Auswirkungen der COVID-19-Krise auf das Baugewerbe in Europa
Eurostat stellt regelmäßig monatlich oder quartalsweise statistische Daten bereit, die die Geschäftsverläufe der Wirtschaft eines einzelnen Landes, der EU oder des Euro-Wirtschaftsraums transparent machen. Was sich aus der Statistik über die aktuellen Auswirkungen von Covid-19 auf die Bauwirtschaft ablesen lässt, fasst dieser Beitrag zusammen.
Nachdem in allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-27) COVID-19-Infektionen diagnostiziert worden waren, hatten die nationalen Regierungen eine Vielzahl von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen. Dazu zählten Reisebeschränkungen in die EU und zwischen EU-Mitgliedstaaten, die Absage öffentlicher Veranstaltungen, Beschränkungen für private Treffen, die Schließung von Schulen, Bars, Restaurants, Hotels und vieler Geschäfte. Am stärksten betroffen waren Italien und Spanien, wo die nicht wesentliche Produktion gänzlich eingestellt wurde. Doch hatten die eingeführten Maßnahmen europaweit ganz allgemein negative Auswirkungen auf die Nachfrage und damit auf die Produktion in vielen Gebieten.
Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Union
In Zusammenarbeit mit statistischen Ämtern und anderen nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz stellt Eurostat qualitativ hochwertige Statistiken und Daten über Europa bereit.
Die Covid-19-Krise stellte die Datenerhebung vor Probleme, da beispielsweise geschlossene Geschäfte und Produktionsstätten nicht erreicht werden konnten oder keine Daten lieferten. Darüber hinaus könnten fehlende Daten möglicherweise auf die dauerhafte Schließung von Unternehmen zurückzuführen sein.
2020: Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 in Europa
Die überwiegende Mehrheit der Präventionsmaßnahmen wurde Mitte März 2020 ergriffen. Die meisten Präventivmaßnahmen und -beschränkungen wurden für den gesamten April beibehalten. Im Mai wurden mehrere Maßnahmen aufgehoben oder zumindest in Umfang und Schwere gelockert, was sich auch positiv auf das Baugewerbe auswirkte. Dieser Erholungseffekt setzte sich im Sommer 2020 fort.
Mit der erneuten Zunahme von Covid-19-Erkrankungen nach den Sommerferien führten jedoch mehrere Länder im September und Oktober wieder einige Eindämmungsmaßnahmen ein. Im November wurden die Maßnahmen weiter verschärft. Lediglich im Dezember haben mehrere Länder die Maßnahmen während der Weihnachtszeit (teilweise) aufgehoben.
Länderspezifische Entwicklungen
Da die Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen in Bezug auf Zeitpunkt, Ausmaß und Härte von Land zu Land unterschiedlich waren, war zu erwarten, dass auch die Auswirkungen auf die Bauproduktion variieren würden. Besonders stark wirkte sich die COVID-19-Krise 2020 in Italien, Frankreich und Luxemburg aus: Dort ging die Bautätigkeit zwischen Februar und April um bis zu 70 % zurück. In Frankreich war die Erholung zwischen April und Dezember recht kräftig (156,1 %), aber bislang wurden nur 89,1 % des Vorkrisen-Niveaus wieder erreicht (keine Daten für Italien und Luxemburg).
In mehreren anderen Ländern, in denen die Lockdown-Maßnahmen weniger drastisch waren, ging die Bautätigkeit zwischen Februar und April nur geringfügig zurück (z. B. Finnland) oder nahm sogar zu (Dänemark, Niederlande, Rumänien).
Im November 2020 hatten mehr als die Hälfte der Länder, für die Daten vorlagen, wieder einen Stand von über 95 % des Vorkrisen-Niveaus vom Februar erreicht. Doch hatten infolge des allgemeinen Rückgangs der Bautätigkeit im Dezember nur fünf Länder diesen Erholungsgrad erreicht oder übertroffen (die Niederlande, Deutschland, Rumänien, Finnland und Portugal). Die Niederlande sind das einzige Land, in dem das derzeitige Produktionsniveau (leicht) höher ist als im Februar 2020. Länder mit einem Erholungsgrad von unter 90 % sind Slowenien (85,7 %), Polen (87,2 %), Tschechien (87,5 %) und Frankreich (89,1 %).
