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Intensive 38. Münchner Gefahrstoff- und Sicherheitstage

Zwei Frauen, eine links und eine in der Mitte stehend, rechts ein Mann am Stehpult auf einer Bühne.
Eröffnung der Veranstaltung durch Prof. Dr. Anke Kahl (li.) und Dr. Birgit Stöffler
Bild: Süddeutscher Verlag Veranstaltungen GmbH


Vom 23. bis 25. November 2022 fanden in München die 38. Münchner Gefahrstoff- und Sicherheitstage statt. Neben zahlreiche Expertinnen und Experten nahmen auch viele Interessierte digital per Livestream teil und informierten sich unter anderem über aktuelle Änderungen im Gefahrstoffrecht, hinsichtlich arbeitsmedizinischer Vorsorge bei krebserzeugenden Stoffen und zum Regelwerk beim Atemschutz der DGUV. Ausgewählte Vorträge werden hier vorgestellt.
 

Eröffnet wurden die Gefahrstoff- und Sicherheitstage, die vom Süddeutschen Verlag organisiert wurden und 2022 als Hybrid-Veranstaltung stattgefunden hatten, von Prof. Dr. Anke Kahl von der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik der Bergischen Universität Wuppertal und von Dr. Birgit Stöffler von der TU Darmstadt. Fast 160 Teilnehmende informierten sich zu aktuellen Themen aus dem Gefahrstoffrecht, zu krebserzeugenden Gefahrstoffen und Änderungen in der Gesetzgebung u. v. m. Darüber boten eine umfassende Fachdiskussion zum Thema Chemikalienrecht sowie zwei Praxisseminare zu den Themen „Sicherheitsdatenblätter: Plausibilitätsprüfung mit SDBcheck®“ und „Arbeitsschutzmaßnahmen bei Lithium-Ionen-Batterien“ Gelegenheit zum vertieften Austausch.
 

Aktuelles aus dem Bereich Gefahrstoffe

Über „Neues aus dem Ausschuss für Gefahrstoffe“ berichtete Dr. Martin Henn von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die geplante Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung verzögert sich weiterhin. Wesentliche Aspekte der neuen Gefahrstoffverordnung sind die Aufnahme des Risikokonzepts für krebserzeugende Stoffe, neue Regelungen zu Asbest und die Thematik Biozide, Schädlingsbekämpfung und Begasung. Dr. Henn war zuversichtlich, dass die neue Gefahrstoffverordnung im nächsten Jahr veröffentlicht wird.
 

Identifikation von Gefahrstoffen

Das Messen von Gefahrstoffen und das Beurteilen der Messergebnisse war Inhalt verschiedener Vorträge. So stellte z. B. Anette Fey von der analyticon instruments gmbh verschiedene Messgeräte zur qualitativen und quantitativen Bestimmung von Gefahrstoffen vor. Der Vorteil vieler Geräte ist, dass sie transportabel sind und somit Messungen vor Ort zulassen. Die Nachweisgrenze liegt meist im Prozentbereich, was für bestimmte Gefahrstoffe problematisch ist.
 

Gefahrstoffe am Arbeitsplatz – Arbeitsplatzgrenzwert, Immissionsgrenzwert oder Innenraumrichtwert?

Mit der Bewertung der Messergebnisse beschäftigte sich der Vortrag von Dr. Ralph Hebisch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die Bewertung ist abhängig von der Tätigkeit. So unterliegen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen der Gefahrstoffverordnung und müssen entsprechend der Gefahrstoffverordnung bewertet werden. Anders ist es mit Tätigkeiten, bei denen es aufgrund externer Kontaminationen zu einer Belastung durch Gefahrstoffe kommt. Bei diesen Tätigkeiten ist die Arbeitsstättenverordnung anzuwenden.
 

