglich geleisteter Zahlungen + 10 %).
Die Sicherheit nach § 650f BGB sichert den Unternehmer, indem dieser den Vertrag kündigen und wie geschildert abrechnen kann. Stellt der Auftraggeber jedoch rechtzeitig die Sicherheit, muss ihm der Unternehmer die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2 % für das Jahr erstatten. Dies kann je nach Höhe der Sicherheit und Dauer des Bauvorhabens nicht unerhebliche Kosten nach sich ziehen.
Autor
Ausgabe
BauPortal 4|2023
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