Elektrosicherheit
Klimawandel und seine Auswirkungen auf Arbeitsschutz und Elektrosicherheit
In Teil 1 wurden allgemein die Folgen des Klimawandels auf Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beschrieben. In Teil 2 geht es vor allem um die konkreten Auswirkungen auf den Arbeitsschutz bei Bauarbeiten, die im Zuge der geänderten klimatischen Bedingungen und der fortschreitenden Energiewende stattfinden.
Verbunden mit der Energiewende ist nicht nur die Abschaltung der Atomkraftwerke bis 2038, sondern auch die zunehmende Nutzung regenerativer Energien. Dafür müssen jedoch die entsprechenden Anlagen gebaut und betrieben werden. Bei den Bau- und Wartungsarbeiten solcher Anlagen gilt es, bekannte und neue Gefährdungen zu berücksichtigen.
Bauarbeiten in, an und auf Windkraftanlagen großer Leistung
Viele Gefährdungen, wie z. B. durch Absturz, bewegliche Teile, Lärm, Vibrationen, biologische Arbeitsstoffe, sind auf Windenergieanlagen zu berücksichtigen, wie auf allen anderen Baustellen auch. Nur die aus den Besonderheiten von Windenergieanlagen resultierenden besonderen Gefährdungen werden im Folgenden beschrieben. Weitere und ausführlichere Hinweise gibt die DGUV Information 203-007 „Windenergieanlagen“.
Besondere Anforderungen werden an die Notfallorganisation und die Rettungskonzepte gestellt. Diese unterscheiden sich u. a. nach Bauart, Einsatzort und Erreichbarkeit. Grundsätzlich muss der Anlagenbetreiber ein Rettungskonzept erarbeiten, das auch für die Baufirmen gilt und anzuwenden ist. Bei der materiellen Absicherung, z. B. Beschaffung und Verwendung für die Örtlichkeit geeigneter Rettungsgeräte und persönlicher Schutzausrüstung, und für die Einhaltung der Rettungskette bei den Bauarbeiten ist jedoch immer der ausführende Unternehmer für seine Beschäftigten verantwortlich. Kommunikationseinrichtungen müssen vorhanden sein und funktionieren. Das ist täglich vor Arbeitsbeginn zu testen. Im Auffanggurt hängende Personen müssen, zur Vermeidung von Hängetraumata, schnellstmöglich (max. 20 Minuten) gerettet werden. Es sind regelmäßig Rettungsübungen durchzuführen. Alle Beschäftigten sollen Ersthelfer sein, die über ein leicht mitzuführendes Erste-Hilfe-Set verfügen sollten.
Vor Beginn der Arbeiten hat immer eine Einweisung zu den örtlichen Gefährdungen zu erfolgen. Windkraftanlagen und dazugehörige Nebenanlagen sind in sich abgeschlossene elektrische Betriebsstätten: Alle Bauarbeiten dürfen nur unter Leitung und Aufsicht von Elektrofachkräften durchgeführt werden. Im Turm und im Maschinenhaus gibt es teilweise erhöhte elektrische Gefährdungen durch leitfähige Bereiche bei begrenzter Bewegungsfreiheit. Es gelten die Anforderungen der DGUV Information 203-004. Jedes handgeführte elektrische Arbeitsmittel darf dort nur über einen separaten Trenntrafo oder mit Kleinspannung betrieben werden.
Aus der turmartigen Bauweise und der räumlichen Enge resultieren Besonderheiten hinsichtlich der Brand- und Gefahrstoffausbreitung. Dämpfe brennbarer Flüssigkeiten sind z. B. schwerer als Luft und werden an darüber befindlichen Arbeitsplätzen nicht (oder zu spät) bemerkt. Brandlasten sind zu reduzieren. Bereitgestellte Arbeitsstoffe, Verpackungen und Hilfsmittel, Putzmittel und ölgetränkte Putzlappen dürfen nicht im Bereich von Zündquellen abgelegt werden. Nach Beendigung der Arbeiten sind alle Materialien und Hilfsmittel aus der Anlage zu entfernen. Grundsätzlich sind Zündquellen zu vermeiden. Bei Gewitter sind die Arbeiten einzustellen. Feuerlöscheinrichtungen, z. B. Handfeuerlöscher, sind bereitzuhalten, zu kennzeichnen und gut zugänglich zu halten. Gase, Dämpfe, Aerosole, Stäube sind weitgehend zu vermeiden und ansonsten rechtzeitig abzusaugen. Bei Schleifarbeiten sind Entstauber einzusetzen. In besonderen Bereichen (z. B. Rotorblätter) ist für ausreichende Lüftung zu sorgen.
