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Visualisierung des Baufelds 4 (Zossener Straße)
Visualisierung des Baufelds 4 (Zossener Straße) | Bild: architecture2brain, Entwurf Arge Arnold und Gladisch DMSW

Bauwerksbau

Bau des neuen Quartiers „Stadtgut Hellersdorf“

Immer mehr Menschen zieht es in die Hauptstadt. Wohnungen gibt es hier reichlich, allerdings kaum noch bezahlbare. Städtische Wohnungsunternehmen wie die GESOBAU AG sehen sich in der Pflicht – gehen in die Offensive und suchen freie Flächen. So will das Unternehmen bis 2023 allein 1.500 neue Wohnungen rund um das denkmalgeschützte Stadtgut Hellersdorf am östlichen Rand Berlins bauen.
 

Irgendwie ist es eine Ironie der Geschichte. Mit dem Wohnungsbauprogramm der DDR in den 1970er- bzw. 1980er-Jahren zogen Hunderttausende in die neu entstehenden Plattenbausiedlungen in Marzahn-Hellersdorf. Der Preis für die damals modernen Wohnungen stimmte wie die Infrastruktur. Wenige Jahre später im vereinten Land wanderten Tausende, vor allem Besserverdienende, ab, ins Eigenheim in den Speckgürtel. Die Bewohnerzahl schrumpfte so massiv, dass zunehmend rückgebaut wurde. Zahlreiche Brachen blieben übrig, wurden vernachlässigt und verkamen ungenutzt. Angesichts der Berliner Wohnungsmisere rückt der Stadtbezirk als lebenswerter Wohnort nunmehr wieder in den Fokus und soll Jung und Alt Perspektiven bieten. Laut Angaben des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg verzeichnet Marzahn-Hellersdorf zusammen mit Mitte und Tempelhof-Schöneberg den stärksten Bevölkerungszuwachs.

 

Das Projekt „Quartier Stadtgut“

Mit dem Projekt „Quartier Stadtgut“ verspricht das kommunale Wohnungsunternehmen Gesobau AG einen neuen Wohn-Hotspot im nördlichen Hellersdorf mit 1.500 hochwertigen 1- bis 5-Zimmer-Wohnungen. Der Preis pro Quadratmeter Wohnfläche liegt bei 10 € Kaltmiete. Rund 30 % der Wohnungen werden gefördert und zu einer Nettokaltmiete ab 6,50 €/m² angeboten. Alte Brachen werden jetzt zu vier Baufeldern. Derzeit drehen sich die Turmdrehkräne zwischen der Alten Hellersdorfer Straße, dem Havelländer Ring, der Kastanienallee und der Zossener Straße. Hier entstehen zwölf Gebäude mit 489 Standard- und 187 speziellen Seniorenwohnungen auf 62.400 m² Wohnfläche. Dazwischen sind Grün-, Spiel- und Sportflächen, Gemeinschafts- und Gewerbeflächen sowie ein Café geplant. Direkt an der stark frequentierten Zossener Straße ist ein Parkhaus mit 500 Stellplätzen in Bau, das das neue Wohnviertel zusätzlich vor Lärm schützen soll.

An die Stelle einer temporären Flüchtlingsunterkunft Ecke Kastanienallee rückt zudem ein Gebäude mit 41 Wohnungen für rund 250 geflüchtete Menschen. Die Modulbauweise ermöglicht später eine flexible Nachnutzung.

Die Gestaltung des denkmalgeschützten Stadtguts mit seinen vielen Backsteinbauten allerdings befindet sich noch in der Planungsphase.

