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Luftbild auf einen Kanal, der sich von einem See durch einen Wald schlängelt.
Bild: LMBV/Steffen Rassche

Kanalbau, Erd- und Tiefbau

Neuer Ableiter reguliert den Wasserhaushalt in der Lausitzer Seenkette

Luftaufnahme vom Bau des Ableiters in die Lausitzer Seenkette.
Oberer Bauabschnitt des Ableiters in der Lausitzer Seenkette
Bild: LMBV/Steffen Rasche

Der 2,6 km lange Ableiter, der das bereits errichtete Wehrbauwerk Sedlitzer See und das Sielbauwerk Schwarze Elster verbindet, wird zukünftig den Wasserhaushalt der Restlochkette Sedlitz-Skado-Koschen regulieren. Über ihn kann die 5.600 m2 große Wasserfläche im Falle eines Hochwassers komplett in die Schwarze Elster und umliegende Flüsse entwässern. Da der künftige Ableiter größtenteils über Kippenboden verläuft, wurde der Untergrund im Vorfeld der Baumaßnahmen mittels Rütteldruck- und Rüttelstopfverdichtung verfestigt, um den Baugrund zu sichern und Rutschungen zu vermeiden. Darüber hinaus erforderte der Grundwasserspiegel eine spezielle Wasserhaltung.
 

Jahrzehntelang stand die Lausitz im Süden Brandenburgs und Osten Sachsens als Synonym für flächendeckenden Braunkohlebergbau. Auf den Strukturzusammenbruch der 1990er-Jahre folgte der Strukturwandel und damit das größte Umweltprojekt Mitteleuropas. Was damals fast utopisch klang, ist heute eine Erfolgsgeschichte. Die Lausitz schafft sich ein völlig neues Profil und ist auf dem besten Weg, ein wirtschaftlicher und touristischer Hotspot des Ostens zu werden.
 

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Das LMBV-Projekt „Lausitzer Seenland“

Maßgeblichen Anteil an der Sanierung und Rekultivierung der einstigen Tagebaue hat die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) mit vielzähligen Maßnahmen. Unter ihrer Regie entsteht z. B. auf einer Fläche von über 14.800 ha das „Lausitzer Seenland“. Dazu zählen 25 Gewässer, für die einstige Tagebaue geflutet wurden und noch werden. Zehn Seen davon sind künftig über schiffbare Kanäle, sogenannte Überleiter, miteinander verbunden.
 

Karte, auf der die Seen blau und die Ortschaften rot eingezeichnet sind.
Übersichtskarte Lausitzer Seenland
Bild: LMBV

 

Voraussetzung: koordiniertes Wassermanagement

Das großangelegte Wasserprojekt setzt ein koordiniertes Wassermanagement voraus, damit keines der Gewässer in „Schieflage“ gerät. „Für alle Beteiligten stellt das eine immense Herausforderung dar. Denn Bauen im Bergbaufolgegelände ist kompliziert und braucht einen langen Atem. Denn es unterliegt eigenen, sehr strengen Gesetzen – geo- wie sicherheitstechnisch“, betont LMBV-Projektmanager Henry Ruske. „Wir erleben das derzeit auch beim Bau des 2,6 km langen Ableiters zwischen dem bereits vorhandenen Auslaufbauwerk Sedlitzer See und Sielbauwerk Schwarze Elster.“
 

Luftbild auf einen Kanal, der sich von einem See durch einen Wald schlängelt.
Luftbild des im Bau befindlichen Ableiters zwischen Sedlitzer See und Schwarzer Elster
Bild: LMBV/Steffen Rassche

 

Bedeutung des Ableiters für die Wasserregulierung

Als einziges Bauwerk seiner Art im Lausitzer Revier dient es im Gegensatz zu den Überleitern ausschließlich der Wasserregulierung innerhalb der Seenkette Sedlitz-Skado-Koschen, die sich hier nach Flutung der einstigen Braunkohletagebaue Sedlitz, Skado, Koschen, Meuro, Spreetal und Bluno bildete. Mithilfe des Ableiters kann die 5.600 m2 große Wasserfläche im Falle eines Hochwassers 2,8 m3 Wasser pro Sekunde komplett in die Schwarze Elster und umliegende Flüsse entwässern.
 

