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Gebäude Leichtbeton, Blick auf die östliche Außenfassade
Gebäude Leichtbeton, Blick auf die östliche Außenfassade | Bild: Sebastian Schels

Zukunft des Bauens

Einfach Bauen: Forschungshäuser aus Holz, Mauerwerk und Beton

Auf dem südlichen Teil des B&O-Parkgeländes in Bad Aibling stehen drei identische Häuser mit Satteldach und einem niedrigen Anbau. Nur auf den ersten Blick sehen sie gleich aus, auf den zweiten erkennt man, dass sich die Häuser sehr wohl unterscheiden: in ihrer Materialität und ihrem Fassadenbild. Sie wurden in jeweils monomaterieller Bauweise aus Beton, Holz und Mauerwerk errichtet und dienen als Gegenentwurf zu den immer komplexer werdenden Bauweisen.
 

Gebäude Leichtbeton, Blick auf die östliche Außenfassade
Fassade Gebäude in Leichtbeton
Bild: Sebastian Schels


Die Komplexität von Konstruktionen und Gebäudetechnik steigt seit Jahrzehnten stetig. Das äußert sich in einer fast unüberblickbaren und weiter anwachsenden Zahl an Normen und Baugesetzen. Das damit anvisierte Ziel der Qualitätssicherung wird oft nicht erreicht. Die Folge: eine hohe Fehlerquote in Planung und Ausführung sowie eine Überforderung von Bauherrinnen und Bauherren sowie Nutzenden. An der TU München manifestiert sich seit 2012 der Verbund „Einfach Bauen“ von Architektinnen und Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren, die eine neue, gegenläufige Entwicklung anstoßen und so einen wichtigen Impuls in der deutschen Bauwirtschaft setzen. Die Beteiligten erarbeiteten die Grundlagen zu den Prinzipien des einfachen Bauens. Ihre Hypothese lautete, dass Wohngebäude mit einer hochwertigen und zugleich suffizienten Architektur, einer robusten Baukonstruktion und einer reduzierten Gebäudetechnik über einen Lebenszeitraum von hundert Jahren hinsichtlich Ökobilanz und Lebenszykluskosten der Standardbauweise überlegen sind.
 

Grundrisse und Straßenansicht der drei Forschungshäuser.
Grundrisse der drei Forschungshäuser (Dämmziegel, Massivholz und Leichtbeton).
Bild: Florian Nagler Architekten


Von der Idee zum Projekt

B&O, als Förderer des Projekts, hat sich entschieden, drei Forschungshäuser mit monolithischen Wandaufbauten aus Massivholz, Porenbeton und hochwärmedämmendem Mauerwerk auf dem B&O-Parkgelände in Bad Aibling zu errichten und dabei die Strategien von „Einfach Bauen“ konsequent umzusetzen:

  • einschichtige Wand- und Deckenkonstruktionen,
  • klimatisch träge Bauteile durch Speichermasse,
  • angemessene Fensterflächen – kein Sonnenschutz – Nutzerlüftung,
  • wenig Aufwand für den Betrieb durch geringe Komplexität des Gebäudes,
  • handwerkliche Fügung der Bauteile,
  • Verzicht auf Hilfsstoffe und materialfremde Sonderbauteile,
  • konsequente Trennung von Gebäude und Techniksystemen.

Zusammen mit einfacherer, flexibler Architektur soll damit eine Alternative zur zunehmend komplexen und technologisierten Bauwelt aufgezeigt werden. Es soll ein neuer Trend zum „Einfachen Bauen“ geschaffen bzw. verfolgt werden. Deregulierung, Vereinfachung und Reduzierung von Standards wären sich daraus ergebende Vorteile.

Für die verschiedenen Entwurfsvarianten wurden auf Raumebene Modelle erstellt und untersucht. Angestrebt wird eine multifunktionale Architektur. Die ermittelten Raumstrukturen wurden analysiert und bewertet und anhand von Beispielentwürfen auf die Gebäudeebene übertragen. Dazu sollen verschiedene einfache Entwurfs- und Konstruktionsweisen identifiziert, untersucht und hinsichtlich ihrer ökologischen, ökonomischen und architektonischen Wirkung beurteilt werden.
 