Tabelle 1 zeigt die Wachstumsraten für Dezember 2020 im Vergleich zum April 2020, d. h. allgemein für die Erholungsphase, die Schrumpfungsraten für April im Vergleich zum Februar 2020, d. h. für den Höhepunkt der Krise. Die Tabelle zeigt auch die Erholungsrate, d. h. das Wachstum vom Dezember 2020 im Vergleich zum Februar 2020.
Wichtige Vergleichsdaten
Um die beispiellose Entwicklung vom Anfang 2020 relativierend einzuordnen, stellt Eurostat mehrere Vergleiche an: Die Entwicklung innerhalb des Jahres 2020 wird verglichen mit der weltweiten Finanzkrise aus dem Jahr 2008, mit den Jahren 2010 bis 2019 und schließlich mit der Veränderung von Dezember 2019 bis Dezember 2020.
1. Entwicklung innerhalb des Jahres 2020
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Bautätigkeiten zwischen Januar und Dezember 2020 für Bauleistungen insgesamt, Gebäude und Tiefbau.
2. Die Jahre 2010 bis 2019: Jahrestypischer Verlauf
Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche monatliche Entwicklung der gesamten Bau-, Hoch- und Tiefbauarbeiten im Jahreszyklus, gemessen in den Jahren 2010 bis 2019 in der EU-27 (um die verschiedenen Indexniveaus vergleichbar zu machen, wurden alle Jahre auf einen Durchschnittswert von 100 zusammengefasst). Erkennbar wird ein jahrestypischer Verlauf: Im Durchschnitt verringerten sich die Indizes für das Baugewerbe zwischen Januar und Februar jeweils um einen oder zwei Indexpunkte, um im März wieder den früheren Stand zu erreichen. Dieser wird im April und Mai übertroffen. Zu Beginn des Winters werden die Bautätigkeiten dann wieder etwas reduziert.
3. Vergleich mit der Finanzkrise 2008
Bereits die weltweite Finanzkrise im Jahr 2008 hatte sich stark auf die Produktion in Industrie und Baugewerbe ausgewirkt.
Zwischen Februar und April 2008 sank der Index des gesamten Baugewerbes in der EU-27 um 6.9 Punkte (Gebäude: 6.1 Punkte, Tiefbau: 10.2 Punkte). Auch in den darauffolgenden Monaten gingen der Gesamtindex für das Baugewerbe und die Teilindizes weiter zurück, wenngleich die Rückgänge im Allgemeinen geringer ausfielen, gelegentlich aber auch zulegten.
Interessant ist nun, dass der Bauindex jedoch noch in den darauffolgenden fünf Jahren (2008 bis zum Frühjahr 2013) einen deutlichen Abwärtstrend aufwies. Er erreichte im März 2013 seinen niedrigsten Stand. In diesen fünf Jahren verlor der Gesamtbauindex fast 33 Punkte; erst danach begann er sich langsam zu erholen, ohne jedoch seinen früheren Höchststand vom Februar 2008 wieder zu erreichen. Abbildung 3 verdeutlicht diese Entwicklung.
4. Veränderung von Dezember 2019 bis Dezember 2020
Abbildung 4 zeigt die Veränderungen zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 (nur für 14 Länder, für die monatliche Daten vorliegen; die Änderungsraten werden auf der Grundlage kalenderbereinigter Daten berechnet): Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 ging das Baugewerbe in der EU-27 um 2,1 % und im Euroraum um 2,3 % zurück. Nur in Rumänien (11,5 %) war binnen Jahresfrist ein erheblicher Anstieg der Bautätigkeiten zu verzeichnen. Den stärksten Rückgang im Baugewerbe verzeichneten Belgien (-13,0 %), Tschechien (-12,4 %), Frankreich (-9,7 %) und Bulgarien (-7,0 %).
Vorlaufiges Fazit
Nach dem Beginn der Pandemie vor einem Jahr war die Entwicklung der letzten 12 Monate durch unstetes Auf und Ab gekennzeichnet.
Im Dezember 2020 waren nur 94,8 % des Vorkrisen-Niveaus vom Februar 2020 wieder erreicht. Das Wachstum vom Sommer letzten Jahres reichte also nicht aus, um die bisherigen Verluste aus der aktuellen Krise auszugleichen.
Die Daten speziell zu COVID-19-Auswirkungen auf die Bauwirtschaft werden per Online-Veröffentlichung bereitgestellt:
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Ausgabe
BauPortal 2|2021
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