Spezialtiefbau
Mikropfahlherstellung mit Herausforderung
Für den Bau einer Unterquerung der vielbefahrenen Bahnlinie von Mainz nach Frankfurt im hessischen Ginsheim-Gustavsburg müssen Spundwände bis zu einer Tiefe von zehn Metern unterhalb des Grundwasserspiegels in die Erde gerammt und rückverankert werden, um das drückende Grundwasser von der Unterführung fernzuhalten.
Laut Bemessung ist die Spundwand mit 21 m langen Pfählen temporär rückzuverankern, wobei diese mit nur sieben Grad Neigung eingebaut werden dürfen, um in der Kiesschicht/Sandschicht zu bleiben und die Pfähle beim späteren Aushub problemlos zurückbauen zu können. Schon in der ersten Ankerlage zeigte sich, dass der Grundwasserspiegel mindestens 1,50 m über der Bohrebene für die späteren Zugpfähle liegen wird.
Die ursprünglich vorgesehenen Tragglieder hätten nicht eingebracht werden können, ohne einen Grundbruch auszulösen. Das ausführende Unternehmen, die aventas.grundbau GmbH & Co. KG aus dem saarländischen Illingen ist daher auf das Preventer-System von Ischebeck umgestiegen, das es erlaubt, trotz anstehenden Wassers die Spundwand zu durchbohren und den Mikropfahl einzubauen.
Dieses System besteht aus einem Ventil, welches über eine Steuereinheit und Druckluft geöffnet oder geschlossen werden kann. Im geschlossenen Zustand verhindert das Ventil ungewollten Rückfluss und reduziert diesen auf ein nötiges Minimum. Der Preventer wird fest am Bauwerk befestigt, bevor mit dem eigentlichen Einbau der Mikropfähle begonnen wird. Man kann mit ihm gegen eine Wassersäule von bis zu 20 m (2 bar) bohren. Typische Einsatzbereiche für das System sind neben der Rückverankerung auch die Auftriebssicherung von Bauwerken sowie die Nachgründung von bestehenden Gebäuden.
Spezielle Bohrkrone zum Öffnen der Spundwand
Für die Unterquerung in Gustavsburg wurde zunächst ein Rohrstück mit angeschweißten Flanschen mit der Neigung des Zugpfahls von sieben Grad an die Spundwand gesetzt. An den Flansch des Rohrstutzens konnte anschließend der Preventer angeschraubt werden.
In einem ersten Schritt musste die Spundwand durchbohrt werden. Hierzu hat Ischebeck eine spezielle Bohrkrone entwickelt, die aus einem einseitig geschlossenen Rohr und einer Bohrschneide, die Stahl durchbohren kann, besteht. Die sogenannte Ringbohrkrone wird mit der Bohrstange durch den Preventer geführt. Nachdem man diesen über die Membrane mit Druckluft geschlossen hat, kann innerhalb von zwei bis drei Minuten die Spundwand gefahrlos aufgebohrt werden. Das ausgebohrte Stahlteil verbleibt dabei hinter der Spundwand oder in der Ringbohrkrone. Diese Bohrkrone ist übrigens auch zum Durchbohren von Beton mit einer Stärke von bis zu 35 cm geeignet.
Im zweiten Schritt wurde das Bohrgestänge mit der Ringbohrkrone vorsichtig gezogen und der Preventer über die Zuführung weiterer Druckluft vollständig geschlossen. Daraufhin erfolgten der Austausch der Bohrkrone gegen eine Kreuzbohrkrone mit 130 mm Durchmesser und das Wiedereinführen des Gestänges durch den Preventer. Anschließend konnte das Gestänge wie gewohnt gebohrt werden. Ein Rückfluss der Zementsuspension erfolgt weiterhin, wenn auch in gedrosselter Form. Auch das Kuppeln der Stahltragglieder ist durch eine leichte Änderung des Luftdrucks auf die Membran weiterhin problemlos möglich. Abstandhalter kamen bei diesem Projekt nicht zum Einsatz, da es sich um eine temporäre Maßnahme handelte, wären bei Bedarf aber auch durch den Preventer einzubringen.
Nach Erreichen der Pfahllänge wurde der Pfahl mit einem kurzen Verlängerungsstab in das System hineingeschoben, damit dieser mit einer Stahlplatte verschlossen werden konnte. Über Nacht härtet der Zementleim aus, sodass der Preventer am Folgetag abgeschraubt, gesäubert (der in ihm enthaltene feste Zementleim lässt sich leicht lösen) und schnell wiedereingesetzt werden kann. Bei anderen Projekten wie Auftriebssicherungen oder Nachgründungen erfolgt das Verschließen des Pfahls mit einem vorher montierten Abschieber (Anschlussflansch nach DIN EN 1092-1), der geschlossen wird, sodass der Preventer sofort demontiert und weiterverwendet werden kann. In Gustavsburg hat man abschließend auf dem verbleibenden Rohrstutzen Kopfplatte und Kugelbundmutter montiert und festgezogen, wobei ein Vorspannen nicht erforderlich war. Bei diesem Bauvorhaben kamen insgesamt vier Preventer zum Einsatz, mit deren Hilfe 16 Zugpfähle vom Typ 52/26 mit einer Länge von 21 m hergestellt wurden.
Projekt:
Verankerung von Spundwänden für den Bau der Bahnunterquerung in Ginsheim-Gustavsburg
Bauherr:
Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung/Deutsche Bahn AG
Bauausführung:
aventas.grundbau GmbH & Co. KG
Verankerungs- bzw. Pfahlarbeiten:
Friedr. Ischebeck GmbH
www.ischebeck.de
Autor
Ausgabe
BauPortal 1|2020
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