Brückenbau
Brückenbau im Schnelltempo
Für die Brücke am Blumberger Damm im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf wurden deutschlandweit erstmalig vorgespannte Doppelverbundträger verbaut. Der Transport der tonnenschweren Fertigbauteile und die Baustellensicherung im laufenden Bahn- und Straßenverkehr waren die größten Herausforderungen. Trotzdem konnte die Brücke schneller als geplant fertiggestellt werden. Im Zuge der Erneuerung wurden Asbest-Altlasten entfernt und wichtige Versorgungsstränge mit verbaut.
Etwa 4.000 Brücken in Deutschland zeigen deutliche Verschleißerscheinungen. Sie halten heutigen sowie künftigen Verkehrsströmen nicht mehr stand und müssen zwingend saniert oder neu gebaut werden. Bezeichnendes wie erschreckendes Beispiel dafür ist der Einsturz der Carolabrücke in Dresden. Dieser Brückenkollaps stellt eine Katastrophe dar, bei der mit viel Glück keine Menschenzu Schaden kamen. Es besteht dringender Handlungsbedarf, auch in der Hauptstadt. Das Brückenbauprogramm der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Abteilung Tiefbau, umfasst eine Vielzahl von Brückenbauwerken. Von diesen befinden sich derzeit allein etwa 50 Brücken in Planung oder Ausführung.
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Verkehrsknotenpunkt dringend zu erneuern
Dazu zählt die südliche Brücke am Blumberger Damm im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf. 1987 erbaut, ächzt die Brücke unter der Last unzähliger Pkw, Lkw, Schwerlast- und Kleintransporter, Busse und Krankenwagen. Denn die Trasse führt zum Unfallkrankenhaus Berlin, den Gärten der Welt und vor allem zu den zwei Großsiedlungen mit über 270.000 Einwohnern und großflächigen Gewerbegebieten – und nicht zu vergessen die Wohngebiete Biesdorf und Kaulsdorf an der B1. Unter der Brücke fahren im Minutentakt die S-Bahn 5, die U-Bahnlinie 5, die hier oberirdisch verläuft, sowie Regional- und Fernzüge hindurch. So herrscht hier täglich Rushhour. Der Senat beschloss daher, diesen stark frequentiertenVerkehrsweg im Zeitraum von 2021 bis 2025 zu erneuern sowie auch das Umfeld mit dem Wuhlgartenweg für Radfahrer und Fußgänger umzugestalten. All das bei laufendem Verkehr. Das Projekt wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derregionalen Wirtschaftsstruktur (GRW)“ vom Bund und Land gefördert. Den Auftrag dafür erhielt die ARGE aus Via structure GmbH und Eurovia Verkehrsbau Union GmbH.
Zügiger Rück- und Neubau
Im Vorfeld des Bauvorhabens wurde bereits 2019 eine bestehende Fernwärmeleitung um 15 m seitwärts versetzt und teilweise gleich mit neuen Rohren versehen. 2021 startete dann der erste von fünf Bauabschnitten mit Arbeiten an den Bahnanlagen. Hier mussten u. a. zwei 30-kV-Stromkabelsysteme der S-Bahn zurückgebaut und unweit daneben in einem neuen Kabelkanal verlegt werden.
Da die ursprüngliche Brücke, eine typische DDR-Zweifeldbrücke, aus Fertigteilen (BT 700) und Stützen bestand, war es möglich, zunächst auf der östlichen Seite zu bauen und den Verkehr auf der bestehenden westlichen Brückenseite vorbeizuführen. Späterwurde der gleiche Ablauf auf der westlichen Seite praktiziert. Wie Bauleiter Severin Johansen berichtet, verlief der Rückbau zügig, obwohl hier die Besonderheit einer Bewehrte-Erde-Konstruktionanstelle eines klassischen Widerlagers existierte.
Passgenaue Fertigteile für schnelle Montage
Die alten Wabenplatten der Bewehrte-Erde-Konstruktion enthielten Asbest auf der Rückseite und in den Fugen und Fugenabdeckungen. Das bedeutete für Rückbau und Entsorgung einen erheblichen Mehraufwand, da mit dem Rückbau der Wabenplatten auch eine Asbestsanierung einhergehen musste.
