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Steigtechnik

Aktuelle Veränderung in der Leiterwelt

Am 1. April 2020 ist die neue Unfallverhütungsvorschrift (UVV) Bauarbeiten in Kraft getreten. Sie wurde auch hinsichtlich des Themas „Verwendung von Leitern“ neu gefasst. Die UVV Bauarbeiten beinhaltet unter anderem wesentliche Aussagen, die eine Veränderung der Leiterwelt auslösten und eine Reihe neuer, angepasster Lösungen für den Markt hervorbrachten.

Bis dahin hatte die Betriebssicherheitsverordnung bereits alle sonstigen wichtigen Punkte, die bei der gewerblichen Verwendung von tragbaren und fahrbaren Leitern berücksichtigt werden müssen, geregelt. Paragraf 8 „Arbeitsplätze und Verkehrswege“ der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten beschreibt die zulässige Verwendung einer Leiter als hochgelegener Arbeitsplatz nun wie folgt: „Tragbare Leitern als Arbeitsplatz dürfen bei Bauarbeiten nur verwendet werden, wenn der Beschäftigte mit beiden Füßen auf einer Stufe oder Plattform steht und der Standplatz auf der Leiter nicht höher als 5 m über der Aufstellfläche liegt.“

Stufe oder Plattform und nicht höher als 5 m

Die o. g. Aussage veränderte die Leiterwelt: Der Beschäftigte muss also auf einer Stufe oder Plattform stehen, wenn er die Leiter als hochgelegenen Arbeitsplatz verwendet. Stufe und Plattform sind in der europäischen Leiternorm DIN EN 131, Teil 1, in ihren Abmessungen beschrieben. So hat eine Stufe eine Standtiefe von mindestens 80 mm, eine Plattform eine Mindestabmessung von 250 × 250 mm. Im Gegensatz zu einer Sprosse also eine deutlich größere Standfläche. Mit der nun konkreten Angabe von Schutzzielen in der Unfallverhütungsvorschrift wurde, wie zuvor zitiert, noch eine weitere wichtige Aussage zur regelkonformen Verwendung von Leitern beschrieben. So dürfen Leitern als Arbeitsplatz zukünftig nicht mehr wie zuvor noch bis 7 m, sondern nur noch bis zu einer maximalen Standhöhe von 5 m verwendet werden. Für ein Arbeiten ohne jegliche Absturzsicherungen ist dies nach wie vor eine besondere Situation.

„Runder Tisch Leitern“: Aufgaben und Projekte

„Stufe oder Plattform statt Sprosse“ bedeutet für den Anwender, für die Hersteller aber auch für alle am Arbeitsschutz Beteiligten eine neue Herausforderung. Das außerordentlich hohe Unfallgeschehen mit Leitern nachhaltig zu senken, war und ist die Aufgabe aller Beteiligten. Die BG BAU hat daraufhin als Organisator des „Runden Tischs Leitern“ am 28. Februar 2019 über das Referat Hochbau/Fachgebiet Leitern und Tritte zum ersten Treffen eingeladen. Hier trafen sich Hersteller und Mitarbeiter gesetzlicher Unfallversicherungen. Zwei Arbeitsgruppen beschäftigen sich seitdem zum einen mit der Weiterentwicklung von Leitern, zum anderen mit den Themen Schulung, Unterweisung und Prüfung.

Bereits im Jahr 2017 wurde das erste Leiterprojekt des Referats Hochbau („Leichte Plattformleiter“, ) erfolgreich abgeschlossen, mittlerweile sind auch Weiterentwicklungen der „Leichten Plattformleiter“ in Modulbauweise, quasi höhenverstellbar, verfügbar – eine Anforderung aus der Praxis, die vonseiten der Hersteller aufgegriffen und umgesetzt wurde. Das Projekt „Stufenleitern“ startete dann in 2018 und führte zu den nun am Markt verfügbaren Leitertypen Stufen-schiebeleiter und Stufen-Glasreinigerleiter . Lassen sich Alternativen zur Leiter als Steighilfe nicht einsetzen, stellt der Unternehmer seinen Beschäftigten zur Durchführung von Arbeiten eine Stufen-, Plattform- oder Podestleiter zur Verfügung .

