Ladungsssicherung
Neues zu Zurrpunkten auf Fahrzeugen der Bauwirtschaft
Um Unfälle durch verrutschende oder sich bewegende Ladung auf Fahrzeugen zu verhindern, ist eine Ladungssicherung mittels Ladungssicherungsmitteln notwendig. Wie die Ladungssicherung im Detail erfolgen soll, ist in entsprechenden DIN- bzw. DIN-EN-Normen festgelegt. Seit Mai 2020 gibt es eine neue Norm, die sowohl Änderungen für die Herstellerfirmen von Fahrzeugen als auch für die Nutzenden bringt.
Um Unfälle aufgrund verrutschender oder in Bewegung geratener Ladung zu verhindern, ist es notwendig, die Ladung gegen die fahrdynamischen Kräfte zu sichern. Dieses ist (hoffentlich) allen Fahrzeugführenden und weiteren am Transport beteiligten verantwortlichen Personen bekannt. Damit die Ladung beim Fahren an der Stelle bleibt, an der sie auf dem Fahrzeug abgestellt worden ist, werden unterschiedliche Sicherungsmethoden angewandt: einerseits die kraftschlüssige Ladungssicherung, andererseits die formschlüssige Ladungssicherung.
Sowohl bei der kraftschlüssigen als auch bei der formschlüssigen Ladungssicherung müssen die verwendeten Zurrmittel (z. B. Zurrketten, Zurrgurte oder Zurrdrahtseile) und die vorhandenen Zurrpunkte die auftretenden Kräfte aus den Fahrbewegungen und der Gewichtskraft der Ladung aufnehmen – „das muss zusammenpassen“.
Für die unterschiedlichen Produkte zur Ladungssicherung gibt es DIN- bzw. DIN-EN-Normen, in denen die Grundlagen zum Auftreten, zur Aufnahme und zur Ableitung der eingeleiteten fahrdynamischen Kräfte dargestellt sind. Diese Normenwerke richten sich sowohl an Produktionsfirmen als auch an diejenigen, die die Ladungssicherung im Alltag umsetzen.
Zusammenhang von UVV und Norm
In der jüngsten Vergangenheit gab es für die Zurrpunkte eine Neuerung. Über die Zurrpunkte werden die auf die Ladung einwirkenden Kräfte, die in die Zurrmittel eingeleitet worden sind, in die tragenden Teile des Fahrzeuges weitergeleitet.
Diese Forderung ist in § 22 Abs. 1 Satz 3 der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Fahrzeuge“ (DGUV Vorschrift 70) wie folgt formuliert: „Pritschenaufbauten und Tieflader müssen mit Verankerungen für Zurrmittel zur Ladungssicherung ausgestattet sein.“
Welche Zurrkräfte diese Verankerungen – z. B. Einzel-Zurrpunkte oder Mehrpunkt-Zurrsysteme – mindestens aufnehmen müssen bzw. welche Zurrkräfte maximal über die Zurrmittel – nach DIN EN 12195 Teile 2 bis 4 – in diese eingebracht werden dürfen, wird in anerkannten technischen Regeln festgelegt. Dazu zählt z. B. die DIN EN 12640:2020-05.
Zurrkräfte auf Pritschenfahrzeugen – bisherige Normen
Für Zurrpunkte auf Pritschenfahrzeugen bis 3,5 t zulässige Gesamtmasse (zGM) mussten die Produktionsfirmen der Fahrzeuge bisher die DIN 75410-:2003-07 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen, Teil 1: Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen zur Güterbeförderung mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t; Mindestanforderungen“ beachten. Nach dieser mussten die Zurrpunkte auf Fahrzeugen und Anhängern bis 3,5 t zulässige Gesamtmasse (zGM) eine Mindestzurrkraft von 400 Dekanewton (daN) aufnehmen.
Für Zurrpunkte auf Pritschenfahrzeugen über 3,5 t zulässige Gesamtmasse (zGM) war für die Produktionsfirmen der Fahrzeuge dagegen die DIN EN 12640:2001-01 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen – Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen zur Güterbeförderung – Mindestanforderungen und Prüfung; Deutsche Fassung EN 12640:2000“ zu beachten.
Zurrkraftregelung in der neuen Norm
Seit Mai 2020 gibt es eine neue Norm: die DIN EN 12640:2020-05 „Intermodale Ladeeinheiten und Nutzfahrzeuge – Zurrpunkte zur Ladungssicherung – Mindestanforderungen und Prüfungen; Deutsche Fassung EN 12640:2019“. Diese Norm vereint nun die Anforderungen der Zurrpunkte an Fahrzeuge aus der DIN 75410-1:2003-07 und der DIN EN 12640:2001-01.
Nachfolgende Änderungen ergeben sich daraus für Herstellende von Fahrzeugen und Anhängern sowie für Nutzende.
Fahrzeuge ≤ 3,5 t zGM
Die neue Norm DIN EN 12640:2020-05 umfasst jetzt auch Fahrzeuge ≤ 3,5 t zGM. Um hier eine Differenzierung in Abhängigkeit von der zulässigen Gesamtmasse berücksichtigen zu können, werden noch einmal Unterscheidungen vorgenommen.
Kastenfahrzeuge (Kleintransporter) sind von der neuen Norm nicht erfasst. Für diese gilt weiterhin die ISO 27956.
Aktualisierung des vertikalen Zurrwinkels (α)
Die Mindestzurrkräfte der Einzel-Zurrpunkte und Mehrpunkt-Zurrsysteme müssen nun in einem Zurrwinkelbereich,
- vertikaler Zurrwinkel (α) von 0° bis 90° (vorher 30° bis 90°),
- längs verlaufender Zurrwinkel (βx) von 0° bis 180° (horizontaler Zurrwinkel),
aufgenommen werden. Eine Abweichung von 5° ist erlaubt.
