Tunnelsanierung Lüdenscheid mit Brandschutzkonzept

Durch den sanierungsbedürftigen Rathaustunnel in Lüdenscheid wird derzeit die Umleitung der A 45 geführt.
In den beiden Tunnelröhren der L 530 direkt unter dem Rathaus Lüdenscheid sollte der Brandschutz verbessert und neue Betriebstechnik installiert werden. Dies bedeutete einen deutlichen Eingriff in die Verkehrsinfrastruktur der Stadt: Die L 530 ist in beiden Richtungen derzeit aufgrund einer Totalsperrung der A 45 bis zur Fertigstellung der neuen Talbrücke Rahmede stark frequentiert.
Durch den zweiröhrigen Tunnel im Zentrum Lüdenscheids wird derzeit die A-45-Bedarfsumleitung geführt – Grund genug, die Sanierungsmaßnahmen zu beschleunigen.
Die Gesamtplanung der Tunnelsanierung oblag dem Ingenieurbüro IMM Maidl & Maidl – Beratende Ingenieure (Bochum). Bei Baubeginn im November 2018 ging der Bauherr, der Landesbetrieb Straßen.NRW (Regionalniederlassung Südwestfalen), noch davon aus, dass die Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden könnten.
Die Verkehrseinschränkung zeitlich zu minimieren, hatte oberste Priorität. Geplant war zunächst, die zwei voneinander getrennten, jeweils zweispurigen Tunnelröhren nacheinander zu sanieren, um den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten. Der Gegenverkehr sollte jeweils über die andere Tunnelröhre umgeleitet werden.
Erhöhter Aufwand: Asbestsanierung
Im Mai 2019 bestätigte sich jedoch der Verdacht, dass beim Bau der Tunnelröhren asbesthaltige Materialien verwendet worden waren. Asbest fand sich bei einigen Spachtelungen, des Weiteren als Beton-Abstandshalter sowie bei verlorenen Schalungen. Infolgedessen wurden die Tunnelportale verschlossen. Der geplante Fertigstellungstermin der südlichen Tunnelröhre für den Sommer 2022 war somit nicht zu halten.
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Konzept und Sanierung
Die Ausarbeitung der Asbestsanierung wurde dem Unternehmen Hörnig Bauwerkssanierung (Aschaffenburg) übertragen, das bereits mit der Gesamtsanierung der Tunnelröhre – Schwerpunkt „Konstruktion“ – beauftragt war und über gute Kenntnis des Tunnels verfügte. Nach Entnahme umfangreicher Proben wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Sachverständigenbüro Dr. Sedat (Essen) ein Sanierungskonzept erarbeitet. Im Fokus standen neben schneller Durchführbarkeit die ökologische Verträglichkeit der Baustoffe sowie eine wirtschaftlich langfristige Lösung.
Vier- bis fünftausend Quadratmeter Tunneldecke mussten auf einer Länge von rund 350 Metern brandschutztechnisch entsprechend den heutigen Anforderungen ertüchtigt werden. Die Verwendung eines Brandschutzputzes war erforderlich – allein schon wegen der Tunnelgeometrie. Mit der Asbestsanierung wurde die Kluge Sanierung GmbH (Duisburg) beauftragt. Hersteller Maxit (Azendorf) hat mit dem „ip 16“ und dem „ip 160“ geprüfte und normgerechte leistungsfähige Brandschutzputze im Programm.