Gebäude Leichtbeton: Rohbauarbeiten im Erdgeschoss.
Gebäude Leichtbeton
Bild: Sebastian Schels
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Gebäude Leichtbeton: alle Leitungen sind in einem Schacht gebündelt.
Leitungen in Gebäude aus Leichtbeton
Bild: Sebastian Schels
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Ansatz: robust und klimagerecht bauen

Die Bauweise der drei Wohnhäuser ist monomateriell – beim ersten aus Dämmbeton, beim zweiten aus Massivholz mit Lufteinschlüssen und beim dritten aus Hochlochziegeln. Die einschaligen Wandaufbauten erzielen eine ähnliche Dämmleistung wie hochkomplexe Wandaufbauten – durch ein einfaches, althergebrachtes Prinzip: die Einkapselung von Luft. Um die Umweltauswirkungen der Häuser – über hundert Jahre betrachtet – so gering wie möglich zu halten, wurde das Augenmerk auf die Langlebigkeit der verwendeten Materialien und damit auf einen geringen Ressourcenverbrauch gelegt. Auf Hilfsstoffe und materialfremde Sonderbauteile konnte weitestgehend verzichtet werden. Die Haustechnik wurde ebenfalls so einfach wie möglich gehalten. Auch für Bauherrinnen und Bauherren soll der Betrieb dieser Häuser mit möglichst wenig Aufwand verbunden sein. Weggelassen wurde alles nicht unbedingt Notwendige. Auf Fußbodenheizung, Klimaanlage und elektrische Klingeln an den Wohnungstüren wurde verzichtet. Übrig bleiben Wasser-, Elektro- und Glasfaserleitungen, die alle in einem leicht zugänglichen Schacht zusammengefasst sind. Sobald die Häuser bezogen sind, werden in einem Monitoringverfahren die Verbräuche und der Raumkomfort in den drei Häusern gemessen und ausgewertet.
 

Gebäude Mauerwerk, Erdgeschoss.
Mauerwerk
Bild: Sebastian Schels

 

Leichtbeton-Gebäude fertig

In Bad Aibling ist das erste der drei Forschungshäuser des Forschungsprojekts „Einfach Bauen“ unter Leitung von Prof. Nagler fertiggestellt worden: der Bau in Ultraleichtbeton. Das kompakte, dreigeschossige Wohnhaus steht im Null-Emissions-Quartier, das auf einem ehemaligen Kasernengelände entwickelt wird. Für das Forschungshaus wurde eine gutachterlich geprüfte Rezeptur verwendet, für deren Anwendung eine Sondergenehmigung erforderlich war, da diese für Bauten aus Leichtbeton mit Rohdichten unter 800 kg/m3 und/oder einer Druckfestigkeitsklasse kleiner LC12/13 gefordert ist.

Der Rohbau besteht aus 50 cm dicken einschaligen Außenwänden, die dank ihrer Ausbildung in Infraleichtbeton keine zusätzliche Wärmedämmung benötigen, sodass die Fassade und die Innenwände des Hauses betonsichtig bleiben. Unbewehrte Betoninnenwände und Decken aus stahlfaserbewehrtem Beton erfüllen die Vorgaben an die Luftschalldämmung. Die Anforderungen an die Trittschalldämmung werden mit einem einfachen Bodenbelag, wie zum Beispiel Linoleum, ohne weiteren Bodenaufbau erfüllt.

Da die Fassadengestaltung je nach Baumaterial des Forschungshauses variiert, wurden im Ultraleichtbetonhaus Rundbogenfenster gewählt, die mit minimaler Toleranz ausgebildet werden konnten.


Projektleitung
Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren/Prof. Florian Nagler


Kooperationspartner
–        Professur für Entwerfen und Holzbau/Prof. Hermann Kaufmann
–        Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen/Prof. Thomas Auer
–        Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion/Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter
–        Lehrstuhl für Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen/Prof. Dr.-Ing. Christoph Gehlen


Gefördert von
Forschungsinitiative Zukunft Bau; Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung


Drittmittelgeber
Stiftung Bayerisches Baugewerbe; B&O Gruppe, Bad Aibling; Gumpp & Maier GmbH; MEIER Betonwerke GmbH


Weitere Fotos
von Sebastian Schels zu den Forschungshäusern in Bad Aibling sowie zu anderen Bau- und Architekturprojekten unter: http://schels.net/
 


 

Einfach bauen


Ausgabe

BauPortal 2|2021