Gesundheit
Luftversorgung bei Strahlarbeiten
Beschäftigte müssen bei Strahlarbeiten gegen die freiwerdenden Aerosole geschützt werden. Atemschutzgeräte mit eigener Luftversorgung schaffen Abhilfe, die praktische Anwendung erfordert allerdings einige Vorkehrungen. Welche das sind, ist in einer neu erschienenen DGUV-Publikation des Fachbereichs Holz und Metall zusammengefasst.
Bei Freistrahlarbeiten ist zum Schutz vor Gesundheitsschäden ein geeigneter Atemschutz erforderlich, denn Strahlarbeiten setzen in der Regel große Mengen an Aerosolen frei. Die Aerosole treten je nach Strahlverfahren als Stäube, in Tröpfchenform oder als deren Mischung auf. Entstehende Strahlstäube setzen sich aus dem Strahlgut, den darauf befindlichen oder darin enthaltenen Verunreinigungen und den Strahlmitteln zusammen. Tröpfchen entstehen zum Beispiel aus der Strahlflüssigkeit und deren Zusätzen sowie aus Ölen, die zum Korrosionsschutz auf den zu strahlenden Oberflächen eingesetzt werden.
Strahlarbeiten, bei denen quarzhaltige Stäube freigesetzt werden, können eine Berufskrankheit, die „Chronische obstruktive Bronchitis (COPD) durch Quarzstaub“, auslösen.
Schutz vor Aerosolen bei Strahlarbeiten
Beschäftigte, die Strahlarbeiten mit handgeführten Strahlgeräten durchführen, sollten deshalb durch ein umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät (Isoliergerät) mit Atemluft versorgt werden, um nicht Gefahr zu laufen, Strahl-Aerosole einzuatmen.
Typische Einsatzgebiete sind das Frei strahlen mit Feststoffen oder Flüssigkeiten − auch mit Beimischungen von Reinigungsmitteln und Feststoffen −, das Hochdruckwasserstrahlen und das Trockeneisstrahlen.
Bei Freistrahlarbeiten an wechselnden Arbeitsplätzen, wie etwa auf Baustellen oder in betrieblichen Anlagen, ist eine geeignete Atemluftversorgung von entscheidender Bedeutung. Dort steht in der Regel kein getrenntes Atemluftnetz zur Verfügung, sondern man nutzt mobile Kompressoren, die sowohl die Prozessluft als auch die Atemluft vor Ort erzeugen. Bei Verwendung solcher mobilen Systeme spielt selbstverständlich auch die Qualität der angesaugten Luft eine zentrale Rolle für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Die Luft darf keinerlei Staub und Abgase kraftstoffbetriebener Arbeitsmittel enthalten. Fehler oder Störungen führten in der Vergangenheit bereits mehrfach zu schweren Gesundheitsschäden oder gar zum Tod.
Die Komponenten mobiler Luftversorgungssysteme
Atemschutz als persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist gemäß der europäischen Verordnung 2016/425 PSA-Verordnung der PSA-Kategorie 3 zugeordnet. Um bei Strahlarbeiten mit Atemschutzgeräten lebensbedrohliche Situationen durch den Ausfall einzelner Komponenten des Luftversorgungssystems oder gar des Gesamtsystems zu vermeiden, sind Funktionsprüfungen wie auch regelmäßige Wartungen des Kompressors unerlässlich. Notwendige Qualifikationen und Intervalle ergeben sich aus den Angaben der Normenreihe ISO 8573.
Der mögliche Ausfall jeder Komponente ist in der Gefährdungsbeurteilung unter den Rahmenbedingungen des Einsatzorts zu bewerten. Daraus abgeleitete Maßnahmen müssen stets erfüllt werden.
1 Druckluftversorgung
2 Vorfilter mit Druckminderer
3 Druckluftfilter mit Wasserabscheider und Manometer*
4 Druckluftzuführungschlauch*
5 Gurtteil mit Kupplung und Regelventil*
6 Atemschlauch
7 Strahlschutzhaube oder -helm mit Regulierventil, Luftkühler oder Lufterwärmer
8 Strahlschutzanzug und Schutzhandschuhe
9 CO-Warngerät/Gerät zum CO-Nachweis - ausklappbare Fahne zur Warnung bei zu geringem Atemluftstrom
10 Druckluftschlauch
11 Druckluftspeicher für Strahlgerät
12 Klemmbock („Schlauchquetsche“)
* = Bestandteile des Atemschutzgeräts
Checkliste sichere Luftversorgung durch zuverlässige Komponenten:
- Schlauchmaterial: Für Atemschutzgeräte dürfen nur vom Hersteller zugelassene Schläuche mit entsprechender Kennzeichnung verwendet werden. Die Schläuche sind Teile des zertifizierten Atemschutzgeräts.