Hochentzündliche Lösemittel sollten vermieden werden. Wird der Einsatz lösemittelhaltiger Beschichtungsstoffe notwendig, sind besondere Maßnahmen zu ergreifen und in einer Betriebsanweisung zu erfassen. Fünf Meter um die Verarbeitungsstelle gelten als feuergefährdet: Dort sind Zündquellen zu vermeiden. Werden Stoffe fein versprüht oder erwärmt, besteht auch für Beschichtungsstoffe mit einem Flammpunkt über 55 °C Explosionsgefahr. Zündquellen sind nicht zulässig und die Verarbeitung darf nicht in der Nähe heißer Oberflächen erfolgen. Der Arbeitsbereich muss ausreichend belüftet werden, weil Dämpfe sonst unter die Arbeitsstelle absinken können. Am Arbeitsplatz vorhandene Farb- und Lösemittelmengen sind auf den Schichtbedarf zu begrenzen und nach Beendigung der Arbeiten zu entfernen.
Arbeiten in der Nähe von Solaranlagen
Solarthermie dient der Wärmeerzeugung für Warmwasser und Heizung und mit Photovoltaik wird elektrische Energie erzeugt. Im Zusammenhang mit Bauarbeiten stehen in erster Linie die auf Dächern montierten Solaranlagen. Dachreparaturen und Sanierungen, Schornsteinfegerarbeiten oder Arbeiten an der Fassade müssen auch weiterhin durchgeführt werden. Für den Betrieb der Solaranlagen müssen regelmäßige Reinigungsarbeiten durchgeführt werden. Gefährdung bestehen dabei vor allem durch Absturz, Ein- und Durchsturz. Oft sind Absturzsicherungen und Verkehrswege bei der Errichtung der Anlagen nicht berücksichtigt worden. Tragkonstruktionen der Module dürfen nicht als Anschlagpunkte genutzt werden, weil sie die dynamische Last beim Absturz nicht halten. Es sind deshalb alle Anforderungen an Höhenarbeiten nach Betriebssicherheitsverordnung bzw. nach den Technischen Regeln TRBS 2121 zu beachten. Das betrifft den Zugang zu den Arbeitsplätzen mittels Leiter und die Arbeit von der Leiter sowie den Aufbau und die Nutzung von Gerüsten. Wenn der Betrieb der Anlage und notwendige Reinigungsarbeiten bei der Planung nicht bedacht wurden und beispielsweise zwischen den Kollektoren keine ausreichenden Wartungsgänge oder fest montierte Laufstege vorhanden sind, kann oder darf das Dach nicht betreten werden und die Arbeiten sind, z. B. nur von einer Hubarbeitsbühne und der Transport von Lasten nur mit mobilen Aufzügen möglich. Am Zugang zu Solaranlagen, wie Dachluken oder Leitergänge, müssen Hinweisschilder vorhanden sein. Vorhandene Einrichtungen z. B. von Blitz- oder Brandschutzanlagen dürfen bei Bauarbeiten nicht verändert oder beeinträchtigt werden. Technisch notwendige Änderungen an solchen Anlagen sind vom Betreiber bzw. von einer Fachkraft zu beurteilen. Werden bei Bauarbeiten Schäden an solchen vorhandenen Anlagen festgestellt, sollte der Betreiber der Anlagen nachweislich auf abgängige Anlagen hingewiesen werden. Die Kollektoren von Solaranlagen dürfen bauartbedingt meist nicht betreten werden. Wie bei allen Dacharbeiten müssen ggf. darüber befindliche Freileitungen beachtet werden.