Herausforderungen: Kippenboden und Grundwasserspiegel

Für den Bau des Ableiters ist die ARGE aus STRABAG AG/Bereich Lausitz und ABG Anlagen-, Bau- und Betriebsgesellschaft mbH Dresden verantwortlich. Auf den ersten Blick scheint das Projekt ähnlich unkompliziert wie das Bauen auf der grünen Wiese. Doch der Schein trügt. Denn das 2,6 km lange Kanalbauwerk verläuft über Abraum-Kippenboden der Bergbaufolgelandschaft. Diese Böden sind noch sehr jung, wenig entwickelt und sind erst im Aufbau begriffen, sodass die Tragfähigkeit dieses Bodens nicht genau eingeschätzt werden kann.
 

Kippenboden

Als Kippenboden (Kipp-Regosol, Kipp-Pararendzina) wird ein junger Boden bezeichnet, der sich aus verkipptem Abraum innerhalb von wenigen Jahrzehnten entwickelt. Er zählt in der deutschen Bodenklassifikation zu den terrestrischen Rohböden oder Ah/C-Böden. In Deutschland findet man ausgeprägte Kipp-Regosole vor allem in den Revieren des aktiven Braunkohlenabbaus in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein- Westfalen.

Quelle: www.forschungsstellerekultivierung.de
 

Die größte Herausforderung für Bergbaufolgelandschaften stellt der Umgang mit Grundwasser dar. Während des Bergbaus mussten riesige Mengen abgepumpt werden, um die Kohle überhaupt ans Tageslicht fördern zu können. Dadurch sank der Grundwasserspiegel nicht nur im Tagebau selbst um viele Meter, sondern auch in der Umgegend. Nach Ende des Tagebaus stieg das Grundwasser dann wieder an.
 

Spezielle Wasserhaltung nötig

Um also den Ableiter im trockenen Zustand bearbeiten zu können, musste der Grundwasserspiegel temporär über eine spezielle Wasserhaltung wieder abgesenkt werden. Henry Ruske: „Zur Kontrolle der geotechnischen Sicherheit verwenden wir z.B. Poren-Wasserdruckmesser, die genau überprüfen und anzeigen, ob der Boden standsicher ist, was sowohl den Einsatz der Großgeräte angeht als auch den des Bauteams. Die Druckmesser funktionieren wie ein Ampelsystem: Grün bedeutet, dass Arbeiten stattfinden können, Gelb Achtung und Rot sofort den gefährdeten Bereich zu räumen.“ Neben der Bauwasserhaltung muss auch der Wasserstand von 99,5 m NHN im Sedlitzer See genau eingehalten werden, um die tangierenden Arbeiten ausführen zu können.
 

Luftbild auf ein Teilstück des Gerinnes, in dem sich verschiedenen Baufahrzeuge befinden.
Aushub des Gerinnes
Bild: LMBV/Steffen Rasche

 

Vor Bau des Ableiters

Die Konstruktion des Ableiters sei einfach erklärt, meint die junge Bauleiterin Anna Wagner. Das rinnenförmige Bauwerk misst in der Sohle etwa sieben Meter. Nach oben hin erweitert sich der Graben auf etwa 30 m. Für dieses Konstrukt ist es nötig, inbis zu sieben Metern Tiefe Erdreich abzubaggern. Für die studierte Bauingenieurin stellt das Projekt keine Hürde dar. Sie kennt sich in Bergbaufolgegelände aus. Nach dem Studium an der TU Berlin arbeitet Anna Wagner bereits seit 2012 an Tiefbauprojekten der STRABAG. „Nicht nur, weil ich Höhenangst habe“, erzählt sie lachend. „Erdbau ist zwar tricky – man muss immer auf Überraschungen im Boden vorbereitet sein und sofort reagieren können. Das ist doch spannend und fordert einen immer wieder aufs Neue. Wir arbeiten dabei eng mit den Bergämtern, Zweckverbänden, geotechnischen sowie ökologischen Fachbegleitern, SiGeKo und Planern zusammen, treffen uns einmal wöchentlich zur Abstimmung.“
 

Anna Wagner und Henry Ruske  mit Helm und oranger Warnweste stehen vor einem Geländer.
Bauleiterin Anna Wagner und Projektmanager Henry Ruske
Bild: Bärbel Rechenbach

 

Tiefenrüttelverdichtung zur Stabilisierung des Kippenbodens

Um einen stabilen Baugrund zu gewährleisten und alle Gefahren einer Rutschung infolge der Bauarbeiten auszuschließen, fanden im Vorfeld Rütteldruckverdichtungen bzw. Rüttelstopfverdichtungen statt – je nachdem, wie die Bodenbeschaffenheit an den jeweiligen Stellen war. Bei beiden Tiefenrüttelverfahren wird der Boden mit einem Rüttler (Aufsatzrüttler bzw. Schleusenrüttler) durch Vibration bzw. durch das zusätzliche Einbringen von Kies und Schotter verdichtet.
 

