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Illustration zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Bild: robu_s - stock.adobe.com

Gesundheit, Bauorganisation

Serie „Klimawandel und Bauunternehmen“, Teil 3/4

Teil 3/4: Technische Randbedingungen im Umgang mit witterungsbedingten Einflüssen

Die Bauproduktion wird von der Witterung beeinflusst. Rechtliche und normative Grundlagen zielen vornehmlich auf den Winterbau ab (vgl. Serie, Teil 1). Die Betrachtung der sommerlichen Verhältnisse erfolgt derzeit allenfalls ansatzweise. Dies stellt insbesondere für die am Bau Beschäftigten eine zunehmende Herausforderung dar (vgl. Serie, Teil 2). Nachfolgend werden weitere Ergebnisse des Forschungsprojekts KlimaBau zu technischen Grenzwerten und Klimadaten vorgestellt.

Die Ausführung von Bauarbeiten ist grundsätzlich bei (fast) allen Witterungsbedingungen möglich. Es kommt allerdings darauf an, welche Vorkehrungen für die Durchführung von Bauarbeiten bei „ungünstigen Witterungsbedingungen“ getroffen werden, ob die zu treffenden Vorkehrungen wirtschaftlich sind und wer etwaige Zusatzkosten trägt. Generell existieren bestimmte Bereiche für Witterungsbedingungen, in denen die Bauausführung ohne besondere Vorkehrungen durchführbar ist. Diese Bereiche unterliegen physikalischen Gesetzmäßigkeiten und sollten im Idealfall über konkrete Grenzwerte bzw. Schwellenwerte beschrieben sein.

Herausforderungen bei der Interpretation technischer Grenzwerte

Es war daher ein Ziel des Forschungsprojekts, witterungsbedingte technische Grenzwerte bzw. Schwellenwerte für die Bauproduktion (Materialverarbeitung) zu identifizieren. Als Schwellenwert ist ein Wert zu verstehen, ab dessen Über- bzw. Unterschreitung zusätzliche Maßnahmen (technischer, organisatorischer oder persönlicher Art) notwendig sind. Beginnend mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/C) wurden Normen, gewerkespezifische Regelwerke und Herstellerrichtlinien („normative Literatur“) im Hinblick auf etwaige Vorgaben von Grenzwerten für ausgewählte Gewerke untersucht (Maurer- und Betonbauarbeiten, Dachdeckerarbeiten, Zimmererarbeiten und Straßenbauarbeiten).

Für Lufttemperaturen sind der normativen Literatur (vereinzelt) konkrete Schwellenwerte für die Materialverarbeitung zu entnehmen (vgl. Abb. 1). Hierbei sind gewerkespezifische Unterschiede festzustellen, die nicht in einem pauschalen Grenzwert zusammengefasst werden können.

Für Niederschlag, Wind und Schnee werden in der normativen Literatur zahlreiche unbestimmte Begriffe verwendet. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde daher ein erster analytischer Versuch unternommen, die unspezifischen Angaben der Normen und Richtlinien anwendbar zu machen. Beispielsweise wird „starker Wind“ für Abdichtungsarbeiten des Dachdeckens als ungünstiges Witterungsereignis bezeichnet, sodass zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden.[1] „Starker Wind“ entspricht gemäß Beaufort-Skala der Stufe 6, die mit einer Windgeschwindigkeit[2] von 39 bis 49 km/h definiert ist.[3] Weitere Begriffe, die mithilfe meteorologischer Kennwerte und Skalen übersetzt wurden, sind beispielsweise „geschlossener Wasserfilm“, „starke Regenschauer“ und „extreme Wärmebelastung“.Aus Sicht der Autorinnen und Autoren kann es jedoch nicht allein Aufgabe der Unternehmen sein, mögliche Grenzen durch eine ‚Übersetzung‘ unklarer Regelungen zu definieren. Nachvertragliche Streitigkeiten zur Definition von Grenzwerten sind ebenso wenig zielführend.
 

Abb. 1: Aus der
normativen Literatur entnehmbare Grenzwerte für Lufttemperaturen
Bild: TU Braunschweig

Praktische Bedeutung von Erfahrungswerten

Zur Validierung der theoretisch ermittelten Ergebnisse wurde Handwerksunternehmen die Frage gestellt[4], wie witterungsbedingte Ausführungsgrenzen für das Einleiten von Maßnahmen oder gar das Einstellen von Tätigkeiten festgelegt werden. Mehrfachnennungen waren zulässig, um die Bandbreite der Entscheidungsfindung besser abzubilden. In Abb. 2 sind die Verteilungen der Befragungsergebnisse visualisiert.

