Sanierung, Bautenschutz
Innovative Baustofftechnologie bei Sanierungsarbeiten
Der S4 war als letzter von insgesamt sechs Schornsteinen an der Reihe, die auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein in Essen saniert werden mussten. Daher profitiert der Vierer nun als einziger von den jüngsten Errungenschaften der Baustofftechnologie – einem sulfatbeständigen Fugenmörtel.
Etwa 100 Hektar umfasst das Gelände der Zeche und Kokerei Zollverein, auf dem seit 1847 Kohle abgebaut wurde. Nach der Stilllegung der Zeche im Jahr 1986 und der Kokerei im Jahr 1993 wurden die Anlagen sukzessive saniert und für neue Nutzungen ertüchtigt. Eines der letzten Projekte in diesem Rahmen ist die Sanierung des Schornsteins S4, bei dem das erste Mal der neue sulfatbeständige Fugenmörtel S-FM von quick-mix zum Einsatz kam.
Gutes Zusammenspiel von Mörtel und Klinker
Dieser neue Fugenmörtel verfügt über die neue, patentierte SECON-Bindemitteltechnologie. Der Name SECON steht für die drei Attribute sicher, ökologisch und wirtschaftlich (secure, ecological, economic). Der rein mineralisch aufgebaute Fugenmörtel gilt als emissionsarm nach EC1plus und dank der neuartigen Zusammensetzung der Komponenten lässt er sich unter Einsparung an Primärenergie und CO₂-reduziert herstellen. Zudem soll der S-FM vor Ausblühungen und Auslaugungen aus dem Fugenmörtel schützen.
Diese Eigenschaften kamen auch dem ausführenden Fachunternehmen Mende Schornsteinbau GmbH & Co. KG, das mit den Sanierungsarbeiten beauftragt worden war, entgegen. Der S-FM harmonierte mit den verwendeten Klinker- und Radialklinkersteinen und ließ sich gut verarbeiten. Verfugt wird mit dem S-FM in mehreren Etappen. Der erste Schornsteinabschnitt hatte nach dem Mauern ca. vier Monate Zeit zum Trocknen. Dieses Zeitfenster ist ideal, denn so kann der Mauermörtel komplett durchtrocknen und es gibt kein Problem mit Restfeuchte.
Gutes Fugenbild ohne Auslaugungen
Im Vergleich zum herkömmlichen Fugenmörtel benötigt man laut Mende Schornsteinbau beim Verfugen mit dem Fugenmörtel S-FM „etwas mehr Druck, aber das sei eine marginale Umstellung“. Dank der neuen Rezeptur erhält der S-FM-Fugenmörtel ein bislang unerreicht hohes Kalkbindevermögen, das Auslaugungen aus dem Fugenmörtel vermeidet und daher ein Höchstmaß an Fassadenschutz bietet.
Kompletter Rückbau nötig
Die Sanierung des S4 ist die mit Abstand aufwendigste Sanierungsmaßnahme aller sechs Schornsteine. Entgegen der ursprünglichen Planung musste der alte Schornstein komplett zurück- und neu aufgebaut werden. Wichtig ist es dem Bauherrn hierbei, dass die insgesamt 2,5 Mio. Euro teure Maßnahme möglichst lange Bestand hat. Dafür soll der Fugenmörtel S-FM sorgen – und das in bedeutendem Ausmaß: Denn die gesamte Schornsteinaußenfläche summiert sich auf insgesamt 1.280 m2.
Normalformat und Radialklinker
Bei der Schornsteinsanierung kommen unterschiedliche Steinformate zum Einsatz. Bis zu einer Schornsteinhöhe von ca. 32 m setzte Mende Penter-Klinker Rot im Normalformat, also 240 × 115 × 71 mm, ein. Von dort an aufwärts kommen die Radialklinker lang (240 × 160 / 140 × 71 mm) und kurz (175 × 160 / 145 × 71 mm) zum Einsatz, um die Radialform halten zu können. Am Boden beträgt der Durchmesser des Schornsteins 6,20 m, in der Endhöhe von 80 m sind es 3,80 m. Das entspricht der üblichen Verjüngung von 3 cm pro Meter.
Eigenkonstruktionen
Der Schornstein wird nach jeder Steinschicht horizontal ausgerichtet, die vertikale Auszentrierung erfolgt Meter für Meter mithilfe einer Eigenbau-Spezialkonstruktion für den Zentrierlaser. Nicht nur hier bewies das Team von Georg Mende seine Kreativität. Auch der Arbeitsaufzug mit radialer Arbeitsplattform mit einem Durchmesser von 3,20 m ist eine Eigenkonstruktion. Hier wurde eigens ein herkömmlicher Materialaufzug so umgearbeitet, dass die Mauerteams auf der Plattform nach oben fahren und auch mauern können. Der Stein- und Mörtelnachschub wird über eine außenliegende Seilwinde sichergestellt. Je nach Bedarf befüllt das Windenteam eine Wanne mit 160 kg Fassungsvermögen mit dem Mauermörtel aus dem Silo und transportiert die Wanne mithilfe der Winde nach oben. Pro Tag schaffte man ca. 35 cm an Höhe, das sind vier Steinschichten und entspricht vier Mörtelwannen, also 640 kg an Mörtel.