- Durch beschädigte Schläuche kann die Luftversorgung unterbrochen werden oder von außen können Gefahrstoffe in die Atemluft gelangen. Schläuche dürfen weder geknickt noch gequetscht werden und nicht in Kontakt mit scharfen Kanten oder Lösemitteln kommen.
- Schlauchkupplungen (in Abhängigkeit von der Schlauchlänge): nur die vom Hersteller (in der Betriebsanleitung) vorgegebene Art und Anzahl von Kupplungen verwenden. Jede Kupplung verengt den Luftdurchlass, führt zu Druckverlust und stellt damit eine Systemschwachstelle dar.
- Mindestens 160 bis 200 Liter Atemluft je Minute muss die Luftversorgung bereitstellen. Sollte der Mindestvolumenstrom des Atemschutzgeräts durch Beschädigungen oder Fehlbedienung unterschritten werden, muss das System alle unmittelbar Beteiligten warnen – bestenfalls optisch und akustisch!
- Filter reinigen die angesaugte Umgebungsluft von Schadstoffen und Mikroorganismen. Sie sind zu tauschen, bevor sie verstopfen oder ihre Funktion verlieren. Maßgebend für ihre Nutzungsdauer sind die jeweiligen Einsatzbedingungen.
- Ölreste gelangen häufig betriebsbedingt in den Luftkreislauf und verkürzen die Nutzungsdauer der Filter teils erheblich.
- Beim Betrieb der Luftversorgung und durch äußere Einflüsse bildet sich im System Kondenswasser, das regelmäßig entfernt werden muss.
- Die Kompressoren zur Druckluftversorgung sind so aufzustellen, dass weder Abgase aus der Umgebung oder aus dem Kompressorantrieb selbst noch sonstige Schadstoffe angesaugt werden.
- Besonders tückisch an dieser Stelle ist die Konzentration von Kohlenmonoxid (CO). Zum Schutz vor dem tödlichen Atemgift empfiehlt sich ein CO-Warnsensor.
- Beim Trockeneisstrahlen besteht Erstickungsgefahr, sollte Kohlendioxid (CO2) in die Atemluft gelangen. Auch an dieser Stelle ist die richtige Platzierung des Kompressors entscheidend. Zusätzlich ist der Schutz weiterer Personen (Drittschutz) zu gewährleisten.
- Um mikrobiologische Verunreinigungen zu vermeiden, kommt es auf die Pflege und Wartung der Komponenten an: Schläuche trocken und verschlossen lagern, Filter turnusgemäß oder bei Bedarf wechseln.
- Im Einsatz wichtig: Wegen der geringen Luftfeuchte in der Atemluft sollten die Beschäftigten im Rahmen der Strahlarbeiten regelmäßig Pausen machen und ausreichend trinken.
Umgebungsfaktoren: Systemsicherheit und Atemluftqualität
Die Auslegung des Systems ist abhängig von den Bedingungen, unter denen Strahlarbeiten durchgeführt werden. Finden die Arbeiten
- im Freien bei guter Sicht- und Rufverbindung,
- an schwer zugänglichen oder hochgelegenen Arbeitsplätzen,
- in engen Räumen (Kessel, Tanks, Silos, Katalysatoren etc.) gegebenenfalls unter sauerstoffreduzierter Schutzgasatmosphäre TRGS 507 „Oberflächenbehandlung in Räumen und Behältern“
statt?
Danach richtet sich zum einen, wie Schutz- und Rettungskonzepte anzulegen sind, zum anderen, ob zusätzliche Komponenten, etwa eine redundante Luftversorgung, gebraucht werden.
Die zugeführte Atemluft darf unter keinen Umständen Verunreinigungen in einer Konzentration enthalten, die toxische oder gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann. Die DIN EN 12021, in Fachkreisen als „Atemluft-Norm“ bezeichnet, legt sowohl Grenzwerte für die einzelnen Luftbestandteile als auch den Anteil des enthaltenen Wassers fest.