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass Normen in der Praxis nur bedingt herangezogen werden, um Grenzwerte für die Leistungserbringung festzulegen bzw. Maßnahmen einzuleiten. Fast immer greifen die befragten Unternehmen (auch) auf ihre eigenen Erfahrungswerte zurück. Augenfällig ist, dass alle Unternehmen für Zimmerer- und Straßenbauarbeiten angaben, ihre Entscheidungen unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten zu treffen – bei gleichzeitig geringerer Bedeutung von Normen und Richtlinien. Insbesondere für die Zimmer er arbeiten lieferte die Literaturrecherche – im Gegensatz zu den anderen Gewerken – tatsächlich nur wenig konkrete Ergebnisse an normativen Grenzwerten. Insgesamt bestätigen die Befragungsergebnisse den Eindruck, der bei der Recherche der normativen Literatur gewonnen wurde: Die normativen Regelungslücken erfordern einen Rückgriff auf unternehmerische Erfahrungswerte.

Für die Festlegung witterungsbedingter Ausführungsgrenzen sind zum einen Grenzwertangaben von Bedeutung und zum anderen ist der Abgleich mit den entsprechenden Klimadaten notwendig.

Der DWD stellt eine Reihe von Klimadaten aus der Vergangenheit für die kurzfristige Prognose sowie in Form mittel- bzw. langfristiger Klimaprojektionen zur Verfügung.

Abb. 2: Befragungsergebnisse ausgewählter Gewerke zur Grenzwertbestimmung/-festlegung.
Insgesamt haben 244 Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerks an der Befragung teilgenommen
Bild: TU Braunschweig

Verfügbarkeit von Klimadaten

So werden beispielsweise über das Climate Data Center[5] des DWD historische und aktuelle klimatologische Daten für viele Orte im Bundesgebiet interaktiv angeboten. Mit der Warn-Wetter-App versorgt der DWD im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags die breite Öffentlichkeit und spezielle Institutionen mit Hinweisen zur aktuellen Warn- und Wettersituation. Für mögliche Szenarien des zukünftig erwartbaren Klimas steht zudem der Deutsche Klimaatlas zur Verfügung. Diese Tools des DWD können bislang unter anderem herangezogen werden, um Klima- bzw. Witterungsbedingungen – auch aus Sicht von Baubeteiligten – zu beurteilen.

Die im Kontext der Bauwirtschaft und Bauausführung im Forschungsprojekt als relevant identifizierten meteorologischen Elemente umfassen insbesondere:

  • Eistage (Tmax < 0 °C),
  • Frosttage (Tmin < 0 °C),
  • Sommertage (Tmax ≥ 25 °C),
  • heiße Tage (Tmax ≥ 30 °C),
  • mittlere Anzahl der Tage mit Tmin < 5 °C,
  • weitere Lufttemperaturen,
  • Windgeschwindigkeiten,
  • Niederschlag und Starkniederschlagsparameter sowie die
  • mittlere Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe ≥ 0,1 cm.


Um die spezifischen Anforderungen des Baugewerbes hinsichtlich der Klimadaten zu erfüllen, musste auf verschiedene Quellen für Vergangenheit und Zukunft zurückgegriffen werden. Der DWD betreibt ein umfangreiches Messnetz an Wetterstationen. Die längsten beobachteten Zeitreihen in Deutschland reichen dabei bis in das Jahr 1881 zurück. Da die für das Baugewerbe relevanten Daten, teilweise in unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Auflösungen verfügbar sind, waren diese zu vereinheitlichen bzw. operativ zu monitoren. Ausgewählte meteorologische Variablen wurden monatlich bzw. jährlich durch den DWD ausgewertet und im Projekt verfügbar gemacht. Die räumliche Auflösung betreffend wurden für Deutschland zum einen zweidimensionale Gebietsmittel (Felder) und zum anderen Zeitreihen der Variablen bereitgestellt. Darüber hinaus wurden als repräsentativ angenommene Stationen bezüglich relevanter Elemente untersucht.

Die Tatsache, dass meteorologische Aussagen immer vor einem regionalen Bezug bewertet werden sollten, unterstreichen die Abbildungen 3 und 4.