Im ungestörten Betrieb gehen von Solaranlagen kaum Gefährdungen aus. In den Kollektoren der Solarthermie und in den Leitungen zum Speicher sind bis zu 90 °C heiße flüssige Medien zu erwarten, die bei Zerstörungen auch schlagartig freigesetzt werden können. Bei Störfällen an Photovoltaikanlagen, z. B. durch einen Sturmschaden, sind elektrische Gefährdungen möglich, wenn normalerweise gut isolierte Anschlüsse oder Leitungen plötzlich zugänglich werden. Die in einem einzelnen Photovoltaikmodul erzeugte Elektroenergie ist relativ ungefährlich, aber auch bei geringfügiger Körperdurchströmung sind Schreckreaktionen und Sekundärunfälle möglich. Die Energiesumme vieler Module, die mit elektrischen Leitungen von den Dachmodulen ins Haus geführt wird, kann in solchen Fehlerfällen lebensgefährlich sein. Die Energieerzeugung kann nicht ausgeschaltet werden. Deshalb ist eine Photovoltaikanlage, auch wenn sie durch äußere Einwirkungen zerstört wurde, immer als unter Spannung stehend zu betrachten, bis eine Elektrofachkraft eine Freigabe zum Arbeiten erteilt. Im normalen Betrieb ist die erzeugte Elektroenergie auf dem Dach nicht abgreifbar. Reinigungsarbeiten (auch mit Wasser) in Kehr- und Wischtechnik sind i. d. R. gefahrlos möglich. Der Einsatz von Druckstrahlwasser und aggressiven Reinigungsmitteln sollte im Bereich von Steckverbindern und Anschlusskästen vermieden werden. Angaben des Herstellers müssen beachtet werden. Müssen Schweiß- oder Lötarbeiten bzw. vergleichbare Arbeiten mit Hitzeentwicklung in der Nähe von Photovoltaikanlagen durchgeführt werden, ist zu beachten, dass die Module brennbar sind. Weitere Hinweise zu Arbeiten an Solaranlagen gibt die DGUV Information 203-080 „Montage und Instandhaltung von Photovoltaik-Anlagen“.
Arbeiten in der Nähe von Biogasanlagen
Durch Vergärungsprozesse nachwachsender oder nicht mehr benötigter Biomasse (Pflanzen, Pflanzenöl, Tierfutterreste, Gülle usw.) entstehendes Methangas wird direkt vor Ort in einem Kraftwerk thermisch verarbeitet und zur Gewinnung von Elektroenergie und/oder zu Heizzwecken genutzt. Integriert ist meist auch ein Gasspeicher. Spezielle elektrische Gefährdungen bestehen nur in abgeschlossenen elektrischen Betriebsräumen des Blockheizkraftwerks. Dort notwendig werdende Arbeiten sind nur unter Aufsicht von Elektrofachkräften durchzuführen. Vor dem Betreten der Anlagen sollte eine Einweisung durch den Betreiber erfolgen. Verhaltensregeln, auch für den Störfall, müssen jedem Beteiligten bekannt sein. Biogas ist brennbar bzw. explosiv und auch giftig. Entsprechend sind umfangreiche Maßnahmen im Explosionsschutz, z. B. im Bereich des Gasspeichers, notwendig. Vor Arbeiten am Fermenter ist das Rührwerk abzustellen und gegen Wiedereinschalten zu sichern.
Neue Technologien, Energieträger und Speichermedien
Durch den verstärkten Einsatz neuer Technologien kommt es zu einer Verringerung der elektrischen Gefährdungen. Im Baustellenbereich werden weniger Leitungen verlegt, dadurch kommt es zu weniger elektrischen und mechanischen Fehlerquellen. Weil auch Verbrennungsmotoren ersetzt werden, entfallen meist auch Gefährdungen durch Gefahrstoffe (Abgase) vor allem in Innenräumen. Oft werden neue Arbeitsmaschinen mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben. Es sind jedoch auch schon Anlagen der Stromversorgung mit Brennstoffzellen auf dem Markt. Für die „Betankung“ solcher Anlagen wird Wasserstoff verwendet oder vergleichbare Energieträger wie Methanol, Erdgas oder auch Propangas. Solche Gase werden auch schon als direkter Brennstoff in Maschinen und Fahrzeugen eingesetzt. Aktuell ist der Baustelleneinsatz der hochentzündlichen Energieträger – flüssig, tiefkalt oder unter hohem Druck stehend – nur in wenigen Gewerken üblich und muss den dafür geltenden Regeln folgen. Brennstoffzellen erzeugen gleichzeitig Strom und Wärme unter Nutzung der elektrochemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff. Weil die elektrische Energie ohne thermische und mechanische Zwischenschritte erzeugt wird, kann ein relativ hoher Wirkungsgrad erreicht werden. Da keine Verbrennung erfolgt, gibt es auch keine gefährlichen Abgase. Es entsteht im Grunde nur Wasser. Brennstoffzellen sind vielseitig einsetzbar, z. B. als Stromerzeuger für große und kleine Kraftwerke, für die Strom- und Wärmeversorgung von Gebäuden oder für die mobile Nutzung für Fahrzeuge und Werkzeuge.