Rüttelverfahren zur Baugrundverbesserung durch Verdichtung

Da der Einsatz von Tiefgründungen oder ein großflächiger Bodenaustausch bei sehr weichen oder wenig tragfähigen Schichten in den meisten Fällen aufwendig und kostenintensiv ist, können Tiefenrüttelverfahren zur Baugrundverbesserung eine wesentlich wirtschaftlichere Alternative darstellen. Abhängig von der gewünschten Funktionsweise und der Beschaffenheit des Bodens kommen als Verdichtungsverfahren die Rütteldruckverdichtung und/oder die Rüttelstopfverdichtung zum Einsatz.

Rütteldruckverdichtung

Die Rütteldruckverdichtung (RDV) wird bei grobkörnigen, lockeren Böden angewendet und ist besonders zur Stabilisierung erdfeuchter und wassergesättigter und somit setzungsfließgefährdeter Kippenböden geeignet. Durch die Vibration des Tiefenrüttlers wird mithilfe von Wasserspülung die Reibung zwischen den Bodenkörnern kurzzeitig aufgehoben und werden so die einzelnen Bodenkörner in eine dichte Lagerungsform umgelagert. Dabei wird infolge der Schwerkraft der vorhandene Porenraum reduziert und damit  – je nach Bodenbeschaffenheit und Verdichtungsaufwand – das Bodenvolumen um bis zu 15 % verringert.

Rüttelstopfverdichtung

Das Rüttelstopfverfahren ist eine Weiterentwicklung der Rütteldruckverdichtung und kommt in feinkörnigen und gemischt gekörnten Böden zum Einsatz. Hierbei werden lastabtragende Kies- oder Schottersäulen sukzessive in nicht oder nur schwierig zu verdichtenden Böden erstellt, um durch diese stützend wirkenden Säulen den Baugrund zu verbessern. Da kein Zement, sondern natürliche und vor Ort vorhandene  Materialien wie Kies und Schotter verwendet werden, ist dieses Verfahren besonders umweltfreundlich. Zudem können die hohen Standards bei der Qualitätssicherungen auch die Sicherheit bei der Ausführung ermöglichen.
 

Dennoch galt es, den Kippenboden trotz der Baugrundverbesserung mittels Tiefenrüttelverdichtung auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen, wie Anna Wagner schildert: „An Stellen, wo keine Rüststopfsäulen im Einsatz waren, führen wir immer wieder Belastungsversuche durch, um die Tragfähigkeiten nachzuweisen. Denn Kippenböden reagieren auf Belastungen besonders empfindlich.“
 

Bau des Ableiter-Gerinnes

Die verfestigte Sohle wird mit drei bis vier Tonnen schweren Bentonit- Matten Meter für Meter abgedichtet. Darauf folgt eine F1-Schutzschicht aus rolligem Kies. F1 steht für frostsicheren Füllsand. Nach der F1-Schutzschicht wird eine zwei Meter dicke Auffüllung gegen Auftrieb aufgebracht. Dafür wird teilweise der abgetragene Boden wieder verwendet. Ein anderer Teil davon dient dem Auffüllen der Sprengmulden, die bei der nahegelegenen schonenden Sprengverdichtungen am Sedlitzer See (sSPV) entstehen. Dieses Verfahren kommt seit einigen Jahren bei hohen bzw. endgültigen Grundwasserständen zum Einsatz, reicht bis zu 30 m Tiefe und dient der schonenden Kippenverdichtung. So werden spontane Bodenverflüssigungen mit Setzungsfließen verhindert und die geotechnischen Bedingungen für die meist land- und forstwirtschaftliche Nachnutzung verbessert.

Technische Zeichnung, die mit genauen Maßen den Querschnitt des Ableiters darstellt.
Grafik Querschnitt des Ableiters
Bild: LMBV

 

Absicherung der Böschungen

Die entstandenen Böschungen links und rechts werden mit Sohlsicherungskies, Faschinen und Begrünung gesichert. Faschinen sind walzenförmige Reisig- bzw. Rutenbündel zur Abwehr von Erosionserscheinungen bzw. Böschungsbrüchen. Im Wasserbau dienen Faschinen nicht nur der Sicherung des Böschungsfußes an Fließ- und Stillgewässern, sondern auch der Bildung von Stillwasserzonen und der Ansiedlung von Pflanzen auf künstlichen Dichtungen oder Buhnen.
 