Die hier betrachteten Stationen Bremen und Augsburg verzeichnen über den Zeitraum 1990 bis 2019 eine Zunahme der heißen Tage (vgl. Abb. 3). Die im Norden Deutschlands gelegene Station Bremen registrierte im Jahr 2018 die meisten heißen Tage (22), während die süddeutsche Station Augsburg das Maximum mit 24 heißen Tagen im Jahre 2015 verbuchte.

Abb. 3a: Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Anzahl heißer Tage (Tmax ≥ 30 °C) pro Jahr in Bremen. Zusätzlich dargestellt ist der lineare Trend für den Zeitraum 1990 bis 2019.
Bild: TU Braunschweig
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Abb. 3b: Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Anzahl heißer Tage (Tmax ≥ 30 °C) pro Jahr in Augsburg. Zusätzlich dargestellt ist der lineare Trend für den Zeitraum 1990 bis 2019.
Bild: TU Braunschweig
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Im Gegensatz zu den heißen Tagen ist bei den Frosttagen (Tmin < 0 °C) kein einheitliches Trendverhalten für die ausgewählten Stationen zu erkennen. Für die Station Bremen ist in der Abb. 4 eine (leichte) Abnahme dieser Tage zu erkennen, wohingegen in Augsburg die Frosttage im linearen Trend leicht zunehmen.

Die beispielhafte Auswertung zweier Stationen für heiße Tage und Frosttage zeigt, dass keine pauschalen Aussagen zu Witterungsbedingungen für ganz Deutschland möglich sind. Regionale Unterschiede (räumliche Variabilität) sind ebenso zu berücksichtigen wie natürliche zeitliche Abweichungen. Für Niederschlags- und Windverhältnisse sind die räumlichen und zeitlichen Abweichungen im Vergleich zur Temperatur nochmals stärker ausgeprägt.

Die Literaturrecherche zu technischen Grenz- bzw. Schwellenwerten sowie die Handwerksbefragung veranschaulichen Regelungslücken trotz offensichtlicher Abhängigkeiten von Witterungseinflüssen. Zudem erschweren lokale Unterschiede und die zeitliche Variabilität die frühzeitige Berücksichtigung von Witterungsereignissen bzw. etwaigen Maßnahmen (spätestens in der Angebotskalkulation).

Abb. 4a: Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Anzahl der Frosttage (Tmin < 0 °C) pro Jahr in Bremen. Zusätzlich dargestellt ist der lineare Trend für den Zeitraum 1990 bis 2019.
Bild: TU Braunschweig
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Abb. 4b:Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Anzahl der Frosttage (Tmin < 0 °C) pro Jahr in Augsburg. Zusätzlich dargestellt ist der lineare Trend für den Zeitraum 1990 bis 2019.
Bild: TU Braunschweig
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Fazit

Bei einer möglichen und teilweise notwendigen Überarbeitung normativer Grundlagen muss sichergestellt werden, dass die Regelungen praktikabel in der Anwendung und zielführend sind. Dabei sind insbesondere die verfügbaren Klimadaten zu berücksichtigen, um den Beteiligten die Möglichkeit einer Prognose (im Zuge der Planung/Angebotsbearbeitung) und der Gegenüberstellung mit tatsächlichen Werten (während der Ausführung) zu ermöglichen.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels werden die Bauausführenden vor wachsenden Herausforderungen im Umgang mit Witterungseinflüssen stehen. Der abschließende vierte Teil der Serie wird ausgewählte Handlungsoptionen im Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels vorstellen.

Fußnoten
1
Vgl. Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (Hrsg.) (2016), Nr. 1.4 (1).
2
Mittlere Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe über freiem Gelände.
3
Vgl. DWD (o. J.), o. S. Wetter- und Klimalexikon: Beaufort-Skala (https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/Functions/glossar.html?lv2=100310&lv3=100390).
4
Die Befragung wurde in der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, der Handwerkskammer Südthüringen und der Handwerkskammer für Schwaben durchgeführt. Die befragten Unternehmen sind dem Bauhauptgewerbe oder dem Ausbaugewerbe des zulassungspflichtigen Handwerks zuzuordnen.
5
Vgl. https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/cdc/cdc_node.html.
Autoren

Dr. Andreas Walter

Klima- und Umweltberatung
Referat Zentrales Klimabüro
Deutscher Wetterdienst

Luisa Kynast, M. Sc.

TU Braunschweig

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Patrick Schwerdtner

Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb (IBB)
TU Braunschweig

Dr. med. Ute Pohrt

Abt. Gesundheit
BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 3|2021