Arbeitsplatzgrenzwerte

Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen werden die Gefahrstoffe aus den verwendeten Produkten (z. B. lösemittelhaltige Klebstoffe) oder aus den bearbeiteten Materialien (z. B. Holz, Beton, Schweißer-Elektroden bzw. das geschweißte Metall) freigesetzt. Die inhalative Belastung wird anhand von Arbeitsplatzgrenzwerten (TRGS 900), Beurteilungsmaßstäben (z. B. für Quarzstäube) sowie Toleranz- und Akzeptanzwerten (TRGS 910) bewertet. Die exakte Beurteilung erfolgt dann unter Berücksichtigung von Schichtmittel-, Kurzzeit- und Momentan-Werten. Aufgrund der unterschiedlichen Quellen besteht die Gefahr, Grenzwerte zu „übersehen“. Hier bietet die BAuA eine Zusammenstellung aller Luftgrenzwerte mit Angabe der Quelle an.
 

Blick in den Vortragsraum. Die Teilnehmenden sitzen an Tischen und sind von hinten zu sehen. Vorne referiert ein Mann am Stehpult.
Bild: Süddeutscher Verlag Veranstaltungen GmbH


Innenraumrichtwerte

Handelt es sich bei den Arbeitsplätzen z. B. um Büroarbeitsplätze, wäre eine Belastung durch die Freisetzung aus Böden oder Wänden bzw. durch belastete Luft aus angrenzenden Bereichen mit Gefahrstoffverarbeitung möglich. Für die Beurteilung ist die Arbeitsstättenverordnung anzuwenden. Diese verlangt, dass während der Nutzungsdauer ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden ist. Dabei orientiert man sich meist an der Außenluft. Da diese aber auch belastet sein könnte, können hier die Richtwerte I/II des Ausschusses für Innenraumrichtwerte (AIR) herangezogen werden.


Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Stoffen

Über den sicheren Umgang mit krebserzeugenden Stoffen referierte Clemens Magerkurth vom Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw). Krebserzeugende Stoffe haben entsprechend der Gefahrstoffverordnung eine Einstufung als krebserzeugend Kat. 1A oder 1B bzw. 2. Diese Einstufung ist den folgenden Quellen zu entnehmen:

  • dem Anhang VI der CLP-Verordnung (Verordnung zu Classification, Labelling and Packaging of substances and mixtures),
  • der TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe“ sowie
  • der TRGS 906 „Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV“.
     

Anhang VI der CLP-Verordnung

Der Anhang VI der CLP-Verordnung beinhaltet die europäische Einstufung vieler Stoffe. Von dieser Einstufung kann verschärfend abgewichen werden, wenn entsprechende Informationen zu den von den Stoffen ausgehenden Gefahren vorliegen. Das machen meist Hersteller – aber auch Staaten.
 

TRGS 905

In Deutschland erfolgt die Bekanntgabe der abweichenden Einstufung durch die TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe“. Dort werden Stoffe benannt, die auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 GefStoffV als krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch der Kategorien 1A, 1B oder 2 entsprechend den Kriterien des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) eingestuft wurden. Die TRGS 905 führt Stoffe auf, die nicht im Anhang VI Teil 3 Tabelle 3 der CLP-Verordnung genannt sind, sowie Stoffe, für die der AGS eine von der CLP-Verordnung abweichende Einstufung beschlossen hat. Dort findet sich u. a. die Einstufung „alter“ Mineralwolle.
 

TRGS 906

Für bestimmte Stoffe ist noch die TRGS 906 „Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV“ zu berücksichtigen. Hier besteht das Risiko einer Krebserkrankung erst durch die Kombination der Tätigkeiten oder des Verfahrens mit dem Stoff. Dies kann am Beispiel Harthölzer erklärt werden. Harthölzer in Form von Balken und Brettern sind nicht krebserzeugend. Werden bei der Bearbeitung von Harthölzern einatembare Stäube freigesetzt, so kann beim Einatmen dieser Stäube ein Krebsrisiko bestehen. Weitere Informationen zum Thema Hartholzstaub sind der TRGS 553 „Holzstaub“ zu entnehmen. In der Bauwirtschaft gibt es noch weitere krebserzeugende Tätigkeiten. Dabei handelt es sich unter anderem um Tätigkeiten oder Verfahren, bei denen Beschäftigte in Bereichen arbeiten, in denen Dieselmotoremissionen freigesetzt werden, und um Tätigkeiten oder Verfahren, bei denen Beschäftigte alveolengängigen Stäuben aus kristallinem Siliciumdioxid in Form von Quarz und Cristobalit ausgesetzt sind (ausgenommen Steinkohlengrubenstaub).