Für den Bauingenieur Severin Johansen ist es nicht die erste Brückenbaustelle. Doch jede ist für ihn immer wieder speziell. „Typisch für diese Art Rahmenbrücke ist, dass Über- und Unterbau (Widerlager) biegesteif miteinander verbunden sind. Es handelt sich dabei um ein integrales Bauwerk ohne Lager. Die Widerlager/ Rahmenstile dieser Brückenkonstruktion sind über Fundamentplatten flach gegründet worden. Zudem kamen bei dieser Brücke deutschlandweit erstmalig vorgespannte Doppelverbundträger der Firma Spannverbund GmbH Waldems-Esch zum Einsatz, die eine stark belastbare, schlanke und feuerbeständige Brückenkonstruktion über eine Spannweite von 36 m zulassen.“
Einbau in engen Zeitfenstern
Das alles setzte eine sehr genaue sowie komplexe Planung undAusführung voraus. Denn das Bauwerk wird hierbei als Ganzesmit dem Baugrund erfasst und bemessen. Das wiederum erfordert die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten – von den Geologen über die Planenden bis zu den ausführenden Gewerken. Das habe sehr gut funktioniert, bekräftigt der Bauleiter, und die Montage sei deshalb ohne große Probleme verlaufen. Da die Fertigteile im Werk auf den Millimeter exakt hergestellt wurden, passten sie auch punktgenau. „32 Stunden einer Sperrpause für Straßen- und Zugverkehr reichten aus, um jeweils sechs Träger pro Seite innerhalb kurzer Zeit einzeln aufs Traggerüst zu legen, auszurichten, einzuschalen. Außerdem konnten während der Sperrungen auch Rohrleitungen im Bereich des Lichtraumprofiles der Bahn unter der Brücke installiert sowie Schalarbeiten für Kragarm und Mittelkappe erledigt werden. Die weiteren Schal- und Bewehrungsarbeiten sowie die Betonage fanden außerhalb der Sperrpause statt.“
Trotz Hürden vorfristige Übergabe
Der Bauablauf war streng terminiert, da er auf die nötigen Sperrzeiten im Verkehrsraum minutengenau abgestimmt sein musste. Alternative Routen, u. a. für die Erreichbarkeit des Unfallkrankenhauses, und Zufahrtswege für Polizei und Feuerwehr wurden daher langfristig festgelegt. Allein die Bahnsperren mussten bei der Deutschen Bahn 3,5 Jahre vorher beantragt sein und später auch penibel genau eingehalten werden. „Als dann unsere Schwertransporter mit den Fertigteilen nicht vom Werk über die A45 transportiert werden konnten, da diese wegen Bauarbeiten gesperrt war, stellte das für uns und den Ablauf sowie die Logistik eine enorme Herausforderung dar“, berichtet Severin Johansen. Die Produktion wurde kurzfristig an einen Produktionsstandort nach Polen verlegt. Es sei auch nicht ohne gewesen, die unterschiedlichen Medienanbieter zu koordinieren. Vormals lagen die Leitungen für die Infrastruktur unter dem Gehweg. „Jetzt sind 24 Leitungen vom Stromnetz Berlin unterhalb der Brücke installiert, sechs von der Telekom AG und weitere zwölf diverser Leitungsbetreiber sowie eine Reservetrasse im zweiten Bauabschnitt für künftige weitere Nutzungen. Trotz allem liegen wir sehr gut im Plan und werden sogar die vorgesehene Bauzeit unterbieten“,bekräftigt der Bauleiter.
