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Schalungs- und Gerüstbau

Neue Skyline für die Gropiusstadt

Berlin platzt aus allen Fugen. Immer mehr Menschen zieht es in die Stadt. Um neuen Wohnraum zu schaffen, wird nachverdichtet. Beispielsweise in der Gropiusstadt Neukölln. Im Theodor-Loos-Weg entsteht ein Hochhaus mit 20 Etagen. Den Rohbau stellt das Unternehmen Wolff & Müller und muss dabei vielen Bestimmungen gerecht werden, damit zügig und sicher gebaut werden kann.

Außenansicht der Baustelle Gropiusturm mit Kran
Rohbau Gropiusturm mit Kran
Bild: Bärbel Rechenbach

Berlin tut sich schwer damit, Hochhäuser zu bauen, und wagt sich kaum an die traditionelle Traufhöhe von 22 m heran. Ein Dilemma. Denn Bauflächen werden zunehmend teurer, der Wohnungsbedarf wächst und Mieten explodieren. Die Genossenschaft des Beamten-Wohnungs-Vereins zu Berlin möchte da gegensteuern, will bezahlbaren Wohnraum schaffen und Kostendruck verringern. Deshalb traut sie sich nach Jahrzehnten in der Gropiusstadt Neukölln wieder, ein Wohnhochhaus zu bauen.

Das erste mit 89 m stammt übrigens vom Architekten Walter Gropius aus den 1970er-Jahren und galt seinerzeit als das höchste Wohngebäude Berlins. Es war die Reaktion auf die geteilte Stadt und ihre Wohnraumnot. Gropius musste auf Wunsch der Regierenden entgegen seiner ursprünglichen Idee viele Kompromisse eingehen. Er versuchte, dennoch das Beste aus der Gestaltung zu machen, in dem er unterschiedliche Höhen bauen ließ. So entstand die typische Skyline des Stadtteils, der schließlich seinen Namen erhielt – Gropiusstadt. Diese wird jetzt um ein modernes Hochhaus weiterentwickelt. Dafür wich ein stark sanierungsbedürftiges Parkhaus mit Tiefgarage.

Hochhaus mit Anspruch

Die architektonische Lösung aus dem renommierten Büro Eike Becker an diesem Standort überrascht. Das Hochhaus sollte mehr sein als nur, wie er sagt, ein seelenloses vertikales Dorf. „Es musste in eine bestehende Umgebung eingefügt werden. Wie ein neuer Nachbar muss es in gewisser Weise auch die Nachbarschaft stärken. Deshalb haben wir auch sehr viel Wert auf die Verbindung der Baumassen zu den Bestandsgebäuden gelegt. Die beiden das Hochhaus umgebenden Pavillons schaffen eine gute Anbindung an die vorhandenen Wohngebäude. Im Garten-Pavillon werden sich eine Gemeinschaftsküche und ein Gemeinschaftsraum befinden. Der kann auch von einem bereits anwesenden Nachbarn genutzt werden. Im Erdgeschoss der Neubauten finden auch kleinere Läden und ein Café/Restaurant Platz. Ein „Kümmerer“ nimmt nicht nur die Post an, auch für Nachbarn, sondern setzt sich außerdem für Nachbarschaftsprojekte ein. Unser Ziel ist es, mit den Neubauten eine gute Nachbarschaft zu stärken. Deshalb werden auch die Freianlagen komplett überarbeitet und an die heutigen Bedürfnisse angepasst.“ 

Ein hehrer Anspruch und eine Chance, die „durchmischte Stadt mit ihrem urbanen, dichten Leben wieder zurück in die Zentren zu bringen. Warum soll das nicht gehen?“

Logistik auf engstem Raum
Logistik auf engstem Raum
Bild: Bärbel Rechenbach

Klassische Konstruktion mit innovativen Elementen

Der Neubau im Theodor-Loos-Weg ist kein ehrgeiziger Prunkbau, der das Ego gestalterischer Eitelkeit bedient. Vielmehr handelt es sich um einen klassischen Wohnungsbau in Stahlbetonweise mit wasserundurchlässigem Betondach. 

Die Planung basiert auf einem Closed-BIM-Ansatz mit Autodesk Revit. Damit konnten 3-D-Daten erstellt und für das effiziente Managen der Herstellungs- und Gebäudedokumentation genutzt werden. 

Hinterlüftete Fassade

Was die äußere Gestaltung angeht, wird der moderne Wohnturm im Finale von einer hinterlüfteten Fassade umkleidet. Diese setzt sich aus einer 16 cm dicken mineralischen Wärmedämmschicht, einer Unterkonstruktion und eloxierten Aluminiumelementen zusammen. Die Vorteile solch einer hinterlüfteten Fassade liegen klar auf der Hand.