 

Die beiden Baufelder 3 und 4 an der Zossener Straße
Die beiden Baufelder 3 und 4 an der Zossener Straße
Bild: GESOBAU AG - Thomas Bruns


Taktgenaue Logistik auf engem Baufeld

Den Auftrag als Generalübernehmer für das Bauvorhaben Zossener Straße erhielten die ANES Bauausführungen Berlin GmbH sowie die mib märkische ingenieur bau GmbH, Wriezen. Frank Brödermann von der mib ist als Verantwortlicher für Einkauf, Ausschreibung und Vergabe von Anfang an in das Projekt einbezogen und weiß, was Verdichtung, was Bauen auf einer Brache mitten in einem Wohngebiet bedeutet. „Wir müssen für die neuen Wohngebäude die gesamte Infrastruktur neu schaffen, einschließlich Straßen, Elektro-, Wasser- und Abwasserleitungen, und sie mit bestehenden Medien des Umfelds verbinden. Das alles mit unterschiedlichen und zahlreichen Verhandlungspartnern, in engster Nachbarschaft zu anderen Wohnhäusern, neben Straßenbahnen, stark befahrenen Straßen, Autobahnzubringern und unter Coronavirus-Bedingungen. Alle Gewerke müssen deshalb bis ins kleinste Detail genau nach Plan aufeinander abgestimmt werden. 15 Baukräne arbeiten zeitgleich koordiniert. Betonfertigteile sowie Mischbeton müssen taktgenau geliefert werden, damit sich auf den engen Baustraßen niemand behindert und der öffentliche Verkehr nicht so stark beeinflusst wird. Eine Aufgabe, die uns täglich neu fordert. Vor allem logistisch.“

Dabei steht Sicherheit für die Bauteams wie für Passanten an erster Stelle. Ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) achtet bei wöchentlich stattfindenden Rundgängen darauf, ob getroffene Absperr- und andere Sicherheitsmaßnahmen immer noch wirksam sind. Dazu zählen im Corona-Jahr auch die besonderen Hygienerichtlinien, wie z. B. kürzere Reinigungsintervalle der Sanitäranlagen, kleinere Arbeitsgruppen, teilweise Schichtarbeit oder Projektbesprechungen per digitalen Medien.

 

Enges Baufeld
Enges Baufeld
Bild: Bärbel Rechenbach
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Bauen in enger Nachbarschaft zum bestehenden Wohngebiet
Bauen in enger Nachbarschaft zum bestehenden Wohngebiet
Bild: Bärbel Rechenbach
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Sichere Montage auf allen Ebenen

Die Konstruktion aller Gebäude in monolithischer Bauweise aus gedämmten Hochlochziegeln führt zu einer energieeffizienten Gebäudehülle mit optimierten Lebenszykluskosten entsprechend dem KfW-Standard 55. Zur Wärmedämmung der Fassade dient ein mineralisches Wärmeverbundsystem (etwa 20 cm dick), das auf die Außenwand gedübelt wird. Dicht an dicht verlegte Platten sorgen für die nötige ununterbrochene Wärmedämmung. Denn jedes Leck hätte Wärmeverlust und sogar Schimmel zur Folge. Darauf folgt grobkörniger Putz im Wechsel mit glattem, was später die gestalterische Vielfalt in der Fassadenansicht hervorbringt.

Um den Bauleuten während der Montage an höhergelegenen Arbeitsplätzen die nötige Sicherheit zu bieten, sind rundum standsichere Fassadengerüste angebracht. Diese Gerüste sind sicher und für die auszuführenden Tätigkeiten geeignet und entsprechen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DiBt). Dabei gilt: Dreiteiliger Seitenschutz, Abstand zur Wand max. 30 cm, Verankerung ab zweiter Lage, Nutzung erst nach Freigabe des Gerüsts durch den Gerüstersteller.

Schutznetze verhindern außerdem, dass Werkzeuge oder andere Bau-Materialien von Baugerüsten auf Vorübergehende, parkende sowie vorbeifahrende Kraftfahrzeuge fallen – Maßnahmen, die jegliche Unfälle sowie hohe Folgekosten vermeiden sollen.

