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Illustration zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Bild: robu_s - stock.adobe.com

Gesundheit, Bauorganisation

Serie „Klimawandel und Bauunternehmen“, Teil 1/4

Teil 1/4: Auswirkungen des Klimawandels auf Bauunternehmen - Status quo im Umgang mit witterungsbedingten Einführungen

Lang vor der „Fridays for Future“-Bewegung ist der Klimawandel ein Thema in der Baubranche, denn Bauunternehmen sind schon immer von der Witterung abhängig. Allerdings zielen bestehende rechtliche Grundlagen und Normen vornehmlich auf den Winterbau ab. Die Betrachtung der sommerlichen Verhältnisse erfolgt derzeit allenfalls ansatzweise. Das Forschungsprojekt „KlimaBau“, dessen Ergebnisse in einer vierteiligen Serie vorgestellt werden, betrachtet die verschiedenen Aspekte der Witterungsabhängigkeit der Bauausführung. In diesem Teil wird dargestellt, wie der Status quo im Umgang mit witterungsbedingten Einflüssen ist. 
 

Bauunternehmen sind in unterschiedlichster Weise von Witterungsereignissen abhängig. Wesentliche Teile der Bauproduktion finden unter ‚freiem Himmel‘ statt. Durch differierende vertragliche Vorgaben in technischen Vertragsbedingungen und insbesondere die bei der Verarbeitung von Materialien zu beachtenden herstellerspezifischen Angaben besteht die Witterungsabhängigkeit nicht für alle Gewerke (und Prozessschritte) gleichermaßen. Zudem ist die Betrachtung notwendigerweise um die Einsatzgrenzen der bauausführenden Beschäftigten zu ergänzen.


Grenzen und Gefährdungen erkennen

Generell gelten bei der Verarbeitung von Materialien physikalische Grenzen, bis zu denen ohne zusätzliche Maßnahmen bzw. unter Berücksichtigung allgemein anerkannter Regeln der Technik und sonstiger spezifischer Regelwerke gebaut werden kann. Beim Faktor Mensch ist eine solche trennscharfe Linie nicht ohne Weiteres zu erkennen. Zwar lassen sich Bereiche für Witterungsbedingungen beschreiben, in denen gesunde Arbeitskräfte optimal leistungsfähig sind. Außerhalb dieser Bereiche ist mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit zu rechnen. Dieser Aspekt wird bei der Planung und Durchführung von Bauprojekten regelmäßig vernachlässigt. Ab wann die Verrichtung der Tätigkeit in Abhängigkeit von der Arbeitsschwere und der persönlichen Schutzausrüstung sogar gesundheitlich gefährdend wird oder eine Fortführung der Arbeiten zusätzlicher Schutzmaßnahmen bedarf, obliegt der Einschätzung von Arbeitgebenden und Unternehmen im Rahmen ihrer Gefährdungsbeurteilung. Diese Beurteilung ist gerade für Außenarbeiten nicht trivial und in der Praxis häufig das Ergebnis des Zusammenspiels aus subjektiven Erfahrungswerten und terminlichen Zwängen.
 

Problem vertragliche Regelungen

Eine relevante Ursache für die praktischen Probleme bei der Umsetzung von Maßnahmen im Falle witterungsbedingter Einflüsse lässt sich in der vorvertraglichen Phase verorten. Die Berücksichtigung von Witterungsereignissen ist grundsätzlich bereits in der Angebotsphase erforderlich, um beispielsweise terminliche und/oder preisliche Puffer einzukalkulieren. Aus Wettbewerbsgründen oder aufgrund mangelnder Sensibilität werden Witterungsrisiken jedoch oftmals außer Acht gelassen. Spätestens bei Vertragsschluss sollten jedoch unmissverständliche vertragliche Regelungen vereinbart werden, um das unscharfe Bild der üblicherweise vereinbarten Regelungen der VOB/B klarer zu zeichnen. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B gelten „Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, […] nicht als Behinderung.“

Die Praxis zeigt, dass sich vortrefflich darüber streiten lässt, mit welchen Witterungsbedingungen normalerweise bei Angebotsabgabe zu rechnen war. Im Zweifel scheut das ausführende Bauunternehmen nicht selten das Risiko, kostenintensive (und nicht vergütungsfähige) Maßnahmen einzuleiten oder die Arbeiten einzustellen.
 

