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Am Himmel strahlende Sonne mit Thermometer über 30 Grad.
Bild: vladimir18 - stock.adobe.com

Aus der Wissenschaft

EU-Forschungsprojekt Heat Shield: Negative Auswirkungen von Hitzebelastung am Arbeitsplatz reduzieren

Die Klimaerwärmung stellt eine wachsende Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Millionen von Europäerinnen und Europäern erleben negative Auswirkungen auf Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit während der Sommerzeit. Diese werden bei körperlichen Aktivitäten und Hitzewellen noch weiter verschärft. Zusätzlich zu den Bestrebungen, der Klimaerwärmung durch die Reduktion der Treibhausgase entgegenzuwirken, gilt es, Strategien zu entwickeln, um die gesundheitsschädigenden und leistungsbeeinträchtigenden Auswirkungen von Hitzeeinwirkungen, speziell bei Hitzewellen, zu mildern. Ein Beitrag dazu leistet das HEAT-SHIELD-Projekt.
 

Beim internationalen Forschungsprojekt HEAT SHIELD, das durch das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 gefördert wird, werden die negativen Auswirkungen von erhöhtem Hitzestress am Arbeitsplatz auf die Gesundheit – inklusive Arbeitssicherheit und Produktivität – in den fünf für Europa wichtigen Branchen Produktion, Bau, Transport, Tourismus und Landwirtschaft untersucht. Das Ziel des Projekts ist es, einen nachhaltigen und sektorübergreifenden Rahmen zu schaffen, um technische und biophysikalische Strategien und Maßnahmen zur Verringerung der negativen Auswirkungen von Hitzestress auf Arbeitnehmende zu entwickeln und umzusetzen. Dabei wird ein ganzheitlicher Ansatz gewählt, indem zusätzlich zu den ungünstigen Wetterbedingungen auch die lokale Wärmeproduktion der industriellen Tätigkeit sowie deren Umgebungsbedingungen und Störfaktoren, die innere (metabolische) Wärmeproduktion der Beschäftigten durch ihre physikalische Arbeit sowie die Schutzbekleidung und andere arbeitsbezogene Faktoren berücksichtigt werden, die der körperlichen Wärmeabgabe entgegenwirken.

Die Maßnahmen beinhalten wetterbasierte Warnsysteme zur frühzeitigen Erkennung von Hitzewellen sowie industriespezifische Lösungsansätze zur Gesundheitsförderung und Eindämmung des Produktivitätsverlusts, die effektiv, realisierbar und nachhaltig sein sollen. Schlussendlich soll im Projekt die Umsetzung der formulierten Maßnahmen überprüft und deren gesundheitliche, wirtschaftliche und sozialen Auswirkungen bewertet werden.
 

Ausgangssituation

Aktuell ist bereits ein Drittel der Weltbevölkerung regelmäßig klimatischen Bedingungen ausgesetzt, die vom Körper nicht mehr dahingehend kompensiert werden können, dass ein Anstieg der Körperkerntemperatur vermieden wird. Hitzebelastung wird so zum Hitzestress. Sie lässt Morbidität und Mortalität in dieser Bevölkerungsgruppe ansteigen.[1] Es wird davon ausgegangen, dass trotz der Anstrengungen zur Eindämmung der Klimaerwärmung bis 2100 die Hälfte der Weltbevölkerung von regelmäßigem Hitzestress betroffen sein wird und sich dadurch die arbeitsbezogene Hitzebelastung ebenfalls verstärkt. Dies gefährdet die Sicherheit, die Gesundheit und die Produktivität der Beschäftigten.

Die arbeitsbezogene Hitzebelastung ist für den Bausektor von besonderer Relevanz, da es sich größtenteils um körperliche Arbeiten handelt, wobei 70 bis 80 % des Energieumsatzes vom Körper als Wärme freigesetzt werden und die Arbeiten draußen bei meist wetterexponierten Bedingungen ausgeführt werden müssen. Die bestehenden Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien erschweren zudem teilweise die Umsetzung von Maßnahmen. Diese Voraussetzungen könnten ein Grund sein, dass es keine Untersuchungen zu den Auswirkungen arbeitsbezogener Hitzebelastung auf die Gesundheit und die Produktivität im Bausektor gibt.
 

Beobachtungsstudie 1

Im HEAT-SHIELD-Projekt wurde daher eine Beachtungsstudie [2] im spanischen Saragossa durchgeführt. Dabei wurden total 109 Arbeitsstunden von 16 Beschäftigten bei verschiedenen Aufgaben (Gerüstbau, Mauern, Fahren) an einem heißen, sonnigen Tag (Maximallufttemperatur von 37 °C) und einem moderaten, bedeckten Tag (Maximallufttemperatur von 32 °C) detailliert anhand der Wetterdaten mit WBGT-Index, Urinproben und Arbeitszeiteinteilung ausgewertet. Der WBGT-Index variierte am ersten Arbeitstag die meiste Zeit zwischen 27 und 29 °C. Aufgrund der beträchtlichen Hitzebelastung konnte beobachtet werden, dass die Beschäftigten zusätzliche, nicht geplante Pausen einlegten (Abb. 1). Am zweiten Tag wurde ein maximaler WBGT-Indexwert von 24 °C festgestellt, wodurch mit keinen hitzebedingten Einschränkungen zu rechnen war und entsprechend die vorgegebene Arbeitsplanung besser eingehalten wurde (Abb. 1).
 

