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Abbruch und Recycling

Arbeitsschutz bei Abbruch und Recycling

Modellbild der Sprengung eines Industrieschornsteins. Der Sprengbereich ist abgesperrt und davor stehen zwei Personen mit Schutzhelm und Schutzkleidung.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU


Die Entkernung und der Rückbau von Bauwerken sowie die Baureifmachung von Grundstücken sorgten in den letzten Jahren dank einer boomenden Bauwirtschaft für eine konstant hohe Nachfrage bei den Abbruchunternehmen. Konstant hoch geblieben sind leider auch die Zahlen bei den Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten – eine Herausforderung für Unternehmer, Beschäftigte und BG BAU.
 

Grund und Boden sind nicht unbegrenzt verfügbar. Die Umwandlung von insbesondere landwirtschaftlichen oder naturbelassenen Flächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen geht mit erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft einher. Lebensraum von Tieren und Pflanzen wird zerstört und die natürlichen Funktionen des Bodens, des Wasserhaushalts und des Kleinklimas sowie das Landschaftsbild werden negativ verändert. Insofern kommt dem Abbruchgewerbe durch Freimachung von bspw. Industriebrachen in städtischen Räumen eine wichtige Rolle zu. Die meisten Bauwerke werden ohnehin nicht für die Ewigkeit gebaut und entsprechen nur für einen begrenzten Zeitraum dem Stand der Technik oder den Nutzungsanforderungen. Das Abtragen nicht mehr benötigter oder funktionsuntüchtiger Bauwerke, Bauwerksteile und technischer Anlagen macht den Weg frei für ein neues Bauwerk oder gibt der Natur Flächen zurück.
 

Struktur der Abbruchbetriebe

Bei der Mehrzahl der Abbruchunternehmen handelt es sich um mittelständische, inhabergeführte Betriebe, die vorrangig in regionalen Märkten tätig sind. Hier können sie mit den gegebenen Ressourcen zu annehmbaren Betriebskosten wirtschaftlich sinnvoll agieren. Rückbaumaßnahmen erfordern eine konstruktive Zusammenarbeit mit lokalen Behörden, um bspw. überraschend auftretende Probleme erfolgreich lösen zu können. Hinzu kommt, dass Abbruchmaßnahmen nicht bundeseinheitlich geregelt sind, sondern landesrechtlichen und kommunalen Bestimmungen unterliegen. Oft bringen Abbruchunternehmen ihre vorhandenen Betriebsmittel in andere Geschäftsfelder ein und bieten Dienstleistungen wie Erdarbeiten, Containerdienste oder Baumaschinenverleih an. Sofern sie als Entsorgungsbetrieb zertifiziert sind, handeln sie auch mit Baustoffen und Recyclingmaterial. Laut statistischem Bundesamt beschäftigen rund 80 % der deutschen Abbruchunternehmen weniger als 50 Mitarbeitende und fallen damit in die aus Sicht des Arbeitsschutzes eher unfallträchtige Unternehmensgrößenklasse.
 

Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft

Insgesamt sank die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und bei den baunahen Dienstleistungen in den letzten drei Jahren von 106.774 (2019) auf 103.970 (2020) und 103.525 (2021). Vergleicht man die Zahlen der meldepflichtigen Arbeitsunfälle bezogen auf 1.000 Vollarbeiter, so wird deutlich, dass Tätigkeiten in der Bauwirtschaft im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen mit einem höheren Risiko verbunden sind. So war die sogenannte Tausend-Personen-Quote (TPQ) der Bauwirtschaft in den Jahren 2020 und 2021 rund 2,2 Mal so hoch wie der Durchschnitt aller hiesigen Wirtschaftszweige. Ähnliche Verhältnisse lassen sich auf der ganzen Welt beobachten.

Arbeitsunfälle bei Abbrucharbeiten sind durch überdurchschnittlich hohe Anteile an schweren und tödlichen Fällen gekennzeichnet. Im Gewerk „Abbruch und Entsorgung“ verzeichnet die BG BAU pro Jahr ca. 1.600 Arbeitsunfälle (dreimal häufiger als das übrige Baugewerbe), wobei der Anteil an schweren Unfällen etwa 16 % beträgt.

Nach wie vor gilt, dass Abbrucharbeiten von allen Beteiligten – Bauherren, Planern, Abbruchunternehmern, zuständigen Behörden und Ausführenden – ein konstruktives und koordiniertes Zusammenwirken, geprägt von Fachkenntnis, Sachverstand und Verantwortungsbewusstsein erfordern.
 