Lithium-Ionen-Akkus speisen Telefone, Laptops, Elektrowerkzeuge, Baumaschinen und Elektroautos. Ihr Vorteil: hohe Leistungsdichte, viele Ladezyklen, geringe Entladung bei Nichtgebrauch und kein Memory-Effekt. Der Nachteil: Lithium ist ein chemisch hochreaktives Metall und die Elektrolyte sind hochentzündlich, können sich an der Luft entzünden. Entsprechend sensibel reagieren die Akkus auf falsche Handhabung. Brennende Akkus lassen sich kaum löschen. Lithium-Ionen-Akkus sind gekapselt. Ein Gasen beim Laden wird normalerweise nicht auftreten. Besondere Lüftungsmaßnahmen sind nicht erforderlich. Beim Betrieb der Maschinen und besonders bei Lagerung und Transport der Akkus ist darauf zu achten, mechanische Einflüsse wie Stöße zu vermeiden. Sie können im Inneren einen Kurzschluss und in Folge einen Brand samt Freisetzung giftiger Stoffe und schädlicher Gase verursachen. Die Akkus dürfen nicht extremen Hitzequellen ausgesetzt und sollen nicht in brandgefährdeten Bereichen gelagert oder geladen werden. Beim Einsatz der akkubetriebenen Maschinen sind heiße Oberflächen zu vermeiden. Volllast der Akkus bei niedriger Umgebungstemperatur führt zu extrem hoher Stromabnahme und kann damit ebenfalls zu einer gefährlichen Erwärmung führen. Beim Transport der Akkus sind gefahrgutrechtliche Bedingungen einzuhalten. Die Pole der Akkus sollten bei Lagerung und Transport abgedeckt oder abgeklebt werden, um sie so vor Kontakt mit leitfähigen Materialien zu schützen. Empfohlen wird, Akkus nur in der Originalverpackung zu transportieren. Gelagert werden sollte kühl, frostfrei und trocken. Auch bei Überladung und Tiefentladung sind Schädigungen möglich. Bei Überladungen kann es im Inneren zu unzulässigen Druckbelastungen und extremen Erwärmungen kommen, die zum Kurzschluss und Brand führen können. Deshalb dürfen nur Originalladegeräte benutzt werden, die solche Überladungen nicht zulassen. Tiefentladungen werden i. d. R. durch im Akku verbaute Überwachungstechnik verhindert, indem die Arbeitsgeräte rechtzeitig abgeschaltet werden. Dennoch kann Tiefentladung durch lange Lagerung ohne Gebrauch entstehen. Zur Vorbeugung sollten entladene Akkus nicht ohne vorheriges Nachladen gelagert werden.
Ladevorgänge müssen nicht permanent überwacht werden, aber eine extreme Überhitzung oder eine zu lange Ladedauer sollte bemerkt werden. Solche Fehler deuten auf defekte Zellen im Akku hin, der dann überprüft bzw. nicht mehr benutzt werden sollte.
Fazit
Der Klimawandel und damit verbunden die Energiewende führen im Bereich des Arbeitsschutzes und der Elektrosicherheit zu einer Verstärkung schon bekannter Belastungen und zu neuen Anforderungen. Teilweise kommt es durch die neuen Technologien aber auch zu Verbesserungen der Elektrosicherheit, z. B. beim Einsatz von Akkugeräten.
Autor
Ausgabe
BauPortal 4|2020
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