Die Brücke selbst sowie die Treppenanlage hinunter zum Wuhlgartenweg sind bereits fertiggestellt. Der auf sechs Meter verbreiterte Rad- und Fußgängerweg soll im November 2024 folgen. Auch das Abfangbauwerk für die Fernwärmeleitung steht. Das ist nötig, um die um 75 cm erhöhte Brücke auszugleichen. Denn die neue Brücke ist so konzipiert, dass künftig ein viertes Gleissamt Elektrifizierung Platz hat. Demzufolge muss auch der Damm etwas höher sein als zuvor. Damit die Böschung richtig dimensioniert ist, braucht es an der Stelle, wo die Fernwärmeleitung den Damm kreuzt, ein Abfangbauwerk. Die bauliche Fertigstellung der Brücke ist für Ende 2024 vorgesehen. Danach folgt in einem letzten Bauabschnitt der Straßenausbau zwischen FrankenholzerWeg und Altentreptower Straße.
Besondere Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen
Für Baustellen auf stark frequentierten Straßen und im Bahnbereich gelten besondere Sicherheitsmaßnahmen. Um jegliche Gefahren für die Bauteams, Verkehrsteilnehmer und Passanten während der gesamten Bauzeit auszuschließen, wurden u. a. Schutzmaßnahmen mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) Reinhard Vogt vom Invo-Ingenieurbüro Vogt sowie der Deutschen Bahn vorab detailliert abgestimmt. Neben der Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans (SiGe-Plan) gehört auch die Koordination der gemeinsam genutzten Schutzeinrichtungen zu den Aufgaben eines SiGeKos.Dementsprechend fanden regelmäßig Einweisungen und Kontrollen– auch für alle beteiligten Subunternehmen– statt.
Besonderes Augenmerk lag dabei auf
- der Verwendung persönlicher Schutzausrüstung,
- Flucht- und Rettungswegen,
- der Installation von wirksamen Absturzsicherungen,
- dem Umgang mit Kranen und Anschlagmitteln (Maschinen, geeignetePersonen, Schwenkbereiche, Befestigungen),
- dem Einhalten verkehrsrechtlicher Anordnungen sowie
- gesetzlicher Vorschriften zum Rückbau asbesthaltiger Bauteile.
Verkehrssicherung im laufendem Bahn- und Straßenverkehr
Arbeitsplätze im Verkehrsraum und verbliebene Verkehrswegewurden durch Bauzäune, Verkehrszeichen und Leitplanken getrennt. „Besondere Vorsicht und Verbote galten bei dieser Baustelle für das konsequente Abgrenzen der Baustellenbereiche gegenüberden Bahngleisen. Die für die Arbeitsstelle gültigen Sicherungsanweisungen des Bahnbetreibers wurden regelmäßig auf Einhaltung kontrolliert. Alle Gewerke wurden so koordiniert und eingewiesen, dass trotz Bahnverkehrs zu keinem Zeitpunkt eine Unfallgefahr bestand“, so SiGeKo Vogt.
Für die Abgrenzung der Baustellenbereiche gegenüber dem Straßen- und Fußgängerverkehr wurden ebenso Schutzmaßnahmen ergriffen. Zudem blieb der Geh- und Radweg am Wuhlgartenweg parallel der Bahngleise während der Bauzeit vollständig gesperrt. Außerdem waren alle Bauteams angehalten, überdurchschnittliche Lärmbelastung der unmittelbaren Anwohner durch Großmaschinen unter der Brücke (Halleffekte) zu vermeiden. Materialtransporte zur oder von der Baustelle sind so geplant, dass Gefährdungen für die Beschäftigten minimiert und der Verkehrsfluss so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Die neue Brücke ist für 30 Jahre ausgelegt. Eins wünscht sich der Bauleiter dafür dringlichst: Die wunderschönen Klinker, die nach Abbau der Schutzwand zum Vorschein kommen werden, sollen von Graffiti-Schmierereien verschont bleiben.
Projektdaten
Projektumfang:
Brückenerneuerung am Blumberger Damm mit Abriss der Altbrücke in Berlin, Bezirk Marzahn-Hellersdorf
Bauherrin:
Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Abt. V Tiefbau, Land Berlin
Entwurfsplanung:
WKP Planungsbüro für Bauwesen GmbH, Berlin
Bauausführung:
ARGE Via Structure GmbH/Eurovia Verkehrsbau Union GmbH, Berlin
SiGeKo:
Invo-Ingenieurbüro Vogt, Berlin
Autorin
Ausgabe
BauPortal 4|2024
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