Zwischen Hinterlüftungsraum und Außenluft entsteht ein ständiger Luftstrom, der die Konstruktion vor Nässe schützt. Anfallender Wasserdampf (Neubaufeuchte, Nutzungsfeuchte) wird ohne Tauwasserbildung nach außen abgeführt. Offene Fugen der Bekleidung stellen eine zusätzliche Verbindung zur Außenluft her, dienen so vor allem bei sommerlichen Temperaturen auch als Wärmeschutz. Bis zu zwei Drittel der Wärmebelastung lassen sich so reduzieren und führen zu einem besseren Wohnklima. Eine Aluminiumfassade gilt nicht nur in Höhen als wetterfest, sondern besteht aus extrem langlebigem, wartungsarmem und relativ leichtem Material. Die millimetergenau vorgefertigten Alu-Panele lassen sich dabei präzise und schnell montieren. Sie werden einfach mittels Bolzen-Einhängesystem an der Unterkonstruktion befestigt und gesichert. Die Fassade wird elementiert hergestellt und kann in der Form wiederverwendet werden. 

Feine, vertikal gegliederte Lisenen verzieren die einzelnen Panele. Außerdem verstärken sie das Tragwerk.

Die Idee von Walter Gropius war, für viele Menschen Wohnraum im grünen Umfeld zu schaffen. Die Ackerflächen am Stadtrand im Süden Berlins sollten eine Gartenstadt und gleichzeitig Pilotprojekt werden. Er plante dafür zwölf kreisförmig angeordnete Hochhäuser, eingebettet in Viertel fünfgeschossiger Gebäude und Einfamilienhäuser – angelehnt an die nahegelegene Hufeisensiedlung von Bruno Taut. Im aufgelockerten Städtebau sahen allerdings Politiker zu jener Zeit des eingemauerten Westberlins eine Platzverschwendung. So wurden die Häuser gegen den Willen Gropius’ um einiges höher als ursprünglich gedacht und zudem monotoner und dichter nebeneinandergestellt. Statt 14.500 Wohnungen entstanden 19.000 in kettenförmig aneinandergereihten Wohnblocks mit bis zu 31 Etagen. Allerdings schaffte es Gropius, durch unterschiedliche Gebäudehöhen die Gestaltung etwas aufzulockern.

Turmdrehkran mit Klettervorrichtung

Die Konstruktion ist nur eine der Herausforderungen des Hochhausbaus auf engster, begrenzter Fläche inmitten eines Wohngebiets im Grünen. Für die ausführenden Firmen wie Wolff & Müller bedeutet das vor allem, viele logistische und sicherheitstechnische Anforderungen zu bewältigen und besondere technische sowie umweltgerechte Lösungen anzuwenden. Während des Rohbaus kommt beispielsweise auch ein Turmdrehkran zum Einsatz, der mit Hilfe einer Klettervorrichtung sich selbst einzelne Kransegmente einsetzen kann und so entsprechend den Geschosshöhen wächst. Damit lassen sich ohne größere Aufwendungen hohe Hakenhöhen bewältigen und die Höhe des Ausleger-Anschlagpunkts variieren.

Neue Skyline für die Gropiusstadt
Neue Skyline für die Gropiusstadt
Bild: Bärbel Rechenbach
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Bauaufzug mit Zugang zu den Geschossen
Bauaufzug mit Zugang zu den Geschossen
Bild: Bärbel Rechenbach
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Bewehrungsbau 10. Etage
Bewehrungsbau 10. Etage
Bild: Bärbel Rechenbach
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Sicherheit und schnelles Bautempo vereinen 

Die Termine beim Projekt sind eng abgesteckt. Die Bauarbeiten starteten im Mai 2019. Schon im November 2020 soll der Rohbau stehen. Momentan wird das 10. Obergeschosses montiert. Die Übergabe des Gesamtprojekts an den Bauherrn folgt im April 2021. „Aus Rücksicht auf die Bewohner ringsum“, berichtet Projektleiter Martin Heer, „melden wir lärmintensive Arbeiten vorab bei Behörden und Anwohnern an. Das traf beispielsweise beim Flügelglätten der Bodenplatte zu, das wir aus technologischen Gründen nachts erledigen mussten.“

Ulrike Beyer und Projektleiter Martin Heer, Wolff & Müller
Ulrike Beyer und Projektleiter Martin Heer, Wolff & Müller
Bild: Bärbel Rechenbach

SiFa und SiGeKo vor Ort

Angesichts des Bautempos gilt es ebenfalls, jegliche Arbeitsunfälle auszuschließen. „Auf Arbeits- und Umweltschutz legt die Unternehmensleitung seit jeher sehr viel Wert“, schildert Ulrike Beyer, die Sicherheitsfachkraft der Niederlassung Wolff & Müller Berlin. Davon zeugt auch zweifelsohne diese aktuelle Baustelle schon auf den ersten Blick. Material liegt aufgeräumt an seinem bestimmten Platz links und rechts der grün markierten Spur der Verkehrswege für das Baustellenpersonal. Ein Sanitätspunkt für schnelle medizinische Hilfe ist hier ebenfalls eingerichtet und sofort erreichbar. Weitere davon befinden sich am Magazin- und im Poliercontainer. 