Ein Bauarbeiter mit Schutzhelm auf einer leichten Plattformleiter.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH / (c) BG BAU

Was tun mit Sprossenleitern?

Eine theoretische Alternative dazu ist die Ertüchtigung einer Sprossenleiter mit einer sogenannten Einhängeplattform. Hier wird an Sprossenleitern eine Plattform als Leiterzubehör in zwei übereinander liegende Sprossen auf einer Standhöhe X eingehängt, um dort eine größere Standfläche zu schaffen. In der Praxis ist dies dauerhaft nur schwer umsetzbar, da die Standhöhen auf Leitern bei einem Arbeitsauftrag mehrmals wechseln können und die Einhängeplattform mehrmals in ihrer Lage höhenmäßig verändert werden muss. Eine Zumutung für den Anwender! Zudem funktioniert diese Variante willensabhängig vom jeweiligen Anwender. Nachrüststufen sind eine weitere Möglichkeit, um Sprossenleitern regelkonform umzurüsten. Als Verkehrsweg (Auf- und Abstieg) sind Sprossenleitern ja nach wie vor erlaubt, wobei Stufenleitern auch hier ihre Vorteile ausspielen (siehe Stufenschiebeleiter, Stufenanlegeleitern oder Stufenaufstiege mit Handlauf).

Stufenglasreinigerleiter
Bild: Günzburger Steigtechnik

Standfestigkeit und Arbeitsdauer entscheidend

Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass Leitern je nach Gewerk besondere Merkmale aufweisen müssen und damit Einfluss auf mögliche Unfallursachen nehmen können. Gerade in der Bauwirtschaft kommt es wegen der äußeren Randbedingungen – wie Arbeiten im Freien, der Verwendung unterschiedlicher Stoffe sowie ungünstiger Bodenbeschaffenheiten – oftmals zu Absturzunfällen von Leitern. Regennasse Leitern und Schuhwerk, Anhaftungen von Erdreich oder Baustoffen an Leitern und Schuhen sind oft unfallursächlich und führen zum Abrutschen von den Sprossen einer Leiter.

Die Verbreiterung der Standfläche und die Erhöhung der Rutschhemmung von Stufen wirken sich hier positiv aus. Zudem wirkt der Stand auf Stufe oder Plattform weniger ermüdend und der Auf- oder Abstieg auf einer Leiter kann sicherer erfolgen. Unfallauswertungen ergaben, dass die Unfallhäufigkeit von/mit Leitern in Abhängigkeit von der erbrachten Dauer der Arbeitszeit stetig zunimmt. Dies ist auch eine Folge der ergonomischen Belastung der Beschäftigten.

Prototyp einer beidseitig begehbaren Stufenstehleiter mit druck- und  zugfester Spreizsicherung
Prototyp einer beidseitig begehbaren Stufenstehleiter mit druck- und zugfester Spreizsicherung
Bild: Maringer - BG BAU

Sichere Leitern und bessere Sicherung von Leitern

Diese Erkenntnisse wurden bei der Weiterentwicklung von Leitern berücksichtigt. Die von der BG BAU im Rahmen der Arbeitsschutzprämien geförderte Stufenschiebeleiter oder Aufstiege mit Handlauf haben eine Stufenrauigkeit von mindestens R 12. Für förderwürdige Stufen-Glasreinigerleitern wird R 13 bzw. R 12 gefordert. Alle an den Praxiserprobungen der neuen Stufenleitern beteiligten Anwender waren überzeugt von der hohen Rutschfestigkeit der Stufen und der nun doch größeren Standfläche in Form einer mindestens 80 mm breiten Stufe.