Ob ausreichend Luft bei den Beschäftigten am Atemschutzgerät ankommt, muss fortwährend überwacht werden. Der sogenannte Mindestvolumenstrom darf keinesfalls unterschritten werden. Um das dauernd zu garantieren, muss die persönliche Schutzausrüstung, also Anzug oder Helm bzw. Haube über eine funktionsfähige Warneinrichtung verfügen.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Bei Strahlarbeiten sollte ein Sicherungsposten die Geräte, insbesondere die Luftversorgung überwachen und die Arbeitsstelle absichern. An schwer zugänglichen Orten oder engen Räumen, an denen kein Sichtkontakt zwischen den Beschäftigten und Sicherungsposten herrscht, müssen die Beteiligten über eine technische Kommunikationsverbindung verfügen. Bei Strahlarbeiten empfiehlt es sich generell, per Funk oder auch kabelgebunden in Kontakt zu bleiben. Die in Helm oder Haube verringerte Sicht sowie der Lärm der Strahlarbeiten und Kompressorgeräusche schränken die Wahrnehmung der Beschäftigten ein. Konkrete verbale Hinweise dringen in den meisten Fällen schneller durch und sind im Zweifel weniger missverständlich als optische Signale oder Handzeichen. Dennoch entscheiden die jeweiligen Gegebenheiten am Einsatzort, wie die Beteiligten am besten miteinander kommunizieren.
Betriebliche Voraussetzungen für den Einsatz von Atemschutzgeräten
Aufgrund ihrer lebenswichtigen Funktion erfordern Atemschutzgeräte von Nutzerinnen und Nutzern eingehende Kenntnisse im Umgang und gut geschulte praktische Fähigkeiten. Um das zu gewährleisten, sind Unterweisungen mit praktischen Übungen unabdingbar und durch nichts zu ersetzen! Dazu kommen Wartungs- und Prüfungsaufgaben an den Atemschutzgeräten, die je nach betrieblichen Gegebenheiten auf mehr oder weniger Schultern verteilt werden. Um Atemschutzgeräte sicher und zuverlässig zu verwenden, sind folgende Verantwortlichkeiten zu organisieren:
- atemschutzgerättragende Personen,
- befähigte Personen für die Wartung von Atemschutzgeräten,
- Unterweisende im Atemschutz,
- Ausbildende im Atemschutz,
- atemschutzkoordinierende Personen.
Nicht selten spezialisieren sich Beschäftigte innerhalb des Unternehmens auf das Thema und übernehmen mehrere Verantwortlichkeiten. Alternativ kommen dafür auch externe Dienstleister infrage.
Welche Ausbildungsvoraussetzungen, -inhalte und -umfänge sowie turnusmäßigen Qualifikationsmaßnahmen für den Betrieb verschiedener Typen von Atemschutzgeräten notwendig sind, ist im DGUV Grundsatz 312-190 „Ausbildung, Fortbildung und Unterweisung im Atemschutz“ umfänglich aufgeführt.
Arbeitsmedizinische Vorsorge und Eignung
Beim professionellen Einsatz von Atemschutzgeräten ist den Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge zu gewähren. Je nach Gerätetyp ist entweder eine Pflichtvorsorge oder eine Angebotsvorsorge vorgesehen. Beschäftigte können unter gegebenen Umständen auch eine Wunschvorsorge erhalten. Unter bestimmten Umständen kann auch eine Beurteilung der physischen und psychischen Eignung von Beschäftigten für Strahlarbeiten unter Atemschutz durch die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt erforderlich sein.
Alle Informationen auf einen Blick
Die ausführliche Betrachtung aller Aspekte bei der Verwendung mobiler Luftversorgungssysteme für die Versorgung mit Atemluft bei Strahlarbeiten ist in der Publikation „Fachbereich AKTUELL – FBHM 131“ profund und praxisorientiert zusammengestellt. Die Schrift beruht auf dem durch die Fachbereiche „Holz und Metall“, „Persönliche Schutzausrüstungen“ und „Bauwesen“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie aus Fachverbänden zusammengeführten Erfahrungswissen im Umgang mit Systemen zur Atemlufterzeugung.
Autor
Ausgabe
BauPortal 1|2023
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