Weitere Informationen zu krebserzeugenden Stoffen gibt es auf www.dguv.de/ifa
 

GDA-Gefahrstoff-Check

Im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern ist der GDA-Gefahrstoff-Check als ein wichtiges Element des Arbeitsprogramms „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ entwickelt worden. Ziel ist es, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen zu unterstützen.
 

Geöffneter Laptop mit Startbild des GDA Gefahrstoff-Check
Bild: GDA

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Arbeitsmedizinische Vorsorge bei krebserzeugenden Stoffen

Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen sind verschiedene organisatorische Maßnahmen zwingend erforderlich. Dabei handelt es sich u. a. um die arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge und das Führen eines Expositionsverzeichnisses. Dr. Johannes Borowski, Werksarzt bei der Merck KGaA erläuterte in seinem Vortrag, dass grundsätzlich immer eine arbeitsmedizinische Vorsorge besteht. Diese muss vor Beginn der Tätigkeiten, in regelmäßigen Abständen bei den Tätigkeiten und als Sonderregelung für krebserzeugende Stoffe auch noch nach Beendigung der Tätigkeiten durchgeführt werden. Abweichend kann sie als arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten werden, wenn für den Gefahrstoff eine Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) nach TRGS 910 vorhanden ist und die Akzeptanzkonzentration eingehalten wird.
 

Sicherheitszeichen GHS08 Gesundheitsgefahr nach GHS Verordnung
Das Piktogramm GHS0 8 „Gesundheitsgefahr“ weist auf im Wesentlichen chronische wie krebserzeugende oder fortpflanzungsgefährdende Gesundheitsgefahren hin, die von einer beinhalteten Substanz ausgehen können.
Bild: BC Verlag


Allerdings kann diese Regelung nicht angewendet werden, wenn der Gefahrstoff zugleich

  • hautresorptiv ist und eine Gesundheitsgefährdung durch Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden kann (z. B. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe [PAK]) oder
  • der Gefahrstoff im Sicherheitsdatenblatt mit dem Gefahrenhinweis H 372 („Schädigt die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition“, z. B. Asbest) oder H 373 („Kann die Organe schädigen bei längerer oder wiederholter Exposition“) gemäß CLP Verordnung gekennzeichnet ist.


Aufnahme ins Expositionsverzeichnis

Nahezu gleiche Kriterien gelten auch für die Aufnahme der exponierten Personen in das Expositionsverzeichnis nach § 14 Gefahrstoffverordnung. Dort müssen auch Höhe und Dauer der Exposition angegeben werden. Muss ein Expositionsverzeichnis geführt werden, so sind die Informationen zur Exposition 40 Jahre aufzubewahren. Zudem müssen die Informationen den Beschäftigten bei Ende der Beschäftigung ausgehändigt werden.
 

Auf einem Laptop ist eine YouTube-Vorschau zur Eingabehilfe für die Zentrale Expositionsdatenbank (ZED) zu sehen.
Bild: BG BAU

Die BG BAU hat eine Eingabehilfe für die Zentrale Expositionsdatenbank entwickelt, die Nutzung wird in einem Tutorial erklärt. 


Da diese Forderung der Gefahrstoffverordnung für viele Klein- und Mittelbetriebe schwierig zu erfüllen ist, die Informationen bei auftretenden Krebserkrankungen aber sehr hilfreich sein können, haben die Berufsgenossenschaften und die DGUV die Zentrale Expositionsdatenbank geschaffen. Hier können die Daten einfach erfasst werden, da meist auf Eingabehilfen zurückgegriffen werden kann.


Weitere Informationen: 
www.bgbau.de/zed

 

Autor

Dr. Klaus Kersting

Referat GISBAU
BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 1|2023