Darstellung von maschinellen Abbrucharbeiten mit Hilfe eines Longfrontbaggers.
Bild: Umtec


Veränderte Abbruchverfahren

Die Branche und die eingesetzten Techniken haben sich in den letzten 20 bis 30 Jahren aufgrund gesetzlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen spürbar verändert. Die Baumaschinen- und Anbauteilehersteller haben hierauf reagiert und entsprechend verbesserte Produkte entwickelt. So weisen z. B. moderne Hydraulikbagger einen reduzierten Kraftstoffverbrauch und CO₂-Ausstoß, Adapter für 360°-Rotation, Schnellwechselsysteme sowie Wireless-Equipment-Monitoring-Systeme auf. Long-Front-Bagger verfügen über steigende Reichhöhen. Neben der Einsetzbarkeit von Bio-Schmierstoffen verfügen moderne Hydraulikhammer über hydraulische Schnellwechselsysteme und sind lärm- sowie erschütterungsärmer als die Vorgänger. Studien, wie bspw. von der Forschungsinitiative Bau (Fraunhofer IRB Verlag, F2975, 2016), zeigen, dass alle Abbruchunternehmen heutzutage Hydraulikbagger, die Hälfte zusätzlich Handmaschinen und fast ein Viertel Abbruchroboter einsetzen, während Seilbagger mit Abrissbirne zunehmend an Bedeutung verlieren. Mit der fortschreitenden Technisierung der Abbruchtechnik stiegen auch die Qualifika-tionsansprüche an die Fachkräfte in der Abbruchbranche, was sich an Aus- und Weiterbildungszahlen ablesen lässt.

Bei der Wahl des einzusetzenden Abbruchverfahrens, welches Einfluss auf den Arbeitsschutz, den Schutz von Dritten, den Umweltschutz und die Wiederverwertbarkeit der mineralischen und nicht mineralischen Materialien hat, ist nicht allein die Wirtschaftlichkeit von Bedeutung, sondern auch folgende Bedingungen und Faktoren:

  • Baustellenbedingungen (Baufeld, Nachbarbebauung, Sparten, Verkehrssituation)
  • Abbruchprojekt (Materialien, Bauweise/Konstruktion, Gründung, Bauzustand, Kontaminationen)
  • Abbruchtechnische Voraussetzungen (Anzahl und Qualifikation des Personals, Maschinen, Arbeitsmittel usw.)
  • Ökonomische und organisatorische Voraussetzungen (Bauzeiten, Bauablauf)
  • Verwendung der mineralischen und nicht mineralischen Abbruchmaterialien
     
Ein Haus wird mit einer hydraulischen Abbruchschere bzw. Abbruchzange abgerissen.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU


Besondere Gefahren bei selektivem Rückbau

Gerade beim selektiven Rückbau kommt es zu Abwägungsprozessen bezüglich Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Arbeitsschutz. Sofern alle nicht mineralischen Stoffe (Kunststoffe, Holz, Metalle) vor dem maschinellen Abbruch aus Umweltschutzgründen oder zur Vermeidung teuren Baustellenmischabfalls auszubauen sind, ist von einer Vielzahl an ungesicherten Absturz- und Durchsturzmöglichkeiten auszugehen. Aus Sicht des Arbeitsschutzes passt des Öfteren der alte Satz, dass der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert sei. Typische Beispiele sind der Rückbau des Dachstuhls aus Holz, der Ausbau von Fenstern oder die Demontage von Treppengeländern. Manchmal stürzt die Giebelwand aus Mauerwerk während oder nach der Demontage des Dachstuhls um, Fensterbrüstungen genügen ohne die ausgebauten Fenster nicht immer und Treppen ohne Geländer nie den Anforderungen in Sachen Absturzsicherung. Dachkonstruktionen werden meist im Schutze von Fassadengerüsten erstellt – warum sollte man bei der Demontage darauf verzichten können? Mit geeigneten Maschinen und Maschinenführern lassen sich viele der selektiven Rückbauarbeiten nach Beseitigung von Gefahrstoffen bzw. kontaminierter Bausubstanz auch ohne Personenaufenthalte in Gefahrenbereichen durchführen, was entsprechende Investitionen in Menschen und Maschinen voraussetzt. Viele Abbruchleistungen lassen sich jedoch auch mit älterem Gerät in vergleichbarer Wirtschaftlichkeit erbringen, sodass es sicherlich noch Jahre dauern dürfte, bis die neuesten Abbruchgeräte mit ihren positiven Auswirkungen auf den Arbeitsschutz flächendeckend zum Einsatz kommen.

 

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Staubentwicklung vermeiden

Bei der Vermeidung respektive Verringerung der Staubentwicklung während der Abbrucharbeiten bietet verbesserte Technik die Chance, auf Personen mit Wasserschlauch in der Hand und Atemschutz in der Nähe der Gefahrenbereiche zu verzichten und stattdessen mit Spritzdüsen ausgestattete Abbruchgeräte oder Staubbindeanlagen (sog. Schneekanonen) zu verwenden.
 

Modellbild mit einer Person, die mit Sicherung und Absaugung auf einem Gerüst an einem teils abgerissenen Gebäude arbeitet.
Bild: H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU


Maschinenführer, die sich stundenlang in unmittelbarer Nähe des Staubgeschehens befinden, kann man mittels Kabinen-Zuluftfilters zuverlässig vor Stäuben schützen. In mehr oder weniger geschlossenen Innenräumen können ferngesteuerte Abbruchmaschinen in Kombination mit Abschottungen vor Staubbelastungen schützen. Diese auch als Abbruchroboter bezeichneten ferngesteuerten Mini-Bagger erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in der Branche und kommen hauptsächlich bei beengten Verhältnissen in Gebäuden oder bei hohen Gebäuden, die nicht mit Hydraulikbaggern abgebrochen werden können, zum Einsatz. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist diese Entwicklung zu begrüßen, da Abbruchroboter in Bereichen mit Einsturz- oder Absturzgefahren sowie in kontaminierten Bereichen eingesetzt werden.
 