Weiterentwicklungen von Leitern dienen ausschließlich dem Zweck, das hohe Unfallgeschehen mit Leitern deutlich zu senken. Die technische Weiterentwicklung ist jedoch nur ein Baustein, um die Verwendung von Leitern sicherer zu gestalten. Ein weiterer Baustein ist die Verwendung von Leiterzubehör wie Leiterkopfsicherungen und Leiterfußsicherungen. Das Wegrutschen von Leitern zählt zu den Schwerpunkten der Unfallursachen mit Leitern. Eine konsequente Sicherung der Leiter wird also deutlich zur Reduzierung von Leiterunfällen beitragen. Hier sind insbesondere alle angesprochen, die die Leiter als Auf- oder Abstieg verwenden und dabei seitlich an der Leiter vorbei auf- oder absteigen. Bei diesem Übersteigen rutscht die ungesicherte Leiter schon bei geringer horizontaler Belastung zur Seite weg und es ereignen sich folgenschwere Absturzunfälle.

Neue Leitern wie die Stufenschiebeleiter mit Durchstieg am Leiterkopf bzw. Stufenanlegeleitern mit am Leiterkopf überstehenden Handläufen schließen das seitliche Übersteigen prinzipiell aus. Ein großer Vorteil, der eine Leiterkopfsicherung jedoch nicht ersetzt. Bei Anlegeleitern > 3 m Länge sind herstellerseitig Standfußverbreiterungen vorgesehen (Abb. 6). Die europäische Leiternorm DIN EN 131 wurde zum 1. Januar 2018 diesbezüglich geändert. Die Standfußverbreiterung besteht in der Regel aus einer Fußverbreiterung, entweder Fußtraverse oder konische Bauweise der Leiter. Diese stabilisiert die Anlegeleiter, wenn sie in Gebrauchsstellung freistehend angelehnt z. B. für Arbeiten an einer Wandfläche verwendet wird, gegen seitliches Wegrutschen. Da die Leiter in diesem Fall als Arbeitsplatz verwendet wird, greift die Forderung der TRBS 2121-2 nach Stufe oder Plattform.

Prototyp mod. Stufenstehleiter, beidseitig begehbar
Bild: Maringer - BG BAU

Auswahl der passenden Leiter

Die beständige Vermischung der Verwendungsarten von Leitern in der Praxis, also einerseits als Arbeitsplatz und anderseits als Verkehrsweg, erschwert die Auswahl geeigneter Arbeitsmittel, die als Steighilfe eingesetzt werden müssen. Sprossenleitern sind als Verkehrsweg noch zulässig, als Arbeitsplatz werden jedoch Stufen- und Plattformleitern zum Einsatz kommen. Um beide Verwendungsarten in der Praxis regelkonform abzubilden, wäre es für den Unternehmer eher sinnvoll, sich für eine Stufenleiter als für eine Sprossenleiter zu entscheiden. Der Weg führt also zur Stufen- und Plattformleiter. Klassische Sprossenleitern, die ausschließlich als Arbeitsplatz verwendet werden (z. B. Sprossenstehleiter) werden in Zukunft durch Stufen- und Plattformleitern ersetzt! So kann der Unternehmer geeignete und regelkonforme Steighilfen auswählen, anschaffen und seinen Beschäftigten zur Verfügung stellen.

Plattformleiter
Bild: Schwenniger - BG BAU

Unterweisung zum richtigen Verhalten

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Reduzierung der Leiterunfälle ist die Unterweisung der Beschäftigten. Leitern sind die Arbeitsmittel, die das höchste Unfallaufkommen im Bereich der Absturzunfälle verursachen. Menschliches Fehlverhalten ist hierbei eine der möglichen Unfallursachen. Stellt beispielsweise der Unternehmer eine Leiterkopfsicherung zur Verfügung und diese wird nicht verwendet, so kann sich ein Absturz aufgrund der wegrutschenden Leiter trotzdem ereignen. Es muss also dafür gesorgt werden, dass mögliches Fehlverhalten reduziert oder sogar ausgeschlossen wird. Eine Reduzierung des Fehlverhaltens kann durch regelmäßige Unterweisungen der Beschäftigten erreicht werden. Eine Verpflichtung zur Unterweisung ist gesetzlich vorgeschrieben. Die Präventionsmitarbeiter der BG BAU beraten den Unternehmer auch zum Thema „Durchführung von Unterweisungen“ und können mit den Medien der BG BAU eine wichtige Unterstützung liefern. Die Merkblätter aus dem Bausteine-Ordner der BG BAU B131 und B132, die Unterweisungshilfen zum Thema Leitern und Vordrucke zur Dokumentation der durchgeführten Unterweisung können kostenlos abgerufen werden. Nun liegt es am Unternehmer oder dessen Beauftragten, die Unterweisung erstmalig, wiederkehrend und anlassbezogen durchzuführen.

