Besondere Verantwortung von Kranführern
Ein grob fahrlässiger Verstoß gegen Sicherheitsanweisungen ist an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 29.07.2024 – 4 Sa 531/23
Sachverhalt
K., langjährig Beschäftigter in einem Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie, war auf dem Arbeitsplatz eines Kranfahrers mit der Bedienung funkferngesteuerter Brückenkräne, mit denen Gewichte bis zu 35 Tonnen in der Halle bewegt wurden, tätig. Bei dem der außerordentlichen Kündigung des K. zugrunde liegenden Sachverhalt hatte K. zur Pause den Kran abgestellt. Nach Rückkehr aus der Pause fand er den Kran an anderer Stelle vor, die Fernbedienung für den Kran lag auf dem Boden. K. setzte den Kran mit der Fernbedienung in Bewegung; dieser kollidierte mit einem zweiten, in Reparatur befindlichen Kran, der nur 10 Meter entfernt stand. Die dort mit Reparaturarbeiten beschäftigten Elektriker konnten sich durch Festhalten am Geländer retten. Die Elektriker hatten zuvor in der Pause des K. den Kran mit der Fernbedienung verschoben. Mehrere Abmahnungen wegen anderer sicherheitsrelevanter Vorfälle hatte K. im Vorfeld dieses Ereignisses bereits erhalten.
Entscheidung
Während das erstinstanzliche Gericht der Kündigungsschutzklage des K. noch stattgab, bestätigte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung. Pflichtwidrig habe K. den Kran in Bewegung gesetzt, ohne sich vorher zu vergewissern, dass die Bahn frei sei. Dies stelle einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Dem Kranführer komme eine besondere Verantwortung nicht nur für das Eigentum des Arbeitgebers, sondern auch für Leib und Leben der Arbeitnehmer, die mit der Gefahrenquelle in Berührung kommen, zu. Wegen der besonderen Gefahren gebe es zahlreiche Arbeitsanweisungen, die K. zu beachten habe. In der Regel führe die Schlechtleistung eines Arbeitnehmers nicht zu einer außerordentlichen Kündigung, die ordentliche Kündigung nach vorausgehender Abmahnung sei das normale Instrument. Eine außerordentliche Kündigung könne aber auch schon bei einmaligem Versagen des Arbeitnehmers ausgesprochen werden, wenn das Versehen des Arbeitnehmers, der eine besondere Verantwortung übernommen habe, geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und der Arbeitgeber das Seine getan habe, die Möglichkeiten für ein solches Versehen und seine Folgen einzuschränken.
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Hier hatte K. sich unter Verstoß gegen die Arbeitsanweisungen nicht vergewissert, dass die Bahn frei war. Obwohl er die Fernbedienung vorschriftswidrig am Boden vorfand und obwohl der Kran nicht dort stand, wo er ihn abgestellt hatte, hat er ihn in Bewegung gesetzt, statt ganz besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch der ihm bekannte Defekt der Abstandswarneinrichtung am Kran hätte ihn veranlassen müssen, besonders umsichtig vorzugehen. Zwar müsse sich der Arbeitgeber das ebenfalls sicherheitswidrige Verhalten der Elektriker zurechnen lassen; K. treffe aber als für die Bedienung des Krans berechtigte und zuständige Person besondere Sorgfaltspflichten. Das grob fahrlässige Verhalten des K. erscheine nicht weniger gewichtig, weil andere Arbeitnehmer auch grob fahrlässiges Verhalten an den Tag legten.
Die für die außerordentliche Kündigung entscheidende negative Prognose, dass K. auch zukünftig elementare Verhaltens- und Sicherheitsregeln missachten oder nur oberflächlich beachten werde, sei gerechtfertigt, weil K. in der Vergangenheit durch unachtsame Verhaltenseisen aufgefallen sei, welche zeigten, dass er nicht willens oder in der Lage sei, die Gefahrgeneigtheit seiner Tätigkeit zu erkennen und sein Verhalten entsprechend anzupassen. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten für K. sah das Gericht ebenfalls nicht.
Praxishinweis
Sicherheitsverstöße sind keine Kavaliersdelikte. Kranführer müssen ihrer besonderen Verantwortung für Leib und Leben der Kollegen und Kolleginnen sowie Hab und Gut des Arbeitgebers gerecht werden. Wenn sie sich nicht bewusst sind, dass selbst kleinste Sorglosigkeiten in Bezug auf die Sicherheitsvorschriften zu größtem Schaden führen können, sind sie nicht auf dem richtigen Arbeitsplatz eingesetzt.
Und für Arbeitgeber gilt: Klare Arbeitsanweisungen zur Arbeitssicherheit sind fundamental. Konsequentes Vorgehen bei sicherheitswidrigem Verhalten von Arbeitnehmern hilft, die Sicherheitskultur im Betrieb zu stärken.
Autor
Ausgabe
BauPortal 2|2025
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