Fazit

Moderne Maschinen und Anbaugeräte bieten aus Sicht des Arbeitsschutzes großartige Chancen, die relativ hohen Arbeitsunfall- und Berufskrankheitenzahlen der Abbruchbranche nachhaltig zu verringern. Hierzu bedarf es entsprechender Investitionen in die Technik und die Qualifikation des dazugehörigen Personals in den Betrieben sowie auf den Baustellen, womit unweigerlich die Frage der Wirtschaftlichkeit zu behandeln ist. Selbstverständlich lohnen sich Investitionen in den Arbeitsschutz aus volkswirtschaftlicher Sicht immer. Betriebswirtschaftlich gilt ein Return on Investment (ROI) von mindestens 1,5 bis 2,0 als belegt, wobei es hier u. a. auf den Zeithorizont ankommt. Im Fall der Abbruchbranche mit ihren typischen Betriebsgrößen lassen sich die betrieblichen Kosten für einen Arbeitsunfähigkeitstag mit 200 € bis 400 € annehmen, wobei sich hier die Arbeit aufgrund des geringeren Personalpuffers nicht so ohne Weiteres von jemand anderem erledigen lässt. Hinzu kommen im Fall der Bauwirtschaft ein Nachwuchsproblem und eine relativ hohe Abwanderung in andere Branchen, wo Arbeitsplätze mit weniger Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer locken. Insofern haben Investitionen in den betrieblichen Arbeitsschutz in der Abbruchbranche einen höheren Wert als in anderen Wirtschaftszweigen. Moderne Abbruchmaschinen und Anbaugeräte sind also nicht nur leistungsfähiger und sparsamer, sondern erhöhen auch das Arbeitsschutzniveau bei Abbruchmaßnahmen merklich.
 

Asbest – bei Abbrucharbeiten eine besondere Gefahr


In Gebäuden, die vor 1994 gebaut wurden, kann Asbest verwendet worden sein. Der Stoff ist vor allem in Fußböden, Fassaden und Wänden, auf Dächern und in Installationen zu finden. Wer Asbestfasern einatmet, kann schwer krank werden und zum Beispiel Asbestose oder Lungenkrebs bekommen. Daher ist besonders bei Abbrucharbeiten Vorsicht geboten.

Das neue E-Learning-Programm der BG BAU „Grundkenntnisse Asbest“ zeigt, wo asbesthaltige Materialien verbaut sein könnten und wie man sich hiervor schützen kann. Besonders wichtig ist es, staubarm zu arbeiten sowie entstehende Stäube abzusaugen und zu filtern. Betroffene Arbeitsbereiche müssen von anderen Bereichen abgetrennt und abgeschottet werden, um zu verhindern, dass Asbest verschleppt wird. Bei Gefährdungen sind auch Atemschutzmasken und staubdichte Schutzanzüge erforderlich. Die Entscheidung, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind, trifft eine verantwortliche Person im Unternehmen, die über vertiefte Sachkunde zum Thema Asbest verfügt.

In einem neuen Schutzpaket für das Bauen im Bestand hat die BG BAU technische und persönliche Maßnahmen zusammengestellt, mit denen die Belastungen durch Staub, Faserstäube und andere luftgetragene Gefahrstoffe reduziert werden können.

Das Schutzpaket besteht aus:

  • Handmaschinen mit Absaugung
  • Bau-Entstauber der Staubklasse H
  • Luftreiniger oder Unterdruckhaltegeräte der Staubklasse H
  • Staubschutztür in faltbarer Ausführung
  • einer Einkammer-Personenschleuse in faltbarer Ausführung
  • 50 Einwegschutzanzügen Kat. III Typ 5/6
  • 10 Atemschutz-Halbmasken mit Filter P3
In einem gezeichneten Koffer befinden sich Atemschutzmasken, Bauentstauber und ein Schutzanzug.
Bild: Meyle+Müller GmbH+Co. KG - H.ZWEI.S Werbeagentur GmbH - BG BAU - Aleksey 159 - stock.adobe.com

Mitgliedsunternehmen der BG BAU können eine Förderung von 50 % der Anschaffungskosten (maximal 5.000 EUR) erhalten, wenn sie in die Maßnahmen investieren. Eine Voraussetzung für den Erhalt der Prämie ist das Durchlaufen des E-Learning-Programms „Grundkenntnisse Asbest“. Vor Beantragung der Förderung muss es von mindestens 50 % der Beschäftigten des jeweiligen Unternehmens, die in den gefährdeten Bereichen arbeiten, erfolgreich abgeschlossen werden.

Näheres zu der neuen Arbeitsschutzprämie erfahren Sie hier:
www.bgbau.de/schutzpaket-bauen-im-bestand
 

Autor

Dipl.-Ing. Bernd Merz

BG BAU Prävention


Ausgabe

BauPortal 1|2023