Fehlverhalten durch Modifizierung von Leitern verhindern

Fehlverhalten, das zudem auch noch vorhersehbar ist, kann auch durch eine Veränderung der Bauart einer Leiter verhindert werden. Ein Beispiel hierfür ist die „modifizierte Stufenstehleiter“ aus dem Projekt der Arbeitsgruppe Technik des „Runden Tischs Leitern“. Bei konventionellen Stehleitern wird der Leiterbenutzer oft verleitet, die obersten Standflächen der Leiter zu betreten. Dies ist bei Stehleitern aber nur bis zur drittobersten Standfläche erlaubt. Ansonsten besteht erhöhtes Unfall- und Absturzrisiko! Bisher am Markt verfügbare Stufenstehleitern wurden teilweise bereits vom Hersteller im oberen Bereich der Leiter mit Sprossen versehen und farblich markiert. Diese zumindest optische Unterscheidung der Standflächen schließt aber ein Aufsteigen bis auf die obersten Bauteile der Leiter nicht aus. Um dieses vorhersehbare Fehlverhalten auszuschließen, wurden Stufenstehleitern versuchsweise modifiziert und im Leiterkopfbereich verändert (Abb. 7 – 9). Ein Aufsteigen auf die beiden oberen Standflächen wie bei der konventionellen Stufenstehleiter ist nun nicht mehr möglich.

Eine weitere Fehlanwendung von Stehleitern ist das unerlaubte Laufen mit der Leiter. Auch hier ereignen sich Unfälle. Die geänderte Bauart der Stehleiter wird das Laufen mit der Leiter nicht mehr zulassen.

Modifizierte Stufenstehleiter, beidseitig begehbar
Bild: Maringer - BG BAU

Kontrolle und Prüfung

Leitern unterliegen bei ihrer Verwendung unterschiedlich hohen Beanspruchungen. Je nach Gewerk oder Einsatzort können Leitern früher oder später beschädigt und unbrauchbar werden. Verschleiß ist ein weiterer Faktor, der die sichere Verwendung von Leitern gefährdet. Folglich müssen an Leitern Kontrolle und Prüfung erfolgen, die sich in zwei Bereiche gliedern: Wird eine Leiter neu angeschafft, so muss sie vor der erstmaligen Verwendung auf mögliche Transportschäden und auf sichere Funktion von einer zur Prüfung befähigten Person geprüft werden. Diese Prüfung wird wie auch die wiederkehrenden Prüfungen dokumentiert. Eine Kontrolle durch Inaugenscheinnahme durch den Verwender vor Arbeitsbeginn trägt ebenfalls zur Erkennung von Schäden an Leitern bei. Diese Kontrolle wird nicht dokumentiert, führt aber beim Erkennen von Schäden u. U. zum Austausch der Leiter. Prüfungen und Kontrollen nehmen entscheidend Einfluss auf das Unfallgeschehen durch Leiterversagen. Diese sind oftmals auf Vorschädigungen an Leitern zurückzuführen. Fällt eine Leiter beispielsweise um und schlägt auf dem Boden auf, so kann dadurch eine Vorschädigung entstehen, die bei einer weiteren Verwendung der Leiter dann plötzlich ein Leiterversagen bewirken kann. Unzählige Unfallbeispiele aus der Praxis unterstreichen Jahr für Jahr die Notwendigkeit von Leiterprüfungen und Kontrollen.

Fazit

Bei allen beschriebenen Möglichkeiten der Einflussnahme zur Vermeidung von Leiterunfällen muss bei jeder Auswahl einer Steighilfe stets die Frage nach Alternativen zur Leiter im Vordergrund stehen und die Leiter die 2. Wahl sein. Die Veränderung der Leiterwelt hat also nicht erst begonnen, sondern ist in vollem Gange – zur Sicherheit der Beschäftigten!

Autor

Joachim Maringer

Referat Hochbau
BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 3|2020