Einer tanzt aus der Reihe
Mit einer Höhe von 80 Metern ist der Schornstein Nr. 4 der Kleinste in der imposanten Sechser-Reihe der Kokerei Zollverein, aber eben auch der einzige, der komplett saniert werden musste. Bei den früheren Maßnahmen mussten nur Teilsanierungen vorgenommen werden und auch beim S4 wollte man zunächst nur bis auf eine Höhe von 19,20 Metern zurückbauen. Je weiter sich George Mende und sein Team beim Rückbau nach unten arbeiteten, desto drastischer wurde allerdings das Schadensbild und irgendwann war klar, dass selbst Abbauhöhen von 4,00 oder 1,50 Meter keinen Sinn ergeben und nur ein kompletter Ersatzneubau zum Ziel führen wird.
Zeitfenster verlängert
Das hat auch den Projektzeitplan über den Haufen geworfen. Ursprünglich waren 18 Monate Sanierungs- und Bauzeit geplant, eine Fertigstellung der Maßnahme bis zum Jahresende 2020 anvisiert. Für Mende ist das nicht zu schaffen, denn der zusätzliche Aufwand für den Rück- und Neubau kann nicht so leicht kompensiert werden. Und natürlich muss auch das Wetter mitspielen. Im vergangenen Winter konnte das Mende-Team ziemlich lange durcharbeiten. Das ging aber nur, weil die Temperaturen es zuließen und man in Bodennähe arbeiten konnten. Da hatte das Unternehmen ein Standgerüst und eine beheizte Einhausung, sodass man auch mit vorgewärmten Steinen arbeiten konnte. Das klappte allerdings nur im unteren Bereich. Fürs Mauern darf die Steintemperatur nicht unter 5º C liegen und bei Regen geht natürlich auch nichts. Der neue Zeitplan sieht eine Fertigstellung der Maßnahme bis zur Jahresmitte 2021 vor. Wenn alles gut läuft, wollen Georg Mende und sein Team den Auftrag bereits im Frühjahr abschließen.
Starkes Doppel
Für die 1.280 m2 Schornsteinaußenfläche veranschlagt das Unternehmen Mende ca. 15 Tonnen an Mauermörtel, gerechnet wird mit 12 kg/m2. Hier kam auch ein Produkt von quick-mix zum Einsatz – der V.O.R.- Mauermörtel. Dieser kam bereits bei der Sanierung S5 (2018/19) und zuvor auch bei den Sanierungen der Mischanlage für die Schächte I, II und XII sowie der Bandbrücke zum Einsatz (beides 2017).
Industriedenkmal und UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein
Von 1847 bis 1986 wurden auf der Zeche Zollverein insgesamt 240 Mio. Tonnen Kohle abgebaut, über und unter Tage waren bis zu 8.000 Bergleute im Schichtwechsel beschäftigt. Das Bergwerk mit seinen weitgehend automatisierten Arbeitsabläufen galt als das größte und leistungsfähigste weltweit. Die letzte der insgesamt zwölf Schachtanlagen wurde 1932 in Betrieb genommen und galt aufgrund der funktionalen, neusachlichen Gestaltung nach Plänen von Fritz Schupp und Martin Kremmer von Beginn an als technisches und ästhetisches Meisterwerk der Moderne. Im gleichen Stil wurde von 1957 bis 1961 die Kokerei Zollverein westlich von Schacht XII gebaut.
Seit der Stilllegung der Zeche im Jahr 1986 und der Kokerei im Jahr 1993 wurden die Anlagen sukzessive saniert und für neue Nutzungen ertüchtigt. Heute ist die Zeche Wahrzeichen des Ruhrgebiets, Monument der Industriekultur und eine Touristenattraktion, die jährlich 1,5 Mio. Besucher anzieht. Entsprechend investiert das Land Nordrhein-Westfalen in den Erhalt des UNESCO-Welterbes. Allein in den kommenden zwölf Jahren wird ein Investitionsvolumen von 85 Mio. Euro für weitere Sanierungsmaßnahmen veranschlagt. Im Bereich der Kokerei stehen konkret die Sanierung des Vorkühlers am Schornstein S4, die Ausbesserung der Löschgleishalle in der Koksofenbatterie sowie des Löschturms Mitte und des Kohlenturms an.
Weitere Informationen unter:
www.quick-mix.de
www.secon.tech
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Ausgabe
BauPortal 1|2021
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