Abb. 1: Verteilung der Arbeitszeit auf effektive Arbeitszeit, reguläre Pausenzeit und irreguläre Pausenzeit an zwei Arbeitstagen mit unterschiedlichen thermischen Bedingungen.
Grafik Arbeitszeit/Pausen bei unterschiedlichen Temperaturen.
Bild: heat-shield.eu


Die Auswertung der Urinproben hat ergeben, dass viele der Beschäftigten bereits bei Arbeitsbeginn nicht genügend getrunken hatten und entsprechend dehydriert waren. Ein unausgeglichener Flüssigkeitshaushalt kann dazu führen, dass Hitzebelastungen weniger gut vertragen werden und hitzebedingte Einschränkungen der Arbeitsleistung wie auch gesundheitliche Auswirkungen schneller auftreten können. Die Dehydrierung hatte sich im Verlaufe des Arbeitstags allerdings nicht weiter verstärkt. Eine Umfrage unter den Beschäftigten ergab dann auch, dass 80 % ein permanentes Durstgefühl verspürten und zwei Drittel über stärkere Ermüdung, verminderte Konzentration bis hin zu Kurzatmigkeit und Schwindelgefühlen klagten. Die Studie hat ergeben, dass an heißen Tagen mehr als 10 % der Arbeitszeit aufgrund einer hitzebedingten Reduktion der Leistungsfähigkeit verloren gehen und durch die starke Hitzebelastung auch die Gesundheit der Beschäftigen gefährdet werden kann.

Zur Reduktion einer hitzeexpositionsbedingten Gefährdung der Gesundheit sowie einer verminderten Arbeitsleistung wurden in einer Übersichtsarbeit von Morris u. a. [3] verschiedene Maßnahmen bezüglich ihres Einflusses auf die Arbeitsleistung, die Kosten, die Umsetzbarkeit sowie deren Nachhaltigkeit untersucht:
 

Zur Reduktion einer hitzeexpositionsbedingten
Gefährdung der Gesundheit sowie einer
verminderten Arbeitsleistung wurden in
einer Übersichtsarbeit von Morris u. a. 
verschiedene Maßnahmen bezüglich ihres
Einflusses auf die Arbeitsleistung, die Kosten, die Umsetzbarkeit sowie deren Nachhaltigkeit untersucht.
Maßnahmen zur Reduktion einer hitzeexpositionsbedingten Gefährdung der Gesundheit bzw. verminderten Arbeitsleistung.
Bild: heat-shield


Hochauflösende Version der Tabelle (4394 x 4517 Pixel, 4,5 MB)


Für eine Folgestudie zur Untersuchung der Effektivität und Umsetzbarkeit von Maßnahmen wurden drei Ansätze definiert, deren Einflüsse wiederum auf das Pausenmanagement und den Wasserhaushalt untersucht worden sind. Diese drei einfach umzusetzenden Maßnahmen sind:

1. Zusätzlich geplante Pausen von 7 min Dauer an schattigen Plätzen zur (nicht vorgegebenen) Flüssigkeitsaufnahme.

2. Stündliche Abgabe eines Eisgetränks (300 ml).

3. Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts durch eine stündliche Abgabe von 750 ml Wasser. Zusätzlich wurden Arme, Nacken und Gesicht mit Wasser benetzt.
 

Beobachtungsstudie 2

Die zweite Beobachtungsstudie wurde in Murcia, Spanien, durchgeführt und analysierte 247 Arbeitsstunden von elf Beschäftigten bei verschiedenen Aufgaben (Gerüstbau, Eisenarbeiten, Kranfahren) an vier Arbeitstagen. Die Arbeitsbedingungen an den vier Arbeitstagen waren vergleichbar und erreichten jeweils einen maximalen WBGT-Indexwert von 32 °C, was auf starke Einflüsse der Hitzebelastung schließen lässt. Wiederum wurden die effektive Arbeits-zeit sowie die reguläre und die irreguläre Pausenzeit festgehalten werden. Dabei konnte wie bei der ersten Studie ein Arbeitszeitverlust von ca. 10 % festgestellt, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen verordnet wurden. Die Einplanung zusätzlicher Pausen konnte den Verlust nicht eindämmen und zeigte einen ähnlichen Wert beim Rückgang der effektiven Arbeitszeit wie ohne die getroffenen Maßnahmen. Die Abgabe von Eisgetränken und vor allem die Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts durch die Zurverfügungstellung von Wasser hat den Anteil der irregulären Pausen auf 6 % respektive 3 % reduziert (Abb. 2).
 

