Baumaschinentechnik
Was ist bei der Nutzung von Palettengabeln an Baggern zu beachten?
Eine Palettengabel als Schnellwechseleinrichtung am Bagger ist eine praktische und flexible Lösung zum Transport von Ladegut auf Paletten auf der Baustelle. Um diesen Vorteil sicher nutzen zu können, sind einige technische Voraussetzungen und rechtliche Regeln zu beachten. Die neue Ausgabe aus der Reihe „Fachbereich AKTUELL“ greift das Thema umfassend auf.
Auf der Baustelle muss zwangsläufig eine Vielzahlvon Bauprodukten abgeladen, gelagert und an ihren Verwendungsort transportiert werden. Standardmäßig erfolgt ein Großteil der Anlieferung palettiert. Zum Aufnehmen und Verfahrendieser Produkte werden klassisch im Tief- und Straßenbau Radlader bzw. auf Bau- und Betriebshöfen Gabelstapler eingesetzt. In den letzten Jahren kommen hierfür verstärkt Hydraulikbagger, ausgerüstet mit Schnellwechsler, schwenkbarem Rotator und Palettengabel zum Einsatz. Wer eine solche Kombination nutzt oder eine Neuanschaffung plant, muss einige Dinge beachten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Rechtlich betrachtet ist die Palettengabel am Hydraulikbagger gemäß EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Artikel 2 b eine sogenannte„auswechselbare Ausrüstung“ und formal daher jeweils wie eine eigenständige Maschine zu behandeln. Der Einsatz von Gabel und Rotator am Bagger muss vom Hersteller als bestimmungsgemäße Verwendung erklärt und in der Bedienungsanleitung beschrieben sein. Diese rechtliche Feinheit kann zu Problemen führen, wenn Gabel, Rotator und Trägergerät von verschiedenen Herstellern kommen. Denn jeder Herstellererklärt die bestimmungsgemäße Verwendung und Konformität i. d. R. nur für die von ihm erstellte Maschine oder die von ihm erstellten bzw. konfigurierten Maschinenkonstellationen.
Wird das Gesamtsystem aus Bagger und Anbaugeräten aus Einzelkomponenten mehrerer Hersteller konfiguriert und der Betrieb ist nicht in den einzelnen Betriebsanleitungen gegenseitig als bestimmungsgemäße Verwendung beschrieben, geht die Verantwortung für die Kompatibilität auf den Betreiber (Bauunternehmen) über und damit auch das Haftungsrisiko im Schadensfall. Elementar für den Betrieb einer solchen Kombination im Bauunternehmenist die Abklärung der Kompatibilität der Geräte mit den Herstellern und die Erstellung einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung, einer Betriebsanweisung sowie die Unterweisung der Beschäftigten.
Auf Wunsch von Herstellern und Betreibern hat ein Fachgremium, bestehend aus Herstellern von Erdbaumaschinen, Herstellern von Anbaugeräten, Unternehmen der Bauwirtschaft sowie dem Sachgebiet Tiefbau und der PZ BAU des Fachbereichs Bauwesender DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung), eine Hilfestellung zum beschriebenen Problem erarbeitet. Diese Schrift ist nun in der Reihe „Fachbereich AKTUELL“ erschienen (FachbereichAKTUELL – Einsatz von Palettengabeln an Hydraulikbaggern). Die Publikation ist eine Hilfestellung für Arbeitgeberinnen undArbeitgeber (Unternehmerinnen und Unternehmer) bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).
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Technische Voraussetzungen
Die Palettengabel ist gemäß BetrSichV ein Lastaufnahmemittel. Für den Betrieb folgt daraus, dass der Bagger, der als Trägergerät verwendet wird, über eine Überlastwarneinrichtung verfügen muss und für die Verwendung im Hebebetrieb zugelassen ist. Damit einhergehend müssen zwangsläufig auch entsprechende Rohrbruchsicherungen an den Hubzylindern vorhanden sein, denn auch durch Havarie der Zylinder und hydraulischen Einrichtungen können gefährliche Situationen entstehen. Zusätzlich benötigt der Bagger eine Rohrbruchsicherung am Löffelzylinder. Diese müssen beidseitig wirken. Das ist wichtig, wenn die Palettengabel (z. B. beim Einsatz in Kombination mit einem Rotator) auch zur Fahrerkabine hin zeigen kann.