Tunneldecke sowie oberer Rand der Wand: Auf einer Länge von rund 350 m musste der Rathaustunnel brandschutztechnisch heutigen Anforderungen entsprechend ertüchtigt werden.
Umfang und Dauer der Maßnahmen
Die am längsten dauernden Arbeiten waren die Standardschritte einer Asbestsanierung – der Einbau von Unterdruckschleusen, Abtrag von asbesthaltigen Materialien, Dekontaminierung – sowie das Entrosten der Bewehrungen bzw. deren Ersatz. Für die komplette Brandschutzertüchtigung veranschlagte der Landesbetrieb Straßen.NRW etwa ein Jahr pro Tunnelröhre. Zeit wiedergutgemacht werden konnte mit der Applikation des Brandschutzputzes in knapp vier bis fünf Wochen – eine Herausforderung für Produkt und verarbeitende Firma gleichermaßen.
Dem Feuer widerstehen
Für Tunnelbauten gelten aufgrund hoher Brandlasten strenge Sicherheitsregelungen:
Gemäß der Rijkswaterstaat-Kurve (benannt nach der niederländischen Behörde, die für den Bau und Unterhalt von Straßen und Wasserwegen zuständig ist) werden für die Vollbrandphase extrem hohe Temperaturen von bis zu 1.350 °C zugrunde gelegt. Im Tunnel Lüdenscheid gilt zudem eine Beschränkung der maximalen Temperatur auf der Betonoberfläche von 350 °C.
Eine geforderte Feuerwiderstands-Dauer von bis zu drei Stunden erfüllen nur wenige Brandschutzputze.
Auch in Deutschland gilt die Richtlinie für „Schutzschichten für den erhöhten Brandschutz für unterirdische Bauwerke“ der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV): Im Deckenbereich muss ab einer bestimmten Schichtstärke zusätzlich eine Bewehrung angebracht werden. In Lüdenscheid wurde eine Edelstahlbewehrung (50 × 50 mm) als Putzträger integriert.
Geeignetes Material für ökologischen Brandschutz
Nur wenige Putze sind als Tunnelbrandschutz geeignet. Die Bauverantwortlichen entschieden sich in Abstimmung mit der beauftragten Hörnig Bauwerkssanierung GmbH für den oben genannten „ip 160“ – einen mineralischen Brandschutzputz mit CE-Kennzeichen, bestehend aus Zement, Kalkhydrat, Perlite, Vermiculit und Zuschlagsstoffen. Dieser kann gemäß Europäischer Technischer Zulassung ETA-19/0667 und nach DIN 4102 T4, Abschnitt 5.1.4 gemäß Ziffern 3 bis 6 eingesetzt werden. Wie in Brandschutzprüfungen der „Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen“ (MFPA) Leipzig ermittelt wurde, ersetzt der „ip 160“ bei einer Putzdicke von 40 mm und einer Brand-Dauer von 240 Minuten 144 mm dicken, deutlich schwereren Beton (Beton-Äquivalenzwert). Vermiculit ist ein selten vorkommendes, für den Brandschutz maßgeblich verantwortliches Schichtsilikat, das die Brandschutzfähigkeit von Asbest deutlich übertrifft und ökologisch unbedenklich ist.

Der Brandschutzputz „ip 160“ lässt sich leicht mit üblichem Equipment verarbeiten und in hoher Oberflächenqualität glätten bzw. filzen.
Maßgeblich für die erforderliche Begrenzung der Oberflächentemperatur an der Betonoberfläche ist auch die aufgebrachte Putzstärke. Der „ip 160“ kann ab einer einlagigen Schichtstärke von 5 mm mehrlagig bis zu einer Stärke von 40 mm aufgebracht werden. In Lüdenscheid wurde er im Spritzputzverfahren aufgetragen. Die ausreichende Haftung am Putzgrund gemäß DIN 18550 bzw. DIN 4102-4 wurde über eine mineralische Haftbrücke gewährleistet.

Ergänzend zur Haftbrücke wurde vor dem Aufspritzen des Brandschutzputzes eine Edelstahlbewehrung (50 × 50 mm) als Putzträger integriert.
In einem Arbeitsgang verarbeitet
Von Vorteil für den mehrlagigen Aufbau war, dass beim „ip 160“ die Schichten sehr schnell ansteifen, sodass noch am selben Tag weitere Lagen aufgetragen werden konnten. Alle Arbeitsschnitte einschließlich des Filzens wurden jeweils an einem Tag komplett fertiggestellt. Das Einsparen zusätzlicher Rüstzeiten reduzierte die Kosten und beschleunigte den Arbeitsprozess deutlich.

Bis zu 40 mm „ip 160“-Brandschutzputz wurden bei der Sanierung des Tunnels im Spritzputzverfahren aufgetragen.
Der „ip 160“ lässt sich leicht mit üblichem Equipment verarbeiten und in hoher Oberflächenqualität glätten bzw. filzen. Vorteilhaft für die Tunnelsanierung in Lüdenscheid war auch sein geringes Gewicht.
Dünnwandig den Konturen folgend, wurde der Brandschutzputz aufgebracht; er verändert den Tunnelquerschnitt und die ursprünglichen Raumgeometrien kaum.

Teamarbeit beim Aufspritzen und Glätten.
Fazit
Insgesamt belegt die Brandschutzsanierung des Tunnels in Lüdenscheid die Bedeutsamkeit der Asbestsanierungs- und Brandschutzkonzepte, der Materialien sowie ihrer Verarbeitung. Zulassungstechnisch wurden alle erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt. Unter anderem durch die schnelle Versteifung der aufgebrachten Brandschutz-Putzschichten konnten die Sanierungsmaßnahmen beschleunigt werden.
Bauvorhaben:
Brandschutztechnische Sanierung des Rathaustunnels in Lüdenscheid
Bauherr:
Landesbetrieb Straßen.NRW, Regionalniederlassung Südwestfalen
Planer/Generalunternehmer:
Hörnig Bauwerkssanierung GmbH
Verarbeiter:
Kluge Sanierung GmbH
Hersteller Brandschutzputz:
maxit
Bauzeit:
Dezember 2021 bis Februar 2022 (Brandschutzapplikation)
Autor
Ausgabe
BauPortal 3|2022
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