Abb. 2: Einfluss verschiedener Maßnahmen zur Verminderung des Arbeitszeitverlusts, der durch hitzebedingte irreguläre Pausen
entsteht.
Einfluss verschiedener Maßnahmen zur Verminderung des Arbeitszeitverlusts, der durch hitzebedingte irreguläre Pausen entsteht.
Bild: heat-shield.eu


Wie schon in der ersten Studie wurde auch in dieser festgestellt, dass die Beschäftigten bereits zu Arbeitsbeginn einen nicht ausgeglichenen Wasserhaushalt hatten (Abb. 3). Zusätzliche Arbeitspausen wie auch die Gabe von Eisgetränken beeinflusste den Wasserhaushalt nicht positiv, wohingegen die zusätzliche Wassergabe zumindest die Tendenz zu einer besseren Wasserversorgung zeigt.


Abb. 3: Spezifisches Gewicht des Harns zur Untersuchung des Wasserhaushalts
bei den Beschäftigten.
Spezifisches Gewicht des Harns zur Untersuchung des Wasserhaushalts.
Bild: heat-shield.eu


Fazit

Aus beiden Studien kann geschlussfolgert werden, dass bereits das regelmäßige Trinken am Arbeitsplatz einen relevanten Einfluss auf die Hitzeverträglichkeit und damit auf die Gesundheit und den Erhalt der Produktivität haben kann. Somit gilt es, genügend (gekühltes) Trinkwasser zur Verfügung zu stellen und allenfalls mit Elektrolyten anzureichern, um den Salzverlust bei starkem Schwitzen zu kompensieren. Auch das zusätzliche Benetzen von Extremitäten, Gesicht und Nacken unterstützt die Kühlung des Körpers und steigert das Wohlbefinden. Hinsichtlich weiterer Maßnahmen, die im HEAT-SHIELD-Projekt, aber nicht in den vorliegenden Beobachtungsstudien, untersucht worden sind, spielt eine angepasste Bekleidung eine wichtige Rolle, da diese einerseits die Strahlungsbelastung reduzieren kann und andererseits die Körperwärmeabgabe nicht behindern sollte. Gerade beim Tragen von Schutzbekleidung spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle und es gilt abzuklären, inwieweit Schutz und Tragekomfort optimiert werden können. Schlussendlich spielt auch die Hitzeakklimatisierung eine wichtige Rolle. Hier wurde festgestellt, dass Personen mit einer guten Fitness sich schneller und stärker anpassen können. Trotzdem gilt insbesondere an den ersten heißen Tagen der Sommersaison der Hitzeanpassung und der Umsetzung der Maßnahmen eine erhöhte Aufmerksamkeit, in der Hoffnung, dass diese über den gesamten Sommer hinweg umgesetzt werden, zum Wohle von Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberin und Arbeitgeber.
 

  • Der WBGT-Index (Wet Bulb Globe Temperature) gibt eine scheinbare Temperatur an, um die Hitzebelastung aufgrund der Umgebungsbedingungen (beschrieben durch Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung) auf den Menschen zu beschreiben. Dazu wird die Feuchtkugeltemperatur (wet-bulb temperature) bestimmt, die die tiefstmögliche Temperatur angibt, die durch Verdunstungskühlung in einer bestimmten Umgebung erreicht werden kann (bei einer Luftfeuchtigkeit von 100 % kann keine Verdunstungskühlung stattfinden, wodurch die Feuchtkugeltemperatur in dieser Situation gerade der Lufttemperatur entspricht).

    Ebenso wird die Strahlungstemperatur mit einem schwarzen Globus gemessen (black globe thermometer), der die maximal mögliche Temperatur angibt, die durch die vorherrschende Strahlung erreicht werden kann (in einer Situation ohne Strahlung entspricht die Strahlungstemperatur der Lufttemperatur). Als Letztes wird die Trockenkugeltemperatur mitberücksichtigt, die der tatsächlichen Lufttemperatur entspricht.

    Zur Beurteilung des WBGT-Index wurden fünf Kategorien mit Referenztemperaturen festgelegt, ab denen zusätzliche Maßnahmen zur Reduktion der Hitzebelastung notwendig sind (z. B. Pausenmanagement, Flüssigkeitsaufnahme) (ISO 7243:2017 [4]).
     

Tabelle zur Beurteilung des WBGT-Index
Bild: heat-shield.eu
Ein Bauarbeiter steht mit Schutzhelm, Nackenschutz und Arbeitskleidung auf einer Baustelle. Er trinkt bei Hitze Wasser.
Hitzewelle
Bild: Thomas Lucks - BG BAU
Fußnoten
1
Mora C, Dousset B, Caldwell IR, et al. Global risk of deadly heat. Nat Clim Change 2017; 7: 501–6.
2
Technischer Report: (https://www.heat-shield.eu/technical-reports; D3.5 – Technical Report 10).
3
Morris NB, Jay O, Flouris AD, et al. Sustainable solutions to mitigate oxxupational heat strain – an umbrella review of physiological effects and global health perspectives.
4
ISO 7243:2017(E), Ergonomic of the thermal environment – Assessment of heat stress using the WBGT (wet bulb globe temperature) index.
Autor

Dr. sc. Annaheim

Empa
Swiss Federal Laboratories for Materials
Science and Technology
Laboratory for Biomimetic Membranes and
Textiles


Ausgabe

BauPortal 2|2021