Dadurch, dass die einzelnen Hersteller von Palettengabeln, Rotatoren, Schnellwechslern und Baggern meist nur die max. Traglast für ihr Produkt angeben, benötigt der Maschinenbediener neben der vorhandenen eine zusätzliche Traglasttabelle, die Traglasttabelle-TP. Diese Traglasttabelle-TP unterscheidet sich aufgrund der veränderten Hebelwirkungen von der Tabelle für den Bagger im Hebebetrieb. Diese Traglasttabelle-TP muss daher die eingesetzte Konfiguration aus Bagger, Schnellwechsler (ggf.mehrere), Rotator und Palettengabel abbilden. Sie muss für die Maschinenbediener sichtbar angebracht sein.
Weitere technische Voraussetzungen eines Hydraulikbaggers als Trägergerät für die sichere Verwendung einer Palettengabel sind in der FB-AKTUELL aufgeführt.
Organisatorische Anforderungen
Die Beweglichkeit der Gabel mit Rotator am Bagger bietet vieleVorteile. Doch es ist Übung bzw. eine entsprechende Qualifikationnotwendig, insbesondere um die Rotations- und Drehbewegungenzu beherrschen und den Transport der Last sicher durchzuführen.Aber Übung allein reicht nicht, zum sicheren Betrieb sindvom Unternehmen auch organisatorische Maßnahmen zu treffen:
- Gefährdungsbeurteilung für den Betrieb der Palettengabel am Hydraulikbagger
- Betriebsanweisung für den Betrieb der Palettengabel amHydraulikbagger
- Bedienung nur durch beauftragtes und qualifiziertes Personal
- Unterweisung der Beschäftigten über den Betrieb des Baggers mit Palettengabel
- Es ist sicherzustellen, dass sich während des Betriebs keine Personen im Gefahrbereich aufhalten, bzw.
- die Kennzeichnung des Baggers, dass dieser für den Betrieb mit einer Palettengabel geeignet ist.
Sicherer Betrieb
Durch die Auslage, Hebelarme und Drehmomente steigt auch die Gefahr, dass der Bagger umstürzt. Das ist insbesondere beim Drehen des Oberwagens über die Seite und gleichzeitigem Verfahren der Last gegeben. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf es beim Lasttransport mit Baggern auf dem Radfahrwerk, da die Pendelachse im Automatikbetrieb beim Fahren i. d. R. offen ist. Lasten sollten generell, aus Sicherheitsgründen und um die Maschine zu schonen, nur über die starre Achse verfahren werden. Seitliches Laden und Drehen sollte nur im Stehen mit geschlossener Fahrwerksbremse und gesperrter Pendelachse erfolgen. Der Bagger wird idealerweise nur zum Be-/Entladen eingesetzt. Der weitere Transport der Paletten sollte dann mit einem Radlader/Gabelstapler erfolgen.
Zu achten ist auch auf Gefährdungen durch sich unerwartet bewegende oder herabfallende Teile der Ladung. Der Radlader hat keine automatische Parallelführung der Gabel wie z. B. ein Stapler. Der Bediener muss die Neigung zur Horizontalen über den Löffelzylinder steuern, damit die Palette oder das Ladegut nicht verrutscht. Ist zudem die Drehachse des Rotators nicht parallel zur Gabel, muss der Bediener während des gesamten Drehvorganges nachsteuern, andernfalls kippt das Ladegut beim Drehen nach vorne.
Auch Unebenheiten im Untergrund, die auf Baustellen Normalität sind, können insbesondere bei zu hoher Fahrgeschwindigkeit dazu führen, dass sich Teile des Ladegutes lösen, umherfliegen und herabfallen. Der Ausleger des Baggers wirkt zusätzlich als Hebelarm und verstärkt die Wipp-Bewegung. Lasten dürfen generell nur mit Schrittgeschwindigkeit, mit kleiner Auslage und bodennah verfahren werden.
Fazit
Der Einsatz von Palettengabeln an Hydraulikbaggern erweitert die Einsatzmöglichkeiten des Hydraulikbaggers so umfassend, dass zukünftig die Palettengabel am Hydraulikbagger zur Standardausrüstung des Hydraulikbagger gehören wird. Jedoch ist es für den Betrieb notwendig, technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen umzusetzen. Wie ein sicherer Betrieb aussehen kann, wurde von einem Expertengremium bestehend aus Vertretern von Herstellern, Betreibern und Unfallversicherungsträgern in der „FB AKTUELL – Einsatz von Palettengabeln am Hydraulikbagger“ erarbeitet. Sie gibt für einen konkreten Einsatzfall Hinweise, wie das Heben und Transportieren von Lasten mit einer Palettengabel am Hydraulikbagger im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BetrSichV sowie des Anhangs 1 der BetrSichV sichergestaltet werden kann.
Autoren
Ausgabe
BauPortal 4|2024
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