Klimawandelfolgen für die Bauausführung – Regelungsbedarf

Bislang gilt der Winter als die die Bauausführung maßgeblich limitierende Jahreszeit. Vorhandene Normen und Richtlinien sowie baubetriebliche Literatur thematisieren in ihren Ausführungen zur Witterung überwiegend die winterlichen Bedingungen. Gleiches gilt für die gängige Ausschreibungspraxis. Die Muster für Ausschreibungstexte des Standardleistungsbuchs beinhalten den Leistungsbereich „098 Witterungsschutzmaßnahmen“. Die Textbausteine enthalten allgemeine Aussagen zu Witterungsverhältnissen und sind insbesondere auf Winterbau-Schutzmaßnahmen zugeschnitten. [1] Ähnlich verhält es sich mit den Angaben zum Schutz der Bauausführenden. In dem Punkt zu Witterungseinflüssen ist die Arbeitsstättenverordnung für Arbeiten im Freien/nicht umschlossenen Raum insbesondere zu sommerlichen Lagen noch nicht ausreichend konkretisiert.

Die meteorologischen Daten führen jedoch zu der Erkenntnis, dass eine Tendenz zu milderen, aber feuchteren Wintern (Abnahme von „Frosttagen“; Zunahme von Niederschlägen) und heißeren Sommern (Zunahme von „Heißen Tagen“) besteht. Dass „Hitzesommer“ und milde Winter normal(er) werden, zeigen insbesondere die vergangenen ca. 20 Jahre (vgl. Abb. 1).[2] In der Folge haben sich Restriktionen in der Bauausführung auf den Sommer verlagert. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Zeitreihen der klimatologischen Kenntage Frosttage und Heiße Tage (1951 – 2019)*
Zeitreihen der klimatologischen Kenntage Frosttage und Heiße Tage (1951 – 2019)*
Bild: DWD (2020): Klimastatusbericht Deutschland. Jahr 2019, S. 18


Rolle der Bauunternehmen

Bauunternehmen haben in diesem Zusammenhang zwei Rollen (vgl. Abb. 2), die es in Einklang zu bringen gilt. In der Rolle des Auftragnehmers ist das Bauunternehmen vertraglich verpflichtet, seine Leistung zu den vertraglich vereinbarten Terminen zu erbringen. Etwaige witterungsbedingte Verzögerungen, mit denen normalerweise gerechnet werden musste, sind vom Bauunternehmen zu kompensieren. Da – auch in der aktuellen Rechtsprechung – die konkrete Abgrenzung ‚normaler‘ Witterungsereignisse unklar ist und nicht nach einheitlichen Maßstäben erfolgt, wird angesichts drohender Vertragsstrafen oder Schadensersatzansprüche weitergebaut – mitunter ohne ausreichende Würdigung der Einsatzgrenzen des ausführenden Fachpersonals.

Arbeitsschutzrechtlich tragen Unternehmen die Fürsorgepflicht zum Schutz ihrer Beschäftigten und müssen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung erkennen, ob Schutzmaßnahmen oder gar eine Einstellung der Tätigkeit notwendig sind. Gut handhabbare Grenzwertempfehlungen oder gar konkrete Regelungen für das Arbeiten im Freien gibt es bislang nicht. Häufig außer Acht gelassen wird weiterhin die UV-Strahlenbelastung. Zwar existieren hierfür Grenzwerte, jedoch fristen Maßnahmen zum Schutz vor UV-Strahlung überwiegend ein „Schattendasein“.[3] Dies mag zum einen in einem mangelnden Bewusstsein begründet sein, aber auch an einer mangelnden Akzeptanz monetärer und terminlicher Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen liegen – auf Unternehmensseite und Auftraggebendenseite.
 

Ausgewählte Rollen des Bauunternehmens (schematische Darstellung)
Ausgewählte Rollen des Bauunternehmens (schematische Darstellung)
Bild: Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb (IBB), TU Braunschweig


Ausblick

Die folgenden Beiträge der vierteiligen Jahresserie werden den aktuellen Forschungsstand des Projekts KlimaBau präsentieren und Handlungsansätze zum zukünftigen Umgang mit dem Witterungsrisiko vorstellen. Dabei wird neben einer gewerkespezifischen Analyse der Faktor Mensch in der Bauproduktion eine zentrale Rolle einnehmen.
 

Fußnoten
1
Vgl. https://www.stlb-bau-online.de/Ausschreibungstexte/ 098-Witterungsschutzmassnahmen/9587, Stand: 10.2020.
2
Vgl. Ranking des DWD der zehn wärmsten Jahreszeiten und Jahre in Deutschland in DWD (2020): Klimastatusbericht Deutschland. Jahr 2019, S. 21.
3
Weiterführend siehe: Kynast, Luisa; Schwerdtner, Patrick: Technischer UV-Schutz im baubetrieblichen Spannungsfeld, in: BauPortal: Fachzeitschrift der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Prävention. Berlin (2019), Heft 3, S. 30–35.
Autoren

Luisa Kynast, M. Sc.

TU Braunschweig

Dr. -Ing. Frank Kumlehn

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Patrick Schwerdtner

Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb (IBB)
TU Braunschweig

Dr. med. Ute Pohrt

Abt. Gesundheit
BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 1|2021