Anzahl der notwendigen Zurrpunkte
Die Berechnung der notwendigen Zurrpunkte (Zurrpunktpaare n) erfolgt nun aus dem höchsten Ergebnis
- der Ladelänge in Meter dividiert durch 0,85 und
- der Nutzlast in daN multipliziert mit 0,75 und dividiert durch die notwendige Zurrkraft der Zurrpunkte in daN
- der Abstände der Zurrpunkte auf der Ladefläche.
Es müssen aber mindestens zwei Zurrpunktpaare vorhanden sein.
Anordnung der Zurrpunktpaare auf der Ladefläche
Die Zurrpunktpaare müssen gleichmäßig auf der Länge der Ladefläche verteilt werden. Der Abstand zwischen benachbarten Zurrpunkten darf nicht mehr als 1.000 mm, im Bereich über den Fahrzeugachsen nicht mehr als 1.200 mm betragen. Bisher galten 1.200 mm bzw. 1.500 mm. Der maximale Abstand zur vorderen und hinteren Stirnwand von 500 mm ist geblieben.
Zusammenfassend gibt es drei wesentliche Änderungen:
- Erhöhung der Mindestzurrkraft der Zurrpunkte auf 600 daN bei Fahrzeugen über 0,75 t bis max. 3,5 t zGM,
- Reduzierung des Abstandes der benachbarten Zurrpunkte von 1.200 mm auf 1.000 mm,
- Reduzierung des vertikalen Zurrwinkels (α) auf 0°.
Vorteile der Änderungen
Welche Vorteile die Änderungen bewirken, sei in folgenden Beispielen dargestellt.
Beispiel: Transport eines Minibaggers auf einem Tandemanhänger
Bei einem Minibagger sind meistens die Zurrpunkte sehr tief am Unterwagen montiert, z. B. am Abstützschild, außen am Kettenfahrwerk bzw. an der Zugöse (Abb. 5/6). Das hat den Nachteil, dass dann der vorhandene vertikale Zurrwinkel (α) beim Sichern des Minibaggers im Diagonalzurrverfahren von ca. 10° bis 20° unter den bisherigen 30°-Mindestzurrwinkel des am Tandemanhänger vorhandenen Zurrpunkts liegt. Das stellte bisher eine nicht bestimmungsgemäße Nutzung des Zurrpunkts dar. Weiterhin kommt man beim Transport eines Minibaggers schnell an die Belastungsgrenzen der Zurrpunkte. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Minibagger auf dem Tandemanhänger im Diagonalzurrverfahren zu sichern: einmal im einfachen Diagonalzurren und zum anderen im kreuzweisen Diagonalzurren.
Die Auswahl des Zurrverfahrens ist davon abhängig, wo sich die Zurrpunkte auf dem Tandemanhänger bzw. am Minibagger befinden. Darüber hinaus ist entschei-dend, wie groß der Abstand der Zurrpunkte des Minibaggers zu den Zurrpunkten des Tandemanhängers ist und welche Art von Zurrmitteln verwendet wird. Bei einem handelsüblichen Zurrgurt nach DIN EN 12195, Teil 3, ist das Festende, z. B. Verbindungselement, Gurtband und Spannelement, schon ca. 0,50 m lang. Auf einem kleinen Tandemanhänger ist dieses Maß zwischen den Zurrpunkten des Anhängers und des Minibaggers schnell unterschritten.
Beim Transport eines Minibaggers auf einem Tandemanhänger wird ersichtlich, dass die Anwendung der neuen Norm für die Anwenderinnen und Anwender Vorteile bringt. Die durch das Zurrmittel erzeugten Sicherungskräfte werden auch bei Winkeln ≤ 30° berücksichtigt.
Beispiel: Transport eines Steinpakets auf einer Palette
Beim Transport eines Steinpakets auf einer Europalette bzw. Einwegpalette wird sofort ersichtlich, dass die Reduzierung des Abstands der Zurrpunkte auf 1,0 m Vorteile hat. Lägen die Zurrpunkte 1,20 m auseinander, könnte das freistehende Steinpaket nicht mit zwei parallel verlaufenden Zurrgurten im Niederzurrverfahren gesichert werden.
Arten von Zurrpunkten
Einzel-Zurrpunkte sind Sicherungsvorrichtungen bzw. Verankerungen auf der Ladefläche im Abstand von maximal 1.000 mm (bisher 1.200 mm).
Mehrpunkt-Zurrsysteme gibt es als Zurrschienen, Mehrpunkt-Zurrsysteme im Außenrahmen, Zurrsysteme mit mehreren Befestigungspunkten oder durchgehende Zurrsysteme in den Seitenwänden sowie Böden und Decken mit einem geringeren Abstand.
Zusammenfassung
Abschließend lässt sich feststellen, dass die DIN EN 12640:2020-05 insbesondere für die Nutzenden Vorteile bietet. So können z. B. beim Direktzurren auch die Zurrkräfte, die sich aus Winkeln unter 30° ergeben, berücksichtigt werden können. Weiterhin sind die geringeren Abstände der Zurrpunkte auf den Ladeflächen von Pritschenaufbauten vorteilhaft. Aus Anwendersicht wäre es wünschenswert, wenn Produktionsfirmen die Forderungen der Normung zeitnah umsetzen würden.
Autoren
Ausgabe
BauPortal 1|2021
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