 

Absturzsichere Fassadengerüste
Absturzsichere Fassadengerüste
Bild: Bärbel Rechenbach
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Gesichertes Arbeiten mit PSAgA in der Hubarbeitsbühne
Gesichertes Arbeiten mit PSAgA in der Hubarbeitsbühne
Bild: Bärbel Rechenbach
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Sicheres Arbeiten in der Hubarbeitsbühne
Sicheres Arbeiten in der Hubarbeitsbühne
Bild: Bärbel Rechenbach
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Maßnahmen Absturzvermeidung

Grundsätzlich ist der Absturz, also das Herabfallen einer Person auf eine tiefer gelegene Fläche, mit einer Absturzhöhe von mehr als 1 m zu verhindern. Geeignete Maßnahmen sind entsprechend der nachfolgend aufgeführten Maßnahmenhierarchie (nach § 4 Arbeitsschutzgesetz) festzulegen:

  • Gefahrenquelle vermeiden!
  • Wenn dies ausscheidet, sind technische, zwangsläufig und kollektiv wirkende Schutzmaßnahmen in Form von Absturzsicherungen zu ergreifen.
  • Wenn dies aus technischen Gründen nicht machbar ist, sind Auffangeinrichtungen vorzusehen. Ist auch das nicht möglich, kommen persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz zum Einsatz. 
  • Bei Arbeitsplätzen ist eine Absturzsicherung (z. B. dreiteiliger Seitenschutz) ab 2,00 m Absturzhöhe, bei Verkehrswegen ab 1,00 m vorzusehen.
  • Bodenöffnungen und nicht durchtrittssichere Beläge sind immer gegen Absturz bzw. Durchsturz zu sichern.

Neue Qualität in der Optik

Immer noch leiden Plattenbau-Großsiedlungen wie Hellersdorf unter der Stigmatisierung, sie seien eintönig. Deshalb legte die Gesobau bei Vergabe der Aufträge besonders viel Wert auf die architektonische Fassadengestaltung, die sich qualitativ deutlich vom bisherigen Umfeld abheben sollte.

Für jedes der vier Baufelder „Stadtgut“ wurde vorab ein Architektur-Wettbewerb ausgeschrieben, der für die Gebäude jeweils ein abgestimmtes Fassaden- und Farbkonzept forderte. Die Fassaden sollen sich zwar vom Material her wiederholen, jedoch nicht monoton wirken. Zu den Lösungsvorschlägen gehörten beispielsweise unterschiedliche verputzte Oberflächen, Balkonbänder und Loggien.

Fassadengestaltung
Fassadengestaltung
Bild: Bärbel Rechenbach
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Visualisierung der Farb- und Fassadengestaltung im künftigen Stadtgut Hellersdorf
Visualisierung der Farb- und Fassadengestaltung im künftigen Stadtgut Hellersdorf
Bild: architecture2brain, Entwurf Arge Arnold und Gladisch
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Ausblick

Geplant ist, das neue Wohngebiet bis Ende 2023 fertigzustellen. Dann folgt der Umbau des denkmalgeschützten „Stadtguts“ zu einem „Modernen Dorf“ – mit wenig Autoverkehr, viel Gewerbe aus Kunst und Kultur, Gastronomie und einem Wochenmarkt. Insgesamt stellt das gesamte Bauprojekt eine durchaus akzeptable Lösung dar, die künftig unterschiedlichste Menschen anziehen und den Stadtbezirk weiter bereichern wird.

 

Bauaufgabe:
Neubau Wohnungen


Bauherrin „Quartier Stadtgut Hellersdorf“
GESOBAU AG


Generalübernehmerin
ANES Bauausführungen Berlin GmbH,
mib märkische ingenieur bau GmbH


Architektur
wiechers beck Gesellschaft von Architekten mbH,
Arnold und Gladisch Architekten in Arge mit DMSW partnerschaft von architekten


Gesamtfläche/Wohnfläche
ca. 135.000 m²/ca. 72.500 m²


Baubeginn/Bauende
Frühjahr 2020/Ende 2023
 

Bau im Fokus: Neubauoffensive Marzahn-Hellersdorf

© Novart Video Rechenbach 2020

Autorin

Bärbel Rechenbach

Freie Baufachjournalistin


Ausgabe

BauPortal 1|2021