Ulrike Beyer ist nicht die einzige Fachkraft für Arbeitssicherheit (SiFa) im Unternehmen. In jeder Niederlassung arbeitet eine festangestellt. Monatlich unterweist ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator direkt auf der Baustelle die einzelnen Gewerke zum Thema Arbeitsschutz und zur Logistik. Mindestens einmal monatlich werden auch während einer Baustellenbegehung Mängel im Arbeits- und Gesundheitsschutz kontrolliert und ausgewertet. Neben eigenem Baustellenpersonal werden auch alle Nachunternehmen betreffend Arbeits- und Gesundheitsschutz eingewiesen und kontrolliert.

Sanitätsstation auf der Baustelle
Sanitätsstation auf der Baustelle
Bild: Bärbel Rechenbach

Maßnahmen zur Absturzprävention 

Die festgelegten Maßnahmen zum Arbeitsschutz sind vielfältig, angefangen von den markierten Verkehrswegen als Lauf- und Rettungsweg über den Aufzug mit Aufzugswärter bis hin zum Gerüst der Lastklasse 4 B09/2 mit Absturzsicherung – gemäß den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2121, Teil 1, Punkte 4.2.2. und 4.2.6. –, wo im Hochhausbau die größten Gefahren lauern. Mit vorlaufenden Geländern, bei denen die Holme der obersten Gerüstlage schon von der unteren Ebene eingehängt werden, können Abstürze von vornherein verhindert werden. Das erspart persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA), da beim Aufstocken der nächsten Gerüstlage die seitliche Absturzsicherung am Arbeits- und Schutzgerüst bereits vorhanden ist. 

Ein Treppenturm sichert das gefahrlose Begehen der Gerüstlagen sowie den Zugang in die Arbeitsbereiche ab. Mit zwei Bauaufzügen lässt sich jede einzelne Etage problemlos erreichen. Wer sie benutzen möchte, meldet sich einfach bei dem eigens dafür zuständigen Aufzugswächter an. Jede Etage ist deutlich lesbar nummeriert zur schnelleren Orientierung. Der Standort beim eventuellen Absetzen eines Notrufs lässt sich so einfach benennen. 

„Rettungsinsel“ auf der Arbeitsetage
„Rettungsinsel“ auf der Arbeitsetage
Bild: Bärbel Rechenbach

Auf der obersten Arbeitsebene befindet sich eine „Rettungsinsel“ mit Sanitätskasten, Augendusche, kranbarer Trage und Feuerlöscher. Im Notfall kann die Feuerwehr an dieser Stelle bei Rettungsmaßnahmen schnell ihre Leiter anlegen. Mit Treppenhaus, Treppenturm und Bauaufzügen existieren vier Fluchtwege.

„Sicher sind alle Maßnahmen und das Einhalten aller Vorkehrungen ein entscheidender Grund dafür,“ so Ulrike Beyer, „dass die Unfallquote bei Wolff & Müller seit Jahren unter der Unfallstatistik der Berufsgenossenschaft liegt. Das soll weiterhin so bleiben.“ 

Auch nach Fertigstellen des Rohbaus, wenn andere Gewerke folgen. So könnte das neue Hochhaus nicht nur gestalterisch der Gropiusstadt ein neues Gesicht geben, sondern auch betreffend qualitatives und sicheres Bauen.

Info

Rohbau:
Berliner Zweigniederlassung Wolff & Müller

Projektsteuerung und Bauleitung:
Kondius AG, Berlin

Statik:
Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer GmbH, Berlin

Architekten:
Büro Eike Becker Architekten, Berlin

Prüfstatiker:
Dr.-Ing. Stephan Kraus, Berlin

Geotechnik:
Horner und Ingenieure, Berlin

Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimatechnik:
Plan B – Beratende Ingenieure GmbH, Frankfurt am Main

SiGeKo:
INVO Ingenieurbüro Fachplaner, IMW Ingenieurbüro für Fassadentechnik Michael Walzer (Fassade), hhpberlin Ingenieure für Brandschutz (Brandschutz), Plan B (Haustechnik), Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer (Tragwerk), Kondius AG (Projektsteuerung), sinai (Landschaftsarchitektur), Horner und Ingenieure (Baugrubenplanung), Genest & Partner (Bauphysik)

Fassadenbau:
Bruttogeschossfläche oberirdisch 12.864 qm
Bruttogeschossfläche unterirdisch 7.575 qm


Ausgabe

BauPortal 3|2020