Gerinne aus hellem Sand im Bauzustand. An beiden Seiten des Gerinnes sind karo-förmige Seile angebracht.
Sicherung der Böschungen des Ableiters mit Faschinen
Bild: Bärbel Rechenbach

 

Sicherheit bei Arbeiten auf Kippenböden

Das Arbeiten auf Kippenböden erfordert eine sensible Herangehensweise, um Bauteams wie auch Maschinen im Gelände abzusichern. Anna Wagner erklärt: „Alle Bauteams sind nach den ‚Allgemeinen Verhaltensanforderungen im Sanierungsgebiet‘ unterwiesen. Das heißt, dass neben der Pflicht, eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu tragen, u. a. nur bei Tageslicht und nie allein gearbeitet werden darf – es muss immer jemand in Sichtweite sein. Luftbereifte wie Ketten-Fahrzeuge oder andere Baugeräte dürfen eine bestimmte Tonnage nicht überschreiten. Zur Böschungsoberkante muss immer ein Vorland – also ein vorgelagerter Landstrich – gehalten werden. Erst dann darf abgetragen werden, damit keine Rutschungen entstehen können.“

Wichtig ist, dass nur zuverlässige Personen, die nachweislich befähigt und vom Unternehmer damit beauftragt sind, das 18. Lebensjahr vollendet haben und fachbezogen sowie sicherheitstechnisch unterwiesen sind, die eingesetzten Maschinen führen und warten dürfen. Für alle Maschinen muss die Standsicherheit durch Berechnung nachgewiesen werden, insofern sie nicht offensichtlich gegeben ist. Das trifft auf alle Betriebszustände zu. Werden im Verlaufe des Baugeschehens Veränderungen an der Tagesoberfläche festgestellt, sind diese auch unverzüglich beim Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe mit der genauen Ortsbeschreibung anzuzeigen. Das Einhalten der Regeln wird permanent von der Bauleiterin, dem SiGeKo der LMBV und dem Projektmanager überwacht und protokolliert.
 

Ausblick

Sowohl das Ein- bzw. Auslaufbauwerk am Sedlitzer See als auch das Sielbauwerk an der Schwarzen Elster sind bereits fertiggestellt. Sobald der Ableiter fertig ist, kann auch die Restlochkette finalisiert werden, wozu auch die Errichtung der Überleiter zählt. Ziel der LMBV ist es, bis 2026 die Restlochkette zur touristischen Nutzung fertigzustellen – inklusive einer Wildbrücke, um auch den Tierschutz zu berücksichtigen. Insgesamt kostet das Bauvorhaben der LMBV 55 Mio. € einschließlich der vorlaufenden Verdichtung des Kippenbodens.
 

Übersicht über die Fertigstellung der Überleiter

Derzeit ist der Überleiter 12 vom Koschener Kanal zwischen Senftenberger und Geierswalder See sowie der Überleiter 9 vom Barbara-Kanal zwischen Geierswalder See und Partwitzer See fertiggestellt. Sie können bereits für Bootsfahrten genutzt werden.

Die Überleiter 1 vom Spreetaler See zum Sabrodter See, Überleiter 3 zwischen Blunoer Südsee und dem Sabrodter See, Überleiter 3a zwischen dem Blunoer Südsee und dem Neuwieser See, Überleiter 5 vom Bergener See zum Neuwieser See und Überleiter 6 vom Neuwieser See zum Partwitzer See sind gebaut, aber noch nicht für Bootsfahrten freigeben.

Der Überleiter 4 innerhalb des Bergener Sees ist nach dem Grundbruch von Spreetal 2010 teilweise wieder zu geschwemmt und muss erst wiederhergestellt werden. Die Überleiter 8 (Rosendorfer Kanal) zwischen Geierswalder See und Sedlitzer See, der Überleiter 10 (Sornoer Kanal) zwischen Sedlitzer See und sind ebenfalls gebaut, aber noch nicht freigegeben. Der Überleiter 7 vom Blunoer Südsee zum Partwitzer See wurde vom Land Sachsen zurückgestellt und kommt voraussichtlich nicht.
 

Baudaten

Bauumfang:
Bau des Ableiters Sedlitzer See zur Schwarzen Elster


Bauherr:
LMBV


Ausführende Firmen:
ARGE aus STRABAG AG und ABG Anlagen-, Bau- und Betriebsgesellschaft mbH


Gesamtkosten:
55 Mio. Euro
 

Autorin

Bärbel Rechenbach

Freie Baufachjournalistin


Ausgabe

BauPortal 3|2024